Anatol Gotfryd über das Holocaust-Denkmal und Gewalt gegen Frauen
Heute war Anatol Gotfryd zu Gast in der schönen Sendereihe Zwischentöne des Deutschlandfunks (sonntags 13:30-15 Uhr). Gotfryd hat im letzten Herbst seine Erinnerungen veröffentlicht unter dem Titel Der Himmel in den Pfützen. Ein Leben zwischen Galizien und dem Kurfürstendamm. Leider habe ich sie noch nicht gelesen. Nach dem, was ich in dem Interview über den Autor erfahren habe, muß es ein sehr lesenswertes Buch sein. Gotfryd, ca. Jahrgang 1930, wurde als Kind zusammen mit seiner Mutter in einen Viehwaggon gestopft, Richtung Auschwitz. Nachdem viele schon erstickt waren, gelang es einem Ingenieur, die Luftluke zu öffnen und Anatol aus dem fahrenden Zug zu werfen und so zu befreien. Anatol landete in einem Tümpel, konnte sich herausarbeiten und irrte dann bis Kriegsende durch Polen. Er erlebte viel Gemeinheit, aber auch viel Hilfsbereitschaft.
Der Interviewer, Joachim Scholl, fragte Gotfryd, der am Kurfürstendamm mit seiner Frau eine Zahnarztpraxis hatte, auch nach seiner Meinung zum Holocaust-Denkmal.
Darauf Gotfryd: "Wenn man das selbst erlebt hat und diesen Stelenwald da sieht, frage ich mich oft, wo ist die Frau, der man ins Gesicht geschlagen hat, wo ist der Verlust ihrer Würde oder sowas? Diese Denkmäler sind für mich so, als ob Gefühle irgendwie im rechten Winkel abgebildet werden, also damit kann ich verdammt wenig anfangen. Ich finde es toll, daß man im Zentrum der Hauptstadt ein Areal zur Verfügung gestellt hat als Art von Denkmal für das, was sich ereignet hat, aber ich hätte das nicht formal noch ausgeschmückt. Also es würde vollkommen reichen, wenn da kniehoch Gras wachsen würde, und man wüßte, weswegen."
Joachim Scholl: "Das sagt auch ein Kunstkenner, Anatol Gotfryd - ein Kommentar in diese Richtung."
Es war aber nicht nur ein Kommentar des Kunstkenners Anatol Gotfryd "in Richtung Kunst", sondern auch der Kommentar eines Mannes, der schon mal über Gewalt gegen Frauen nachgedacht hat.
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1 Kommentar
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14.05.2006 um 10:01 Uhr Joey Horsley
Danke dafür, dass ich diesen Gotfryd kennenlerne, auch sein frauenbewußtes Denken!