Fragen an FemBio. 1. Teil: Wie gehen Sie mit Transgender-Personen um?
Gestern bekam ich folgende Email:
Sehr geehrte Frau Pusch, sehr geehrte Damen,
wir sind drei Studentinnen die im Rahmen eines Universitäts Seminares (Feministische Theorien und Praxen des Auto/Biographischen) eine Seminararbeit zu Fembio schreiben.
Wir schreiben Ihnen mit der Bitte uns einige Fragen bzg Fembio zu beantworten. Wir hoffen, Sie finden die Zeit uns zu antworten. Danke im Voraus!
Folgende Fragen haben wir uns gestellt: (Hauptsächlich zur Auswahl der Damen).
- Nach welchen Kriterien genau wählen Sie die Frauen für Fembio aus? Nach welcher Leistung? Muss bei den Frauen irgendeine Form beruflicher Praxis vorhanden sein? Wie "finden" Sie die Frauen? Wie gehen Sie mit Transgender-Personen um?
Ich muss Ihnen, Frau Pusch, noch sagen, ich bin eine große Fan von Ihnen und Ihrer Arbeit. Ich liebe Ihre Texte, ich lese sie alle. Und ich bin so froh und dankbar, dass es Frauen wie Sie gibt. Danke für Ihre großartige Arbeit!!
Die Lobeshymne am Schluss der Anfrage hat mich natürlich sehr gefreut. Zuerst dachte ich allerdings, vielleicht schreibt sie das nur, um mich geneigter zu stimmen für eine Antwort (die immerhin einige Arbeit verursacht). Aber die Formulierung „ich bin eine große Fan von Ihnen“ beweist, dass sie meine Texte tatsächlich liest, denn in diesen Texten plädiere ich regelmäßig für die Feminisierung von Personenbezeichnungen wie Nerd, Fan, Geek, DJ, die wir aus dem Englischen übernommen haben. Frauen, die meine Texte nicht kennen, würden schreiben „Ich bin ein großer Fan von ihnen“ und damit zeigen, dass es mit ihrer Begeisterung nicht weit her ist.
Zugegeben, die „Damen“ haben mich dann doch wieder zweifeln lassen. Nicht ohne Grund ist die Frauenbewegung keine „Damenbewegung“!
Egal. Ich werde die Fragen hier öffentlich beantworten, weil sie mir so oder ähnlich schon öfter gestellt wurden. Für die nächsten Anfragen kann ich dann einfach auf diesen Text verweisen.
Ich beginne mit der Antwort auf die Frage nach den Transgender-Personen, weil ich vermute, dass jüngere Feministinnen sich dafür besonders interessieren.
Männer, die früher einmal Frauen waren (Transmänner), werden aus der Online-Datenbank gelöscht, offline aber nicht (aus privatem historischem Interesse). So geschehen etwa mit Julian Schutting (vormals Jutta) und Patrick Califia (vormals Pat). Ich gehe davon aus, dass es im Sinne der Transmänner ist, nicht in einem Verzeichnis von Frauen genannt zu werden. Dasselbe gilt für Transgender-Personen, die sich als "non binary" verstehen und keinem Geschlecht zugeordnet werden wollen.
Radclyffe Hall (1880-1943), die von vielen „John“ genannt wurde und sich heute, so vermuten manche, zum Transmann umwandeln lassen würde, ist auf FemBio mit einer Biographie vertreten, die ich zu ihrem 50. Todestag für den Kalender 1993 geschrieben habe. Eine lange Liste mit FemBiografien von Frauen, die in Frauenbeziehungen lebten, findet sich hier. Heute würden sich manche dieser Frauen vielleicht als Transgender-Personen einordnen.
Die derzeit wohl bekanntesten Transfrauen Caitlyn Jenner (vormals Bruce) und Chelsea Manning (vormals Bradley) sind auf Fembio bisher weder mit einem Dateieintrag noch mit einer Biografie vertreten. Das ist allerdings nichts Ungewöhnliches. Von den Hunderten Transmännern und Transfrauen, die in der englischsprachigen Wikipedia aufgelistet sind, befinden sich nur vier Transfrauen in der FemBio-Datenbank. Und zwar: Die dänische Malerin Lili Elbe (1882-1931), die intersexuell war, als Einar Mogens Wegener aufwuchs und sich 1930/31 einer geschlechtsangleichenden Operation unterzog. Ihr Schicksal wurde kürzlich von Tom Hooper verfilmt („The Danish Girl“). Zweitens Christine Jorgensen (1926-1989), die erste Transsexuelle, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzog und 1967 ihre Autobiographie veröffentlichte. Und schließlich die englische Historikerin Jan Morris (*1926), deren Memoiren unter dem Titel "Conundrum" 1974 Aufsehen erregten, und die australische Soziologin und Gender-Theoretikerin Raewyn Connell (*1944). Alle vier sollen bald mit einer FemBiographie gewürdigt werden.
Und warum nur vier? Auch das ist nichts Ungewöhnliches: Von den Tausenden Frauen, die in Wikipedia gewürdigt werden, sind nur 9.300 in der FemBio-Datenbank aufgeführt und nur 1150 bei FemBio mit einem Porträt vertreten. Wikipedia ist ein weltumspannendes Projekt mit Tausenden freiwilliger MitarbeiterInnen; FemBio ist im Vergleich dazu ein sehr kleines (aber sehr feines) Projekt. Hauptvorzug gegenüber Wikipedia: Die feministische Perspektive!
Und warum gerade diese Transfrauen? Eindeutig ist da eine Bevorzugung historischer, schreibender und feministischer Transfrauen zu erkennen. Die Vorliebe für historische berühmte Frauen und für Feministinnen war von Anfang an typisch für mein Kalenderprojekt "Berühmte Frauen" (1988ff.) und daher auch für das Folgeprojekt FemBio. Die Entscheidung, auch lebende berühmte Frauen im Kalender zu feiern, geht auf den Suhrkamp Verlag zurück, der damit ein größeres Publikum ansprechen wollte. Ursprünglich aber wollte ich mit dem Kalender vor allem an zu Unrecht vergessene oder unbekannte Frauen erinnern. Auch deshalb gibt es noch keine FemBiographien zu Caitlyn Jenner und Chelsea Manning: Unbekannt sind sie nicht gerade. Aber eine Würdigung aus feministischer Perspektive haben sie schon verdient. Allerdings gibt es die bereits, verfasst von Elinor Burkett. Sehr lesenswert!
Die noch offen gebliebenen Fragen an Fembio beantworte ich in meiner nächsten Glosse.
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5 Kommentare
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14.02.2016 um 11:27 Uhr Amy
Ich finde den medizinischen, chirurgischen Aspekt schon wichtig. Insofern auch die Praktik der plast. Schönheitsindustrie, wohin vor allem Frauen flüchten , weil sie mit ihrem äußeren/inneren Erscheinungsbild nicht mehr zufrieden sind - auch da wird am Körper herumgeschnippelt, bis er passend gemacht wird und Frauen sich angeblich erst danach glücklich schätzen . Das betrifft Jung und Alt - diese patr. gesellschaftl. Moral setzt alles daran, uns schon von kleinauf auf Körperlichkeit , Äußerlichkeiten und damit auch zur Unzufriedenheit zu drillen . Sich im `falschen` Körper zu befinden, ist tragisch, erleben schon junge Frauen, wenn sie nicht der Schönheitsnorm und den Modellmaßen entsprechen oder die Vagina (u.a. Schamlippen) verjüngt werden muss, der Busen die richtige Größe erhalten soll und dafür mit Silikon ausstaffiert wird. Es ist heftig , den eigenen Körper als `missgebildet` zu empfinden und deshalb den enormen Aufwand einer Geschlechtsangleichung in Kauf zu nehmen; ich vermute, dass die Mehrheit der betroffenen Frauen und Männer trotzdem darauf verzichtet? Egal, wie ich mich `umgestalten` lasse, welches Geschlecht ich wähle, entspreche ich nicht auch dann der Optik, der Norm und den Vorstellungen, wie männlich oder weiblich auszusehen haben? Wie leicht könnte es sein, wenn wir ohne Vorurteile und gesellschaftl. Zwänge uns und unsere Körperlichkeit - mit der wir geboren und alt werden - so annehmen und akzeptieren, dass wir uns sogar darin wohl fühlen? Darin sehe ich u.a. den Sinn des Feminismus, uns auf die Gefahren und den Ursprung unseres Unwohlseins hinzuweisen .. Was den Jugend- und Schönheitswahn betrifft, wird das sogar positiv bewertet.
Ich finde den chirurgischen aspekt deswegen so aktuell - denn (obwohl nicht unbedingt vergleichbar) er erinnert an die Methode der Genitalverstümmelung an weibl. Menschen und die künstlich hervorgerufene Beschäftigung m.d. Aufmachung d. weibl. Körpers. Sollen wir daraus unser Selbstbewusstsein ziehen bzw. schärfen?
Nur, wer sich Gedanken darüber macht, was uns das `Imperium` an Eingriffen vorschlägt und die Unzufriedenheit mit sich selbst mit/schürt , wer sich kritisch dazu äußert, kann gewiß sein, die `Etikette Transphobie` angehängt zu bekommen. Oder ich könnte auch einfach die Behauptung aufstellen, diejenigen, die sich einer Geschlechtsangleichung unterziehen, hassen (pauschal) das jeweils andere Geschlecht, aus dem sie schlüpfen wollen?
Zitiert (Janice Raymond): .. Als “transsexuelles Imperium” bezeichne ich jenes System medizinischer Disziplinen, das die anatomische Geschlechtsumwandlung überhaupt erst ermöglichte, indem es die entsprechenden Technologien erfand. Urologen, Gynäkologen, Hormonforscher und plastische Chirurgen erschaffen mit vereinten Kräften den transsexuellen Menschen. Die Zahl der Behandlungsformen, die das “Problem” in den Griff bekommen wollen, hat in wenigen Jahren ein erstaunliches Ausmaß erreicht. Das reicht von den allerersten, grundlegenden Genital- und Brust-Operationen bis zur kosmetischen Chirurgie (wie Augen-, Nasen und Kinnkorrekturen), von der Elektrolyse bis zur Sprachtherapie. Pharmakonzerne und Kliniken profitieren von der Geschlechtsumwandlung: Hormontherapien und Operationen sind nicht billig.
Dazu verbünden sich die Mediziner auch mit Experten anderer Disziplinen: Psychiater und Psychologen arbeiten Hand in Hand mit ihnen, indem sie potentielle Kandidaten zur Behandlung überweisen. Indem sie ihren Klientinnen eine “transsexuelle Notlage” attestieren, machen sie die operative Geschlechtsumwandlung “notwendig”. Die Diagnose lautet “geschlechtliches Unbehagen”, die Therapie: Operation und lebenslange Hormontherapie, um das “Unbehagen” zu lindern. Therapie wird zur Lebensform…...” (Zitatende)
12.02.2016 um 08:05 Uhr Regula Bühlmann
Liebe Luise
Vielen Dank, dass Sie das Thema aufnehmen, ich bin gespannt auf die Fortsetzung! Über die Kommentare dagegen bin ich schockiert. Hören wir doch auf, LGBTIQ gegen CIS-Frauen, Rassismus gegen Feminismus usw. auszuspielen! Es reicht nicht aus, mit Vagina geboren und in der Pubertät mit Brüsten ausgestattet worden zu sein, um eine sensibilisierte Frau zu sein. Wenn wir aber genau das zum Kriterium für Feminismus machen, tragen wir unseren Teil bei zur Verhärtung der binären Geschlechterrollen. Für mich ist Feminismus aber eine Öffnung statt Ausschluss, Ziel sollte Vielfalt sein statt Einheit in zwei Kategorien.
10.02.2016 um 13:56 Uhr Rune C. Olwen
Liebe Luise,
in Deinem Artikel sind ein paar gute aber halbformulierte Gedanken:
Zu Chelsea Bradley etc:
-soweit ich mich erinnere, kommen nur die Verstorbenen in die Datenbank. Chelsea lebt noch.
-die o.g. Auswahl deutet auf feministische AKTIVITÄT während ihres Lebens hin - und das ist ein gutes Prinzip.
- Entsprechend wäre Caithlyn Jenner nach ihrem Tod allenfalls für den Giftschrank geeignet - wie so viele furchtbare (zeitweise)fruchtbare Stepford Wives und Fembots.
Tatsächlich eine Entscheidung wert wäre die Frage, wie non-binaries behandelt werden:
-wäre also ein vor der Pubertät ermordetes oder an Krankheit gestorbenes Mädchen nicht wegen der Auswirkungen ihres(“their”) Lebens auf z.B. Gesetzgebung gegen Gewalt und Diskriminierung der Aufnahme würdig, sondern nur, wenn sie sich als Mädchen gefühlt hat und nicht, wie ich, als Agender?
- durch die Möglichkeit, die Pubertät hinauszuschieben (und damit auch die Entscheidung für oder gegen OPs) könnte bei der jetzt jungen Generation so manche politische Aktivist verlorengehen! NUR weil die Belastung des 218 wegfällt??? Gewalt und Diskriminierung scheint ja ziemlich übereinstimmend, egal wie sich ein Kind, eine Person in oder nach der Pubertät definiert.
Zu dem ziterten EMMA-Artikel und dessen - für mich unverständliche - Logik eine Anmerkung bezüglich der Zeitlinie: erst Pubertät solange wie möglich hinausschieben (bzw als politisches Ziel, dass das legal und finanziert wird).
Dann das, was WIRKLICH unerträglich ist, wegoperieren (ich habe 4 Versuche zur kassenbezahlten Sterilisation gemacht, und wurde zuerst verhöhnt, das wäre nur für Frauen die schon Kinder haben; dann , weil ich ja nur Angst vor Vergewaltigung habe und keine sexuelle Beziehung, und schliesslich, ich wäre ja schon nah am Klimakterium.
UND DANN kam das Rentenstrafrecht, nach dem mir von dem Bettel der Künstlersozialversicherung noch was abgezogen wird, weil es mir unter erschöpfenden Anstrengungen gelungen ist, weder Erbkrankheiten weiterzugeben, noch ins Gefängnis zu kommen, weil ich nur Prügel und die Auslieferung an den nächsten Vergewaltiger erlebt habe. Das lateinische Recht in Deutschland kennt kein Recht, keine Kinder zu haben (bzw rentenbürokratieverweichlicht, keine (mit)zu erziehen!
Lex Talionis ist nur für cis-Männer - das Prinzip, dass MANN nicht geben kann was er nicht hat.
Meiner unbescheidenen Meinung nach wäre das Prinzip für die Aufnahme in die Datenbank, dass “they” im Leben gegen Frauendiskrinimierung gekämpft haben, und/oder wegen der Art des Todes/Sterbens etwas gegen Gewalt und Frauendiskriminierung bewirkt.
10.02.2016 um 08:52 Uhr Lena Vandrey
Eine prima Antwort von Amy, und über die Definition der “künstlichen Frau” haben wir echt lachen müssen! Wir hoffen, dass in unserem feinen Fembio weder M.S. Augstein noch die Frauen-Porno-Fotografin Bettina Rheims und ihre Gleichgesinnte Catherine Millet jemals ein Fembio-Portrait bekommen! All das ist unendlich traurig, zum Heulen und zum Jammern und völlig würdelos.
(Kommentar wurde von der Redaktion gekürzt.)
08.02.2016 um 21:49 Uhr Amy
Transfrauen sind verstümmelte Männer, schrieb Dame Edna-Erfinder Barry Humphries und nahm dabei Bezug auf Germaine Greer, die mit ihrer Äußerung für heftigen Wirbel sorgte: „Ich kann mir von meinem Arzt auch Leberflecken implantieren lassen. Das macht mich noch nicht zu einem Dalmatiner. Genausowenig sind Transfrauen echte Frauen. Sie sind einfach Männer, die sich den Schwanz haben absäbeln lassen”, war eine der öffentlichen Aussagen von Greer.
Wenn ich hier all die vielen Biographien bedeutender Frauen lese, bin ich jedesmal begeistert und auch betrübt über die Frauenschicksale und das Engagement von Frauen aus Politik, Kultur, Kunst, Gesellschaft, Feminismus, Frauenbewegung. Wir Frauen haben eine Geschichte, die endlich aufgearbeitet wurde und wird.
Aus den Specials ist so gut zu ersehen, welche Kriterien bzw. welche Auswahl u.a. getroffen wurde: http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biografie-specials/
“Eine Frau zu sein, bedeutet eben auch, bestimmte Erfahrungen gemacht zu haben.” Und das alles haben sicherlich nicht die Männer gemacht , wie z.B. Caitlyn Jenner, der angeblich heute seine Umgestaltung zur Frau bedauert. http://www.emma.de/artikel/wie-feministisch-ist-caitlyn-jenner-330191
Und Männer, wie Pat/Patrick Califia, der uns freundlicherweise seine Empfindungen zur SadoMaso - Praxis als sexuelle Befreiung schmackhaft machen will. http://www.emma.de/artikel/sadomasochismus-pat-und-patrick-califia-265076
Nee, einfach nur ein künstlicher Busen, eine künstliche Vagina, etliche Hormonzugaben, ein paar untragbare High Heels, edle Korsage, Schmollmund, viel Schminke und Glamour f.d. Medien, wenig Leistung und fertig ist die Frau?
Was manche Männer sich so unter dem Frausein vorstellen…
Ganz besoneren Dank an Luise F. Pusch für ihre hervorragenden Arbeiten !