Frikadellen und Würstchen oder Laborfleisch und Cybersex
Ersatzkaffee, Kunsthonig, Süßstoff, Laborfleisch, Cybersex … all diese Dinge sind nicht das Wahre, sondern mehr oder weniger geglückte Kopien, bloße Annäherungen an „the real thing“.
In den letzten Wochen hörten wir besonders viel über Laborfleisch und Cybersex. Das Laborfleisch soll helfen, den Hunger in der Welt zu bekämpfen. Vielen wurde schon bei dem Gedanken schlecht, erst recht dann beim Anblick und bei der Verkostung der künstlichen Frikadellen. Andere sehen Positives in dem Versuch, nicht mehr so viele Tiere zu „produzieren“ zu dem einzigen Zweck, sie abzuschlachten. Ich finde Laborfleisch auch viel weniger eklig als das Abschlachten von Tieren.
Das Thema Cybersex belästigte uns in Gestalt des Sexmaniaks Anthony Weiner, einst demokratischer Abgeordneter im US-Kongress, derzeit bzw. noch Kandidat im Wahlkampf um das Amt (Achtung: generisches Femininum) der Bürgermeisterin von New York.
Hendrik Hertzberg, politischer Kommentator beim New Yorker, schrieb in der neusten Ausgabe des Magazins:
Die Saga um Anthony Weiner …. ist aus vielen Gründen bemerkenswert. Vor allem wegen der Dinge, die der Protagonist, so weit wir das wissen, nicht getan hat: Er hat nicht Ehebruch begangen. Er hat keine Ehe zerstört, weder seine eigene noch eine andere. Er hat nicht die Dienste einer Prostituierten in Anspruch genommen. Er ist kein Stalker. Er hat keine öffentlichen Gelder veruntreut. Er hat niemanden begrabscht oder sonstwie sexuell belästigt. Er hat sich nicht in Strip-Clubs oder Pickup Bars herumgetrieben. Er hat mit keiner Person welchen Alters oder Geschlechts auch immer verkehrt ohne deren Zustimmung und Kooperation. Er hatte keinen unsittlichen körperlichen Kontakt - oder überhaupt irgendwelchen Kontakt - mit irgendjemand. Er und seine „Mit-Sünderinnen“ waren noch nicht einmal je zur selben Zeit im selben Raum. (Übersetzung von mir, Quelle hier)
Was Weiner trotzdem politisch das Genick brechen wird, so Hertzberg, ist die Lächerlichkeit seiner Fehltritte. Was hat er getan? „Anfang Juni 2011 wurde bekannt, dass Weiner über seinen Twitter-Account Links zu freizügigen Bildern von sich an andere Frauen verschickt hatte, darunter am 27. Mai 2011 versehentlich einen Link zu einem Bild an jeden seiner 56.000 Follower.“ (Wikipedia). Besonders komisch ist, dass der Name „Weiner“ wie „Wiener“ ausgesprochen wird, und „Wiener“ (wie die Würstchen) bedeutet „Pimmel“.
Und nun, zwei Jahre später, hat er sich wieder dem Cybersex hingegeben, diesmal dem „Sexting“: Er hat mit Frauen per Handy (Sexophon?) Nacktfotos ausgetauscht.
Die überdimensionale Rolle, die bei Weiners sexibitionistischen Umtrieben sein Würstchen gespielt haben soll ("Did Anthony Weiner Tweet a Picture of His Weiner?" titelte die Skandalpresse), inspirierte den New Yorker zu einem bösen Titelbild.
Warum sollte uns das alles überhaupt interessieren? Aus zweierlei Gründen: Möglicherweise schadet Weiner einer eventuellen Präsidentinschaft Hillary Clintons erheblich. Weiners Ehefrau, Huma Abedin, gehört zu den engsten Mitarbeiterinnen Hillarys. Und für ihren eventuellen (hoffentlichen) Wahlkampf kann Hillary keine peinlichen Erinnerungen an Sexskandale irgendwelcher Art in ihrem Umfeld gebrauchen.
Zweitens, wenn wir uns nun doch einmal den drei Sexskandalen in Hillarys Umfeld widmen, fällt deutlich ihr zunehmender Ersatzcharakter auf. Bill Clinton beteuerte „I did not have sex with that woman“ und meinte mit dieser Haarspalterei, die das Volk ihm nicht abnahm, dass er schließlich von Monica Lewinsky „nur“ oral befriedigt wurde, also relativ passiv blieb und sie nicht aktiv „penetrierte“. Nur der Akt der Penetration galt in seiner Vorstellung als Sex.
Weiner allerdings könnte, wie uns Hendrik Hertzberg haarklein auseinandersetzte, mit Recht von sich behaupten „I did not have sex with these women“. Alles nur Ersatz, nie „the real thing“.
Wie sollen wir das finden, wenn FleischesserInnen sich zunehmend mit Ersatzfleisch begnügen könnten und hormonell herausgeforderte Männer mit Ersatzsex? Im Grunde bin ich dafür, aber unschädlich wird es für Frauen erst, wenn nicht mehr sie selber mit den Maniaks interagieren, sondern animierte Ersatzfrauen. Eine neue Aufgabe für die Pixar Studios. Da Pixar zu Disney gehört, dürften wir hoffen, dass die animierten Animateusen so sauber programmiert würden, dass sie auf die heißen Würstchen bzw. hormongedopten Selbstschädlinge pädagogisch und beruhigend einwirken könnten. •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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4 Kommentare
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24.08.2013 um 18:09 Uhr Lena Vandrey
Liebe Luise, Liebe Joey,
Da das Thema auf Blog Amerika heiBt, möchte ich Euch etwas fragen.
In einer Franklin-Delano-Roosevelt-Biographie von Alan Posener entdecke ich Folgendes:
Der Autor schreibt: “Es scheint, dass Eleanor Roosevelt über längere Zeit von ihrer Gesellschafterin sexuell missbraucht wurde. Daher(?) blieb die Sexualität ihr ganzes Leben lang eine Quelle der Angst”. “Es scheint”... scheint mir kein wissenschaftlicher Ausdruck zu sein. Woher “scheint” das?
Es kommt aber noch deftiger: Als Eleanor mit 15 Jahren in ein Mädchen-Pensionat nach London gesandt wurde, erlebt sie dort zum ersten Mal die Anerkennung und Liebe, nach der sie sich als Kind gesehnt hatte. Aber die Leiterin der Schule, Marie Souvestre, musste aus Frankreich fliehen und ihre französische Schule verlassen, da ihre eifersüchtige Mitbegründerin ihr vorwarf, sexuelle Beziehungen zu den Mädchen zu unterhalten.
Marie Souvestre war 70 Jahre alt, als sie zum wichtigsten Einfluss in Eleanors Leben wurde und selbige zu ihrer Lieblingsschülerin. Beide bereisten zusammen die Welt.
Eleanor wurde zum Idol der kleineren Studentinnen. Über Marie Souvestre berichtet der Autor das Allerbeste, NUR WOHER kommen denn diese sonderbaren Details? Wisst Ihr etwas darüber?
Eleanor Roosevelt verbrachte ihre Ehezeit meistens schwanger. Wie artikuliert sich eigentlich das Ganze? Ich kann mir keinen Reim darauf machen!
Ist es nicht interessant zu erfahren, daB Eleanor eine ganze Reihe von lesbischen Freundinnen und Mitarbeiterinnen hatte, welche im WeiBen Haus sehr wohl gelitten waren, weil sie als Lehrerinnen von FDR galten, eine hatte sogar ihr eigenes Zimmer im WeiBen Haus…
Beste GrüBe nach Boston,
Lena.
12.08.2013 um 16:44 Uhr Alison
Ich finde es lobenswert, Fleischfresser mit Fleischfassern, die keine Unmengen Getreide nötigen um zu entstehen, zu befriedigen.
Anthony Weiner ist nur armselig, und wenn er sich selbst nicht nach dem ersten, karriereändernden Skandal im Griff kriegt, was sagt das über seine Exekutivekompetenzen aus?
10.08.2013 um 23:08 Uhr Joey Horsley
I never would have thought to link these two news items! That’s because I don’t “think out of the box” the way Luise does. Brilliant!
But I’m afraid this column has forever changed my formerly innocent reading/hearing of the old Suzuki violin method mantra used to teach children a particular bowing technique; the rythmical phrase “ham-burger, hot dog” will leave a bad taste from now on.
10.08.2013 um 18:46 Uhr anne
WOW Luise !
also seinen pimmel als duftnote per internet für alle sichtbar auf reisen zu schicken, dazu gehört ja schon eine gehörige portion dreistigkeit, passiert, wenn der verstand in die hose rutscht? ich wundere mich, warum frauen noch diesen üblen schwanz-gesteuerten männern (wie z.b. Strauss-Kahn, Kachelmann, Schwarzenegger u.v.m) i.d. öffentlichkeit die stange halten?
ehefrau Huma Abedin behauptete bei den früheren abenteuerlichen feinripp-auftritten ihres ehemannes: `ich werde bei meinem mann bleiben, unsere ehe hat wie viele andere ehen auch ihre `höhen` und tiefen`.
jedem Weiner seine gummi-puppe, die liegen inzwischen stark im trend - eine alternative , jetzt auch für (ehe-)paare..alles nur ersatz, mit `real dolls`. sogar in sibirien haben russische Weiners mit sexy gummipuppen schwimmwettbewerbe ausgetragen! nur diese ersatzpuppen zeigen wenig mimik, und gerade mächtige männer wie Weiner geniessen als exhibitionisten während/nach ihrer ungewöhnlichen pimmel-show die reaktion der betrachterinnen? das macht den kick…
http://www.adiweiss.at/content/sexpuppen-la-carte-wenn-maenner-puppen-lieben