Friseuse oder Friseurin?
Letzte Woche war meine Freundin Katrin Lunde aus Norwegen zu Besuch. Als Germanistin betrachtet sie die deutsche Sprache mit wissenschaftlichem Interesse, und so fragte sie mich: “Wie sagt ihr jetzt, Friseurin oder Friseuse? Da gab es doch einen Film, Der Mann der Friseuse, aber eben hast du gesagt, du mußt zur Friseurin.”
“Im Deutschen hat die Endung -euse inzwischen einen negativen Beigeschmack”, sagte ich, “wahrscheinlich alles wegen der Masseuse. Seit Massagesalon als Euphemismus für Bordell und entsprechend Masseuse für Prostituierte verwendet wird, besteht die Masseurin auf Masseurin, weil sie nicht mit der Masseuse verwechselt werden möchte. Insgesamt hat der Ruf von -euse in weiblichen Berufsbezeichnungen durch diese Assoziation und das entsprechende Abgrenzungsbedürfnis stark gelitten. Inzwischen gelten Masseurin und Friseurin als “seriöser”, anspruchsvoller als Masseuse und Friseuse. - Vielleicht mag eine Friseurin, die auf sich hält, auch wegen der Friteuse nicht Friseuse genannt werden."
Ich erinnere mich noch an Nicole Heesters Ende der 70er Jahre als allererste Tatort-Kommissarin. Von ihren gehässigen Kollegen wurde sie mit “Frau Kommisseuse” angeredet, das sollte witzig sein. Und wenn Hillary Präsidentin wird, nächstes Jahr oder in 5 oder 9 Jahren, werden sicher einige sie “Kommandeuse-in-chief” nennen.
Helke Sander erzählt ähnliches aus der Anfangszeit ihrer Karriere als Filmregisseurin: "Ganz schlimm war es jahrelang bei Regisseurin. Das kam niemandem über die Lippen. Zuerst sprach man widerwillg vom weiblichen Regisseur (mit Anführungsstrichen gewissermassen). Dann von der Regisseuse, und erst in den letzten Jahren ist Regisseurin akzeptabel geworden." (Email vom 8.4.07)
Weitere Beispiele will ich hier nicht diskutieren, sonst kommen mannche noch auf dumme Gedanken. Nur für die Auslandsgermanistik, die solche Feinheiten bzw. Unfeinheiten der deutschen Sprachentwicklung nicht so direkt mitkriegt, sei hier festgehalten:
Dass -euse heute lächerlich wirkt, hat wohl mit drei Faktoren zu tun:
a) der bereits erwähnte semantische Abstieg des Wortes Masseuse. Semantischer Abstieg ist übrigens ein Prozess, der im Patriarchat die meisten Bezeichnungen für Frauen irgendwann trifft (mehr darüber ein andermal). b) -euse reimt sich auf Möse, -öse sieht auch noch aus wie Möse c) das Französische hat gegenüber dem Englischen eine Abwertung erlebt; Wörter aus dem Französischen, die einmal sehr "chic" waren, wirken daher heute leicht verstaubt: der Kommandeur ist heute eher ein Commander, der Ingenieur eher ein Engineer.
Das -in ist sprachsystematisch schlimm genug, aber wenigstens besitzt es eine ernsthafte, sozusagen “seriöse” Ausstrahlung. -euse dagegen wird heutzutage oft in der Absicht gewählt, sich über eine Frau lustig zu machen und ihr herrisch zu verstehen zu geben, sie sei leider nur ein lächerlicher Abklatsch des Originals.
Dabei wissen wir doch schon lange:
Dem Ingeniör ist das zu schwör, die Ingeniöse wird gleich böse.
Kommentieren für diesen Channel-Eintrag nicht möglich
3 Kommentare
Nächster Eintrag: Krake im Bauch
Vorheriger Eintrag: Zum Kuckuck mit den „Kuckuckskindern“
10.06.2008 um 18:54 Uhr Anne
Die Masseuse hat`s also auch erwischt - während der ökonomische HandelsPartner in unserer christl.-abendländischen Kultur mit dem Begriff “Freier” ausgezeichnet wird. Denn der Kunde ist ja König!
Etwas weit ausgeholt, aber doch verständlich, muss ich an die bibl. “Jüngerin” Maria Magdalena denken, die von den Gelehrten bis in die Neuzeit als `Sünderin` im Sinne der heutigen Masseuse? identifiziert wurde - also keine Frau, die mann als Ideal vorführen wollte. Während ihrem berühmten Freier weder Makel sondern ein seriöser Heiligenschein umgibt, siehe Rom.
Nicht lobe den Herren sondern erlöse uns von den Herren und ihren handels- sowie sprachüblichen Abwertungen etc.pp - verderben wir ihnen den Spass - auch hier wie in deiner früheren Glosse, liebe Luise, “Schluß mit der Duldungsstarre”.
Vielen Dank :-) - llg v. Anne
10.06.2008 um 12:07 Uhr Lisa Lemberg
Lach… da ist mir eine Geschichte wieder eingefallen, die ich in einem besonders heißen Sommer geschrieben habe…
Gerda runzelt die Stirn – 35 Grad im Schatten und dann noch an der Friteuse schuften! Sie fragt sich, wie diese Bengel bei der Hitze auch noch Pommes in sich reinschaufeln können und seufzt. O.K., that’s life, an die Arbeit.
Ein Dreikäsehoch lugt auf Zehenspitzen über die Theke und bestellt die erste Tüte des Tages. „Klar doch…“. Gerda lächelt ihm zu. 10 Minuten des 8-Stunden-Tages sind vorüber und ihr Make Up beginnt aufzuweichen.
„Gleich, das Fett ist noch nicht heiß genug.“, sagt sie zu dem Dreikäsehoch. Auch nach weiteren 15 Minuten will das Fett nicht die richtige Temperatur annehmen. „Scheiß Friteuse.“, knurrt Gerda leise vor sich hin und gibt dem Ding einen sanften, aber bestimmten Tritt. Ihre Zehe schmerzt.
„Mann, wie lang dauert das noch.“, quengelt der Kleine. Gerda spendiert ihm eine Trostlimonade. Schon rückt ein ganzer Pulk Jugendlicher an und das Fett wird einfach nicht…
Gerda ist ratlos. Aber – weil sie erst eine halbe Stunde in der Bude steht und nur die Wimperntusche fließt, aber der Lippenstift noch hält, zerdeppert sie die Friteuse nicht.
Sie setzt sich neben den Kasten und flüstert: „Komm schon, spuck aus, was ist los?“
Eisiges Schweigen. So wird das nix, denkt Gerda. „Hey… siehste die Leute alle anstehen? Mach schon!!“
„Nöööö, mag nich.“ Gerda fragt sich, ob sie spinnt, wiederholt aber ihre Bitte. Das Schweigen kommt ihr nun – trotzig – vor. Gerda kratzt sich am Kopf. „Also, wenn du jetzt sagst, was los ist, hör ich heut ne halbe Stunde eher auf, versprochen. Du hast also auch eher Feierabend! (Hoffentlich zieht das…)
„Ich mag nicht, wie ihr von mir sprecht.“
„HÄÄ!!??“
„Na ja… hab gehört… niemand soll mehr Masseuse sagen sondern Masseurin. Masseuse hätte so was – Unanständiges, Zwielichtiges… hab ich gehört. Und…“
Der Kasten räuspert sich, scheint den Tränen nahe zu sein. „Und niemand sagt Friteurin zu mir… unter diesen Bedingungen… wie steh ich denn da? Schäm mich ja direkt.“
Erleichtert verspricht Gerda, dieses unanständige Wort nie mehr in den Mund zu nehmen. Und ne halbe Stunde eher Feierabend machen – na, das gefällt ihr auch… UND WIE!
(jede Ähnlichkeit mit lebenden Friteurinnen ist rein zufällig…)
10.06.2008 um 09:19 Uhr Birgit Kiupel
Ich denke, es liegt hauptsächlich an den Klischees von der
locker-frivolen Französin - der Sehnsucht nach der vermeintlich freien Liebe in Frankreich - und der gleichzeitigen Abwertung eben dieser “Liebe” - der Feminisierung alles Französischen -
die ja auch die Männer “feminisiert”, als zu lasch, weich und eben der Frauenwerbung, der “Liebe” hingegeben imaginiert.
Das Getöse um die Masseuse etc pp zeugt von teutonischer
Unbeholfenheit -umgemünzt in die üblichen Abwertungen.
All das macht uns sehr müde - wie Freundinnen zu sagen pflegen….