Hiermit erkläre ich Sie zu Frau und Frau
Seit zwei Wochen dürfen in England und Wales lesbische und schwule Paare heiraten. Hetero- und homosexuelle Paare sind rechtlich vollkommen gleichgestellt. Über zwei frisch vermählte Herren meldete die Zeit aus diesem Anlass: "Das Paar ist seit sieben Jahren zusammen – und nun offiziell 'Mann und Mann'". Die Formel klingt komisch, und das ist wohl auch beabsichtigt. Auf Englisch sind sie nicht „man and man“, sondern „husband and husband“. Zwei miteinander verheiratete Frauen sind „wife and wife“. Auch das klingt recht ungewohnt.
Auf Deutsch wären die beiden vielleicht „Mann und Mann“ - aber bei uns sind Homo- und Heterosexuelle noch nicht gleichgestellt. Lesbische Frauen und schwule Männer können vorerst nur eine eingetragene Lebenspartnerschaft miteinander eingehen. Sie können sich, so ein anderer häßlicher Ausdruck, „verpartnern lassen“. Die Formel, die die Standesbeamtin dann ausspricht, lautet: „Hiermit erkläre ich Sie zu Lebenspartnern“. "'Das ist wohl die beste Formulierung', erklärt Andreas Unterforsthuber von der städtischen Stelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen (KGL), 'obwohl auch möglich wäre zu sagen: Hiermit erkläre ich Sie zu Mann und Mann oder zu Frau und Frau.'" (Quelle: Süddeutsche)
Ich hoffe doch, dass die StandesbeamtInnen genügend Sprachgefühl besitzen, zwei Frauen zu LebenspartnerINNEN zu erklären. Aber selbstverständlich ist das nicht, wie Berit und Angelika kürzlich bei ihrer Verpartnerung erleben durften. Der Standesbeamte war jung und eifrig - und sprach die ganze Zeit im Maskulinum über sie. Sie ertrugen es mit Nachsicht.
In der Sendung „Woman’s Hour“ vom 28. März erörterte Jenni Murray mit „Betroffenen“ die neue Terminologie, die das neue Gesetz mit sich bringt.
Linguistisch war das alles hochinteressant. Zwei frisch verheiratete Lesben erzählten, sie wären in Kanada legal verheiratet gewesen. Aber in England wurde ihre Ehe nicht anerkannt, nach englischem Recht lebten sie nur in einer „civil partnership“. In Kanada nannten sie einander „my wife“, in England aus Protest „my ex-wife“. Nun kann also wieder „my wife“ gesagt werden, und darüber waren sie glücklich. Jenni Murray fragte: „Aber ist nicht die Bezeichnung wife patriarchal belastet? Steht nicht wife für Unterordnung und Unterwürfigkeit schlechthin?“ „Ach was“, meinten die beiden, sie liebten diesen Ausdruck und könnten nicht genug davon kriegen. Und zwischen zwei Frauen wäre das ja auch ein ganz anderer Umgang, der sicher bald auf „wife“ abfärben würde. Und außerdem wäre es soo praktisch! Keine langatmigen Coming-Out-Verrenkungen mehr, sondern alle bekämen kurz und bündig zu hören „May I introduce - my wife“, und damit herrsche Klarheit.
Den einen gefällt an der „neuen Terminologie“ die Möglichkeit des Überraschungsschlags, den anderen genau das Gegenteil. Ihnen hilft die neue Sprachregelung, gegenüber Leuten, die es nichts angeht, gemütlich im Closet zu verbleiben. So zeigte sich eine der neu verheirateten Lesben erfreut darüber, dass sie nun auf die Frage nach ihrem Zivilstand einfach sagen könnte „I’m married“ und nicht zu einem Coming out gezwungen werde wie bisher mit der Auskunft „I’m in a civil partnership“.
So bietet denn die neue Terminologie den Findigen für jedes Bedürfnis etwas. Schade, dass Christa Reinig (1926-2008) das nicht mehr erleben durfte. Sie schrieb schon 1979 in ihrer wunderbaren Gedichtsammlung Müßiggang ist aller Liebe Anfang:
Meine frau ist krank, sag ich Achherrje! sagt die nachbarin und denkt putzfrau. •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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14 Kommentare
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13.04.2014 um 16:15 Uhr Oliver Gassner
@lfp:
Hass und Feindlichkeit sind sicher nahe beisammen, aber “Phobie” ist ja eine ANGST (ich bin nur minimal psychgologisch-wissenschaftlich vordeformiert, denke also, ich kann mich soweit vorweagen ;) ). Ich habe sicher vor einigen Dingen Angst, denen ich weder Hass noch Feindlichkeit gegenüber spüre.
Also: Hätte ein Kind Angst im Dunkeln, würde man auch nicht sagen: “Hey, du hast nur das falsche Bewusstsein und bist intolerant gegenüber Lichtlosigkeit. Get over it.” Bei der Angst spielt eher eine Phantasie eine Rolle (denn an ‘Angriffserfahrung’ dürfte es ja den allermeisten ihn der tat mangeln).
Natürlich KANN eine Angst in Aggression münden, ich denke aber, dass das dann kein ‘Hass’ ist bzw auch keine “Feindlichkeit” (interessant dieses doppelte Suffix (Adjektiv + Abstraktion), oder?). Angst kann aber auch in Flucht münden oder ‘nur’ in Stress oder…
13.04.2014 um 15:11 Uhr lfp
@Oliver Gassner: Auf Deutsch haben wir den “Schwulenhass” und die “Schwulenfeindlichkeit”. Der Begriff “Homophobie” wurde aus dem Engl. übernommen, wo er wohl in Analogie zu “Xenophobia” (Fremdenfeindlichkeit) gebildet wurde. Die Furcht vor etwas und der Hass darauf liegen ja tatsächlich oft nah beieinander.
Ich finde auch, dass Lesben und Schwule nicht viel gemeinsam haben, außer dass sie verfolgt werden. Und das ist schon ein guter Grund zur Zusammenarbeit.
13.04.2014 um 13:55 Uhr Oliver Gassner
Das ist doch eigentlich spannend - ist das schon ausreichend analysiert?
Schwule Liebe/Sex war illegal. Wenn von Homophobie die Rede ist, ist meist davon die Rede, oder? (Wobei ich das Wort ‘Phobie’ hier nicht ganz OK finde, habe ich eine vor Höhen oder Spinnen, bin ich “unschuldig”, habe ich eine vor (männl.) Homosexualität/Homosexuellen, bin ich “schuld”. Ich glaube ‘Phobie’ ist nicht der korrekte Ausdruck für das, was gemeint ist (wohl so etwas wie: Homosexuellenhass/-feindlichkeit, analog zur Misogynie…, oder?)
Lesbische Liebe/ehe/whatever scheint auf einer ganz anderen Ebene ‘bedrohlich’ zu sein und Gegenreaktionen zu provozieren. Gibt es da ‘Modelle’ dazu? Die das erklären/erhellen?
13.04.2014 um 11:34 Uhr Lena Vandrey
Am besten wäre es doch, in allen Rathäusern einen gleichgeschlechtlichen EHE-Automaten einzurichten, einen für Lesben, einen für Schwule, Namen, Daten, Fotos werden gespeichert und der Roboter liefert die neuen Papiere und Bezeichnungen: Meine Ehefreundin, mein Ehefreund! Ein kleiner Flyer wünscht viel Glück!! und der Steuer-Bonus wird gleich dazu angegeben…
Das wäre für Lesben sehr vorteilhaft, sie würden miesen Reaktionen entgehen. Lesben haben schlechte Karten und ziehen immer den Kürzeren. Daran wird auch diese Art Ehe nichts ändern.
Ich erkläre Sie somit für verheiratet, sagt der Roboter. Dann ertönt eine berühmte Musik. Ich optiere für “God save the Queen” oder “Einigkeit und Recht und Freiheit”, etwas Passendes also für solche Fälle!
Eines Tages wird es wohl so sein, ohne viel Wortmachen, denn die Wörter wird es kaum noch geben; sie werden sich derart verkürzen, dass nur noch Gurgel-Laute übrig bleiben: Ich liebe dich heißt dann Illidi, und Schluckauf und Rülpser sind Statements. Früher gab es einen Lesben-Jargon, der kesse Vater, die fesche Mutter, die Verlobte, die Braut, der Lesben-Schuppen, die Alt-Lesbe, die Baby-Lesbe: Alles weg!
In der MARIAGE GAY befinden sich Lesben an unterster Stelle: Die Hetero- und Homo-Ehen haben ihnen den Garaus gemacht…
13.04.2014 um 10:12 Uhr Oliver Gassner
Also ich wäre ja für “Frau (und Frau)”. Nachteil: Frouwe ist die femininie “Unter”-Form von Fro (haben wir noch in Frondienst und Fronleichnam). Vorteil: Fro heißt ‘Herr(scher)’, d.h., es hat nichts vom vom oben erwähnt latent unterwüfigen “wife”.
***
Was mir heute auffiel: Bei der ermordeten Fotojournalistin wurde wein Brief ihrer “Teamkameradin” (weiß nicht mehr, wie der genaue Ausdruck war, jedenfalls “emotional neutral”, zitiert, in der jene sie ‘mein Schatz’ (vermutlich ‘my darling’) nennt. Ich weiß nichts über die reale Natur dieser Beziehung, aber die Signale stehen deutlich dahingehend, dass hier eine Liebesbeziehung bzw. eine Partnerschaft einfach verschwiegen wird, oder unterdrückt? Ist das Pietät oder posthume Unterdrückung?
12.04.2014 um 22:39 Uhr Amy
Sehr aufschlußreich, wieder einmal feststellen zu müssen, daß die deutsche Presse beim Thema `Homosexualität oder Homo-Ehe` fast ausschließlich schwule Paare ins Bild rückt. Lesbische Paare sind anscheinend nicht so fotogen? Und das Wort `Homosexuell` ist nach wie vor zumeist konnotiert mit schwul und Mann, so auch meine Erfahrung.
`Darf ich Ihnen meine Frau vorstellen?` klingt wirklich etwas patriarchal , so als wäre sie endlich in m/einem Besitz?
Lebenspartnerin gefällt mir eigentlich ganz gut, klingt zumindest in meinen Ohren eher nach einer liebevollen Beziehung auf gleicher `Höhe`.
Ist aber schade, wenn unsere Schwestern heute noch lieber im `Closet` verbringen als sich über ein Coming Out zu erfreuen. http://www.taz.de/!72611/