Männer erzeugen Stress
Letzte Woche veröffentlichte Helke Sander ihren offenen Brief an die Tagesschau, in dem sie forderte, mann möge bei der Berichterstattung über die Ukraine nicht andauernd „Schlägereien und Schießereien zwischen Männern, die sich plötzlich für Politik interessieren“ zeigen, sondern, als aktiven Beitrag zur Deeskalation, „nur noch um friedliche Konfliktlösung bemühte einheimische Frauen, damit man überhaupt mal mitbekommt, dass es sie in der Ukraine tatsächlich auch gibt.“ Helke Sander bekam dafür viel spontane Zustimmmung, besonders von Frauen. Ein Mann aber schrieb:
Ich unterstütze den Antrag prinzipiell auch und finde die Idee der deeskalierenden Medienberichte hervorragend! Trotzdem möchte ich anmerken, dass der Brief grenzwertig an der Sicht dran ist, dass Frauen die besseren Menschen sind und “die Frauen” keine Gewalt und keinen Krieg wollen.
Etwa um dieselbe Zeit wurde genau diese - als "Biologismus" oder "Essentialismus" verpönte - Idee von Männern der Wissenschaft bestätigt:
Prof. Jeffrey Mogil, Biologe an der McGill University in Montreal, fand heraus, dass Labormäuse auf die Anwesenheit von Männern mit starkem Stress reagieren. Der Stress-Level war exakt so hoch wie nach 15 Minuten Eingezwängtsein in einer engen Röhre oder nach 3 Minuten Schwimmen in kaltem Wasser - beides verabscheuen Mäuse gründlich. Wenn hingegen Frauen die Versuche durchführten, blieben die Tiere friedlich. Die Stress-Erzeugung blieb gleich, wenn statt der Männer nur ihre getragenen T-Shirts im Labor verblieben. Ursache der unfreiwilligen Stress-Erzeugung, so Mogil, waren männliche Pheromone (Botenstoffe), Bestandteile des Achselschweißes, die nur männliche Säugetiere oder besser gesagt Saugetiere (denn das männliche Tier säugt nicht, es saugt nur) produzieren. Es waren allerdings nicht nur Männer, die bei den Labormäusen Angst auslösten, sondern auch andere männliche Sauger, z.B. Kater, Eber oder Mäuseriche, also männliche Artgenossen.
„Woran liegt es denn, dass Männlichkeit diesen Stress erzeugt?“ fragte der Interviewer den Forscher.
„Nun, das liegt einfach daran, dass Mäuse gelernt haben, dass männliche Tiere mit viel höherer Wahrscheinlichkeit aggressiv sind - was auch stimmt, natürlich. Bei den meisten Säugetieren neigt nur das Männchen dazu, Territorien zu besetzen und zu kämpfen, um sie zu behalten. Weibliche Säugetiere tun das einfach nicht.“ (Hier zum Nachhören)
Stimmt, natürlich! Hat der Mann denn noch nie was von Biologismus und Essentialismus gehört? Wenn ja, schert er sich nicht drum und vertraut seinen Erfahrungen. Helke Sander lag mit ihrem Vorschlag also richtig. Männer und andere Saugetiere sind aggressiver und schlagen besonders dann los, wenn es um die Wahrung territorialen Besitzes geht. So sind sie nun mal gestrickt. Die Leute von der Tagesschau haben das nur noch nicht geschnallt. Da können sie von den Labormäusen viel lernen. Denen sitzt dieses Wissen noch in den Knochen, und kein Biologismusvorwurf wird es ihnen jemals ausreden. Die Mäuse reagieren geschockt und beruhigen sich erst nach etwa 45 Minuten, vorausgesetzt, die Männer haben bis dahin keine Aggressionen gezeigt. Aber wie wir wissen, schaffen nicht viele Männer diese 45 Minuten. Und wenn, dann werden ihre Artgenossen es ihnen schon austreiben. Laborleiter Mogil berichtete, dass diejenigen männlichen Laboranten, die bei den Mäusen am wenigsten Stress auslösten und sich den Traumwerten der Frauen annäherten, von ihren "männlicheren" Kollegen ausgelacht wurden. Übrigens: Laborantinnen werden von Männern auch gerne als "Labormäuse" bezeichnet.
In diesem Sinne: Eine möglichst stressfreie Zeit! Wie es geht, wissen Sie ja jetzt.
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Dank an Joey Horsley für den Hinweis auf die Science-Friday-Sendung vom 2.5 2014.
Hier ein paar Links zum Nachlesen:
http://sciencefriday.com/segment/05/02/2014/male-researchers-may-increase-stress-in-lab-mice.html
http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-17510-2014-04-30.html
http://www.sueddeutsche.de/wissen/verzerrung-bei-tierversuchen-maenner-machen-maeuse-nervoes-1.1945966 •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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29 Kommentare
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13.05.2014 um 11:55 Uhr Felix Sachs
Noch etwas: vor lauter Geschlechterstereotypen habe ich vergessen zu erwähnen, dass eine falsche Aggressionsunterdrückung auch bei Männern vorkommt. Autoritäre Erziehungsmethoden führen eben auch bei Jungen nicht zum gewaltfreien Umgang mit der eigenen Aggressivität und Lösung von Kampf und Streit.
Felix
13.05.2014 um 10:08 Uhr Felix Sachs
Für mich steht ganz ausser Frage, dass der Anteil der Männer an den Kriegen jenen der Frauen um ein Vielfaches überwiegt. Vielleicht sind heute, wo auch Frauen Zugang in alle technischen Berufe haben, auch Frauen in Waffenfabriken tätig – ich weiss darüber nichts Genaues. Aber: Wer hat im Lauf der letzten 5000 Jahre immer tödlichere Waffen ausgedacht, entwickelt und produziert, die heute sogar die Menschheit und alles höhere Leben total vernichten könnten? Mit Sicherheit Männer.
Trotzdem halte ich es aus zwei Gründen für abwegig, alles auf die Geschlechterfrage zu reduzieren: 1. spricht statistisch alles dagegen und 2. ist ein Biologismus in dieser Frage sogar gefährlich (Biologismen kennen wir in der Geschichte schon zur Genüge: Rassenideologie, kurzschlüssige Übertragung evolutionistischer Konzepte auf die Gesellschaft [survivel of the fittest]). Ich bin den beiden Frauen, Gudrun und Karmen, dankbar für ihre differenzierenden Kommentare, und ich versuche, die Diskussion durch zwei zusätzliche Elemente anzuregen.
1. Statistik: Wäre es wahr, dass die Biologie des Geschlechts friedliche = weibliche und aggressive/kriegerische = männliche Menschen hervorbringt, sähe die Welt ganz anders aus. Wir hätten auf der ganzen Welt nur zwei Parteien, nennen wir sie mal „sozialistisch/universalistische“ und „individualistisch/nationalistische“. In den USA wären die Demokraten und Republikaner fein säuberlich weiblich und männlich getrennt und ideologisch/programmatisch gegensätzlich. Keine „eiserne Lady“ hätte den Neoliberalismus salonfähig gemacht, keine Sarah Palin würde eine Tea Party mit Sex Appeal anheizen. Wie wir sehen, sieht die Welt ziemlich anders aus. Würden alle Frauen sich weigern, ihre Söhne ins Militär und in den Krieg ziehen zu lassen, hätte es nie Kriege gegeben, würden in der Schweiz bei der bevorstehenden Abstimmung über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge (Gripen) alle Frauen nein stimmen, könnte es dafür nie eine Ja-Mehrheit geben.
2. Noch wichtiger ist mir der zweite Punkt: Die Verknüpfung der Aggressivität mit dem männlichen Geschlecht führt leicht zur Haltung (bei Männern) – ich bin halt ein „Mann“ und darf/muss meine Aggressivität ausleben – sie sind dadurch sozusagen entschuldigt, eine Erziehung zur gewaltfreien Konfliktlösung erscheint zwecklos; auf der andern Seite (bei Frauen), kann die Verknüpfung der Friedfertigkeit mit Weiblichkeit - Frauen sind immer nett und friedlich und Aggressivität gehört sich für sie nicht –zu neurotischer Unterwürfigkeit führen, wie Karmen sehr treffend schildert. Zum Glück hat sie lernen dürfen, dass Aggressivität nicht nur eine negative Kraft ist, sondern zum erfolgreichen, glücklichen Leben gehört: Grosse Taten brauchen Leidenschaft und Begeisterung: das ist die positive Seite der Medaille „Aggressivität“.
Statt ewig die Geschlechterstereotype zu betonen, sollten wir den Geschlechterkampf aufgeben und die guten Kräfte zusammenspannen. Es gibt wahrlich genug zu tun, um die gefährdete Welt auf allen Ebenen – im Haus, in den Gemeinwesen, in den Staaten – weniger zerstörerisch und dafür lebenswerter zu gestalten.
Felix Sachs
13.05.2014 um 07:33 Uhr Karmen
Ich geh mal davon aus, daß der Beitrag und die Kommentare ironisch gemeint sind. Es gibt zig Frauen, die ultra Stress erzeugen, und Männer, die das nicht tun. Es gibt sehr viele Einflüsse auf Heranwachsende, die sie dann zu eher friedlichen oder eher aggressiven Menschen reifen lässt. Die Friedlichkeit, zu der meine Mutter mich zu erziehen versuchte, hat mir nur geschadet und ich musste viele Jahre lernen, aggressiv zu werden, um mich verteidigen zu können.
Und die Mäuse reagieren übrigens vermutlich auf Testosteron. Ein Laborant erzählte neulich zu dem Thema, daß es reicht, daß Mäuse einen weissen Kittel erblicken, damit sie nervös werden. Sie reagieren offenbar auf eine komplexe Situation mehrerer Bezüge. Aus diesem Grund wird erwägt, die Farbe der Laborkittel zu wechseln, um einen Lerneffekt zu vermeiden.
Anderswo im Netz gehe ich seit Jahren gegen misogyne Artikel und ForumsteilnehmerInnen vor; und jetzt so was?
11.05.2014 um 21:40 Uhr Gudrun Nositschka
Ob die Mäuse auf matriachal aufgewachsene Männer genauso reagieren würden? Nach den Berichten z.B. von westlichen Filmemacherinnen wie Uscha Madeisky aus noch matriachal lebenden Clans in Asien haben diese Männer offenabr keinen Hang zur Gewaltbereitschaft, zum Töten, Verletzen sowie Erniedrigung insbesondere Frauen, auch wird nicht von Vergewaltigungen berichtet. Ich kann mir das nur durch eine gewaltfreie Erziehung und Atmosphäre in diesen Gesellschaften erklären, so dass im männlichen Gehirn nicht die Bereiche für Empathie ausgeschaltet werden. Vielleicht riechen dadurch ihre männlichen Pheromone dann so, dass sie keinen Stress auslösen? Ich wünsche mir, dass dafür Forschungsgelder bereit gestellt werden.
11.05.2014 um 13:09 Uhr anne
klasse hinweise lb. Luise, danke ! dass männer stress erzeugen, erleben bzw. sehen wir tagtäglich auch in der virtuellen welt - ich wundere mich sehr oder inzwischen gar nicht mehr, wie (sexualisierte) gewalt-/darstellungen heutzutage als spaßfaktor oder unterhaltungsfaktor erwünscht ist/sind - eigentlich ist fast die gesamte menschheitsgeschichte von verrohung, aggressionen und männergewalt geprägt - und diese sowie ihre protoganisten werden uns in den medien oder im geschichtsunterricht noch als helden, als heldentum zelebriert . es scheint mir als zuschauende, je mehr kritik daran geübt wird, desto mehr lebt sich die männliche aggression , die gewaltbereitschaft, der hang zum töten, zum verletzen, zum erniedrigen insb. an frauen in der virtuellen welt aus? die aggressionen sollten endlich frieden finden .. http://www.welt.de/kultur/kino/article127833041/TV-Serie-zeigt-Vergewaltigung-als-Nebensaechlichkeit.html