Männerfreie Zone (fast): Die neue Regierung von Rheinland-Pfalz
Am Mittwochabend berichtete das heute-Journal, Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, habe ihr Kabinett umgebildet. Um Schadensbegrenzung in Sachen Nürburgring-Skandal bemüht, habe sie vier Minister ausgewechselt. Ich war schon fast im Halbschlaf, da weckte mich die muntere, nicht enden wollende Prozession von Frauen wieder auf, die da den Bildschirm füllte: offenbar das neue Kabinett Dreyer. Ein Kabinett nur aus Frauen - sowas hatte es doch noch nie gegeben. Die Moderatorin verlor über diese Ungeheuerlichkeit allerdings kein Wort. Sie tat, als sei das völlig normal.
Am nächsten Tag hatte ich das unbesungene Wunder fast schon wieder vergessen, aber am Freitag fiel es mir wieder ein, und ich beschloss, der Sache nachzugehen und googelte „Kabinettsumbildung Dreyer“. Ja, hieß es jeweils dröge, sie habe ihr Kabinett umgebildet, wegen des Skandals um den Nürburgring. Der andere Skandal, dass sie die Stirn gehabt hatte, ihren Landeskindern ein Kabinett aus 8 Frauen und 2 Männern zuzumuten, blieb hingegen weitgehend unkommentiert.
Früher benutzte man für Kabinettsumbildungen gern den frz. Ausdruck „Revirement“. Da es dabei IMMER um die Ablösung von Männern durch andere Männer ging, war ich bis heute davon überzeugt, das „vir“ in dem Wort „Revirement“ sei das lateinische vir „Mann“, und es handle sich bei einem Revirement folglich um eine „Umbemannung“. Nun aber belehrt mich der Duden online wie folgt:
Revirement: Umbesetzung von Ämtern, besonders Staatsämtern Beispiele • im Außenministerium hat ein Revirement stattgefunden • ein Revirement vornehmen Herkunft französisch revirement = Umschwung, zu: virer = wenden, über das Vulgärlateinische zu lateinisch vibrare "vibrieren"
Sollen wir dem Duden das glauben? Mich hat er nicht überzeugt.
Bleiben wir noch einen Moment bei „vir“. Es steckt auch in viril „männlich“, und - für unser Thema aufschlußreicher - in Triumvirat „Dreimännerkollegium“, das wir aus der römischen Geschichte kennen. Rund zweitausend Jahre später erschien das erste „Feminat“ auf der Bildfläche, eine Analogiebildung zu „Triumvirat“. Im April 1984 wählten die Grünen im Bundestag einen Fraktionsvorstand, der nur aus Frauen bestand und in den Medien umgehend als „Feminat“ bezeichnet wurde, um nicht zu sagen, verschrien war. Fünf Jahre später gab es das zweite Feminat: „Mit acht Senatorinnen und fünf Senatoren sowie dem Regierenden Bürgermeister war der [Berliner] Senat Momper die erste deutsche Landesregierung mit Frauenmehrheit.“
Ich erinnere mich noch gut an die Häme und den Aufruhr in den Medien um diese beiden „Feminate“. Was also ist davon zu halten, dass das neue Feminat Malu Dreyers so gar niemanden hinter dem Ofen hervorlockt und niemand mehr das Schimpfwort „Feminat“ dagegen bemüht? Liegt es vielleicht daran, dass die rheinland-pfälzische Regierung auch schon vor der Kabinettsumbildung ziemlich frauenlastig war mit sechs Frauen und vier Männern? Aber jetzt sind es acht Frauen und nur noch zwei Männer, und wenn das so weiter geht, sind die Männer bald ganz verschwunden. Wieso machen sie dagegen nicht mobil wie ehedem?
Malu Dreyers neues Kabinett ist eine große Errungenschaft für Frauen. Weibliche Erfolge werden von Männern - die in unseren Medien weiterhin das Sagen haben - üblicherweise nicht gefeiert, sondern entweder bekämpft oder ignoriert. Das Ignorieren wird immer dann gewählt, wenn das Bekämpfen aussichtslos scheint. Als feministische Linguistin erlebe ich beide Reaktionsweisen seit 35 Jahren. Zuerst wurden unsere sprachkritischen Forderungen mit allen Mitteln bekämpft. Sowie wir trotzdem Erfolge verzeichnen konnten, hieß es, wir rennten mit unserer Kritik offene Türen ein, das „Gendern“ sei doch inzwischen selbstverständlich.
Aus diesen Erfahrungen schließe ich, dass mann Aufregung über Malu Dreyers Frauenkabinett nicht für opportun hält. Mann ergibt sich in sein Schicksal, in Rheinland-Pfalz von Frauen regiert zu werden - welche Schande! Und eine Schande wird am besten totgeschwiegen.
Wir Frauen haben allerdings keinen Grund, diese Strategie nachzumachen und ebenfalls zu schweigen. Wir sollten Malu Dreyers Coup als Vorbild für weitere hübsche Kabinettsbereinigungen ordentlich feiern und die frohe Kunde überall herumposaunen. •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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15 Kommentare
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07.01.2015 um 14:38 Uhr David
Eine, die weiter ist, ist hier: https://www.youtube.com/watch?v=h8N5ieALpw0
Eine Feministin (Ihre Zielgruppe), die sich wegen dem “ekelhaften Beigeschmack des Feminismus” unwohl fühlt (wegen der menschenverachtenden Feministinnen). Weil sie die Männer genau gleich respektiert wie die Frauen. Wenn Sie das auch erreichen möchten, lohnt sich das Anschauen. Holen Sie die Siebenmeilenstiefel.
Ideologische Wissenschaft ist im besten Fall wertlos, im schlimmsten Fall unterstützt sie wie die himmlersche ein Terrorregime (wollte beweisen, dass ein Teil der Menschheit besser sei als der andere). Der Soziologe Harald Eia ( https://www.youtube.com/watch?v=3OfoZR8aZt4 ) hat gezeigt, wie dramatisch arrogant und antiwissenschaftlich ideologische Wissenschaftler zu beliebig falschen Resultaten kommen können. Nach dem Film wurde das Gender-Institut von Oslo geschlossen.
Natürlich können Sie kollektive Diffamierungen freischalten und kritische Anmerkungen nicht. Ist ja Ihr Blog. Das sagt aber einiges über Sie aus. Die Selbstverständlichkeit, mit der Sie die Überlegenheit der Frauen (“Denn bei Frauen ist das Plus schon eingebaut, wie wir wissen”) proklamieren und Ihre Gewaltfantasien gegenüber Männern (die natürlich nicht nur Antonius erkannt hat) sprechen Bände. Beides ist unwissenschaftlich, antiwissenschaftlich, unseriös, Sexismus pur; geradezu lächerlich, möchte ich sagen, aber in Ihrer Person begründet, und deshalb ernst zu nehmen. Denn als Person nehme ich Sie unverändert ernst, als Wissenschaftlerin nicht mehr.
Sie haben sich halt für den Lobbyismus entschieden. Das ist zu respektieren. Da sich das schlecht mit Wissenschaft vereinbaren lässt, kompromittieren Sie zwangsläufig Ihre wissenschaftliche Arbeit. Unter diesem Aspekt muss man denn auch Ihre Arbeit würdigen.
In diesem Sinne: ein gutes, neues Jahr.
25.12.2014 um 15:01 Uhr anne
ob frauen besser oder schlechter regieren, steht hier gar nicht zur debatte, sondern mit welcher minderheit/mehrheit von frauen in den 16 bundesländern regiert wird. welche diskriminierungen (das und vor allem das abstreiten, wegsehen, nichtbeachten ist nun einmal ein männliches kulturgut) von frauen nicht nur i.d. politik herrscht/e , zeigt mir nicht nur das bild, das wir vom hohen polit. amt i.d. BRD haben, z.b. das des bundespräsidenten: männer, männer (männerbünde) über alles; frauen galten/gelten hier nur als schmuck- bzw. beiwerk der bundespräsi. ja, sie existiert: die kulturelle, männliche dummheit oder arroganz, die , sobald die frage nach der gesellschaftl. gleichstellung von frau und mann oder mann und frau gestellt wurde/wird, auf die besorgte gegenfrage hinausläuft - zumeist von maskus herausgefordert - ob frauen überhaupt und wenn - besser - geeignet sind als männer ... aber dass frauen häufig mehr leisten mussten/müssen, um sich durchzusetzen, weil sie auf dieses männerdominierte, arrogante kulturgut oder die gläserne decke gestossen sind, ist ebenso ein fakt..
23.12.2014 um 19:44 Uhr David
Tja, das ist halt die 100prozentige kulturelle Klugheit von Evelyn, die meint, mein Votum bestätige ihr 100prozentiges Vorurteil (auch bekannt als “Einsicht”) über Männer und gebe ihr das Recht zur Kollektivbeleidigung. Oder sie meint, das sei gar keine Beleidigung, da ihr simples Weltbild wahr sei. Welches schlimmer ist, weiß ich nicht, auf jeden Fall trägt es nicht zur Hebung des Niveaus dieser Seite bei, was ich schade finde. Immerhin hat Evelyn offengelegt, dass sie keinen Anlass zu Korrektheit, Anstand und Respekt gegenüber Männern sieht. Auch eine Haltung. Nähme mich Wunder, ob sie damit bei FemBio mehrheitsfähig ist.
Wenn ein Mann sowas zur 100prozentigen kulturellen Dummheit von Frauen, bestätigt durch Evelyn, absondern würde, wäre die Empörung zu recht groß.
Aber wenigstens weiß Evelyn, was alle Frauen auf der Welt interessiert; das ist ja auch nicht schlecht.
20.12.2014 um 13:37 Uhr Evelyn
@David
Es gibt immer wieder eine Bestätigung dafür, die 100prozentige kulturelle Dummheit von Männern zu bestätigen. David reiht sich hervorragend in diese Einsicht ein - zum Glück interessiert das keine Frau auf der Welt in irgendeiner Weise mehr ernsthaft!
18.11.2014 um 01:41 Uhr David
Liebe Frau Pusch
Diesen Kommentar müssen Sie nicht freischalten, dafür ist er etwas persönlich.
Vielleicht interessiert es Sie, warum ich denke, dass Sie die Peilung verloren haben: Sie haben angefangen, Blödsinn zu schreiben.
“Abkürzungs- und Verschleierungstrieb, der auf dem Gebiet der weiblichen Fortpflanzung besonders aktiv ist”
Weibliche Fortpflanzung gibt es beim Menschen nicht. Es gibt nur die gemeinsame. Den dazugehörigen “Abkürzungs- und Verschleierungstrieb” haben Sie ebenso dazuerfunden, der ist bei der männlichen Fortpflanzung (richtig, die gibts auch nicht) genauso aktiv und bei tausend anderen Gebieten ebenso. Abgekürzt wird immer und überall. Was es hier zu verschleiern gibt, weiss ich immer noch nicht. Sehr viel gehaltvoller fand ich den von Amy verlinkten Artikel. Der war ein Highlight.
Dass Ihnen die Brantenberg-Satire gefallen hat, kann ich mir vorstellen.
Linguistisch haben sie mich mit Ihrem Kommentar zum Wort “social” überrascht. Erstens ist das nicht “soziales Einfrieren”, sondern “social freezing”. “Sozial” ist nicht das gleiche wie “social”. Erstaunlicherweise fallen Sie (als Linguistin) auf einen falschen Freund herein. “Social” bedeutet nicht “sozial, fürsorglich”, sondern “gesellschaftlich”. Ein “social drinker” ist nicht ein fürsorglicher Trinker. Wenn schon hätte Ihnen das schon bei den “sozialen Medien” auffallen müssen, die etwas zu wörtlich von den “social media” übersetzt wurden.
Und dann noch ein unsägliches Witzchen auf Altherren-Niveau. Das hätte ich nicht erwartet. Zumal noch mit einem “bald ist es wieder so weit”. Sie können es wohl kaum erwarten.
Tut mir leid, die weibliche Regierungsumbildung ist wirklich keine Schlagzeile Wert. Ungeheuerlichkeit? Nicht im Geringsten. “Sie tat, als sei das völlig normal”, weil das völlig normal war. In einem Land, in dem seit 9 Jahren eine Frau Kanzlerin ist und nach M. Thatcher und I. Gandhi ist es normal. Dass es die einzige Landesregierung mit Frauenmehrheit ist, ändert nichts daran.
Ohne dass ich nachgeforscht hätte, denke ich, dass Sie auch kaum Leserbriefe finden werden, in denen das thematisiert wird, weil es eben kein Thema ist. Warum Sie Revirement ins Spiel bringen, weiss ich nicht. Sie bezweifeln die Duden-Etymologie, bringen aber (als Linguistin) selbst keine Erklärung. Da können Sie das Wort auch gleich aussen vor lassen.
Sie schreiben zwar vom Skandal der Umbildung, aber ich glaube, der wirkliche Skandal für Sie war, dass niemand, nicht mal die Moderatorin, über die “Ungeheuerlichkeit” der Umbildung ein Wort verlor. Wie können Sie das erklären? Es muss eine Verschwörung der männlich dominierten Medien sein. Die armen Männer müssen bekämpfen oder ignorieren, weil das so eine Schande ist. So ein Blödsinn. Insgesamt einfach zuviel Blödsinn in zwei Artikeln. Das erste Thema hätte mehr Gehalt verdient.
Natürlich haben Sie Ihre Erfolge und Ihre Verdienste. Heute habe ich aber den Eindruck (der täuschen kann), dass Sie krampfhaft Ihre Ziele suchen müssen auch dort, wo es nichts mehr zu kämpfen gibt. Es geht nicht immer um den Geschlechterkampf, nur manchmal. Sehr entlarvend fand ich die Bezeichnung “hübsche Kabinettsbereinigungen” für eine Senkung der Männerquote. Die Männer verunreinigen ein Parlament, durch Frauen wird es hübsch und rein. Das lässt tief blicken.
Leider ist für Sie eine Regierung nicht zuletzt dafür da, ausgewogen oder noch besser mit Frauenüberschuss besetzt zu sein. Dann haben sie etwas zu jubeln. Für mich hingegen ist sie dafür da, ein Land gut zu regieren. Das sehen übrigens auch viele Frauen so. Es ist vorschnell, wenn Sie gleich alle Frauen für sich vereinnahmen (“Wir Frauen haben allerdings keinen Grund, diese Strategie nachzumachen und ebenfalls zu schweigen.”). Es wollen bei weitem nicht alle für Ihre Sache jubilieren und kämpfen.
Eine verdammte Frechheit, was sich dieser Kerl erlaubt, denken Sie vielleicht. Dabei sage ich nur sehr offen meine Meinung. Aber ich bin sicher, dass Sie mit Kritik gut umgehen können.
Die Peilung zu verlieren, kann jeder passieren. Ich hoffe für Sie, dass Sie die Peilung wieder finden. Natürlich haben Sie neben ein paar kritischen Kommentaren auch viel Zustimmung bekommen und die werden Sie auch weiterhin erhalten, das sollte Sie aber nicht über ein paar kritische Punkte hinwegtäuschen.
Da Sie wissen, dass die kritischen Stimmen es sind, die Sie weiterbringen, nicht die zustimmenden, bin ich auch sicher, dass Sie mir diese Offenheit nicht übel nehmen.
13.11.2014 um 11:07 Uhr Eva Weickart
Liebe Luise,
vorhin las ich Deine neue Glosse, von der ich sicher bin, dass sich auch Malu Dreyer darüber freut. Tatsächlich verhält sich auch hier die Männerpresse seltsam zurückhaltend, doch ich will Dir nicht vorenthalten, dass sich der eine oder andere (zumindest hier in Mainz) doch zu Kommentaren herausgefordert fühlt… Hahaha und Schenkelklopfen ist neben ignorieren und bekämpfen ja auch noch eine altbewährte Strategie.
http://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/blogs/breidenbachs-woche/umzingelt-von-frauen_14756835.htm
Sei herzlich gegrüßt aus der Landeshauptstadt des mehrheitlich von Frauen regierten Bundeslandes Rheinland-Pfalz.
Eva
13.11.2014 um 10:56 Uhr lfp
@promene und @David
Es gibt in Deutschland 16 Landesregierungen. Malu Dreyers ist die EINZIGE mit einer Frauenmehrheit, noch dazu einer Dreiviertelmehrheit. Dies zur “Alltäglichkeit” herunterzuspielen und als “keine Nachricht” bzw. “Nichtthema” zu trivialisieren, entspricht genau der typisch männlichen Reaktionsweise, die ich in der Glosse beschrieben habe.
13.11.2014 um 03:54 Uhr David
Wow, ich bin überrascht, dass dieses Nichtthema für Frau Pusch so ein Thema ist. Da ist eine mit Frauen besetzte Regierung zur Alltäglichkeit geworden, und Frau Pusch gefällt das gar nicht. So ein Skandal…
Dass das nicht überall lauthals jubilierend verkündet wird, kann ja nur eine Machenschaft von Männern sein. Wohl kaum. Es ist halt genauso zum Nichtthema geworden wie die Pilotin und die Buschauffeurin. (Über die gab es vor langer Zeit mal Fernsehbeiträge.) Statt mich über die Umbildung zu freuen interessiert mich viel mehr, ob die eigentlich besser oder schlechter regieren als die Männer.
Die Revolution frisst ihre Kinder. Freuen Sie sich doch darüber, dass “hübsche Kabinettsbereinigungen” (meinen Sie damit die Entfernung der (dreckigen) Männer?) eben nichts mehr zum Feiern sind. Eine Intrige zu konstruieren halte ich für sonderbar.