Oh du fröhliche, oh du lesbische…
“Fröhlich” heißt auf Englisch “gay” und “gay” heißt - “lesbisch” oder “schwul”. Also frei heraus damit. Es wird Zeit, daß auch unser braves altes Weihnachtslied mal sein Coming Out macht.
Fröhliches Thema heute: Der Freudentanz in der Community nach dem Coming Out von Anne Will und Miriam Meckel vor einem Monat.
Begeistert schlug der Lesben-und-Schwulen-Verband in Deutschland (LSVD) vor, den denkwürdigen Tag ihres Coming Out (17. November) zum Lesben-Feiertag zu erklären. Gute Idee, finde ich. Früher haben wir bei den Schwulen am CSD (Christopher-Street-Day) mitgefeiert, jetzt können wir sie zum AMCOT (Anne-&-Miriam-Coming-Out-Tag) einladen.
Am Ausmaß des Jubels läßt sich das Ausmaß der Unterdrückung ziemlich direkt ablesen. Endlich können alle sehen: Auch wir sind wer, und was für welche! Mit Anne Will und Miriam Meckel sind “zwei von uns” ganz da oben, sie sind bekannt, erfolgreich, jung, schön, sympathisch, brillant und anscheinend auch glücklich. An ihrem strahlenden Glanz können wir uns alle erbauen, das offen Lesbische zieht uns hinan, sozusagen. Das Paar besteht nicht nur aus einer Promi und einer Super-Promi, sondern ist auch noch mehr als fesch - und widerlegt damit das Klischee, alle Lesben sähen aus wie die gewaltige Gertrude Stein mit 60.
Überall war zu lesen, die beiden hätten sich zu “ihrer Liebe” oder “ihrer Homosexualität” bekannt, gerne wurden sie auch “bekennende Lesben” genannt. Haben wir schon mal irgendwo gelesen, zwei Menschen hätten sich “zu ihrer Verlobung” bekannt, oder sie hätten “bekannt”, daß sie verheiratet sind? “Ich bekenne, daß ich zwei Kinder habe” - ist so ein Satz vorstellbar? Ob Anne und Miriam in die Rubrik “relig. Bekenntnis” lesbisch eintragen?
“Bekennen” sollen wir unsere Sünden oder was die Gesellschaft sonst gerade nicht mag, zur Zeit der MärtyrerInnen beispielsweise den christlichen Glauben. Die Wortwahl verrät ziemlich deutlich, daß Liebe zwischen Frauen und Liebe zwischen Männern erst seit kurzem und bei weitem nicht überall geduldet wird. Als ich so alt war wie das holde Paar jetzt, wurde Günter Kießling, ein Vier-Sterne-General der Bundeswehr, von dem gemunkelt wurde, er sei schwul (er war es nicht), von seinem Dienstherrn Manfred Wörner (von dem das ebenfalls gemunkelt wurde) als “Sicherheitsrisiko” des Dienstes enthoben. Es war die Zeit vor der Aids-Katastrophe, die Botschaft wurde verstanden, und alles wurde nach dem fröhlichen Aufbruch der siebziger Jahre erstmal wieder mucksmäuschenstill.
Sprachsensiblere Zeitungen schrieben, Meckel und Will hätten “bekanntgegeben”, sie seien ein Paar. Eine schrieb, sie hätten es “enthüllt”.
Es ist Weihnachtszeit, da hätte vielleicht auch das “Auspacken” nahegelegen: Sie haben endlich mal so richtig ausgepackt, die beiden Glücklichen.
Haben sie aber nicht, vielmehr soll es bei dem einen, strategisch plazierten Satz bleiben “Wir sind ein Paar.” Ein schöner und stolzer Satz zwar, aber hat die darbende lesbische Community nicht vielleicht mehr verdient? Nein, heißt es, alles weitere sei privat und solle es auch bleiben. Anne Wills Chef, die Medien und die Blogosphäre akzeptierten die Erklärung, denn natürlich: Die Privatsphäre ist uns allen heilig.
Aber haben wir nicht gelernt, das Private sei politisch? Das Privatleben von Will und Meckel ist sogar derart hochpolitisch, daß sie andernorts deswegen hingerichtet oder gesteinigt würden. Überhaupt sind hier erstmal ein paar Begriffe zu klären, bevor wir verstehen, was los ist. Nehmen wir Helmut Kohls Privatleben. Er hatte, wie so viele Männer in öffentlicher Stellung, deren zwei: ein offizielles zum Vorzeigen (mit Hannelore Kohl) und ein weiteres mit Juliane Weber, das “privat” bleiben mußte. Anne Will und Miriam Meckel hatten nicht das gesellschaftlich vorgeschriebene heterosexuelle Privatleben zum Vorzeigen. Sie traten die Flucht nach vorn an, um eine gewisse Kontrolle über das Outing zu behalten. Die zivilisierte Gesellschaft gestattet ihnen nun, nach dem “Bekenntnis”, auch dieses eigentlich unerwünschte Privatleben öffentlich vorzuführen.
Mit anderen Worten: Das heterosexuelle Privatleben ist zu großen Teilen öffentlich, insofern die Gesellschaft es vorschreibt. Das lesbische Privatleben ist dagegen notgedrungen wirklich privat, weil es öffentlich überhaupt nicht zugelassen ist. (Hier und im folgenden benutze ich lesbisch statt des häßlichen Wortes homosexuell; Schwule sind natürlich immer herzlich mitgemeint!) Erst nach dem Kraftakt des Coming Out, dessen Ausgang oft ungewiß ist, darf das lesbische Privatleben sich an die frische Luft wagen. Üblicherweise aber schmusen Schwule und Lesben nicht hemmungslos in der Öffentlichkeit herum, wie Heterosexuelle das gewohnt sind. Tun sie es doch, so auf eigene Gefahr. Oft genug werden sie dafür angepöbelt oder Schlimmeres.
Der Status des heterosexuellen Privatlebens unterscheidet sich von dem des lesbischen wie der Tag von der Nacht. Je mehr Will und Meckel die Erlaubnis zum Öffentlichsein klug nutzen, umso besser für sie selbst und für andere Lesben, besonders da sie als öffentliche Figuren und Sympathieträgerinnen fabelhafte Multiplikatorinnen lesbischer Normalität sein könnten. Ziel ist natürlich eine emanzipierte Gesellschaft, in der das lesbische Privatleben öffentlich genau so frei dargestellt werden darf wie das heterosexuelle. Erreicht wird das Ziel mit Hilfe der Normativität des Faktischen, durch selbstbewußte öffentliche Darstellung des lesbischen Privatlebens nach dem schönen Motto: We’re queer, we’re here, get used to it!
Deshalb ist die Mitteilung, mit dem “Bekenntnis” Wir sind ein Paar habe sich die Sache und der Rest sei privat, so enttäuschend und auch ein wenig kurzschlüssig. Mühsam erkämpftes Terrain wird ohne Not aufgegeben, statt nun zügig weiter ausgebaut zu werden. Da ist Wowi doch schon ein gutes Stück weiter.
Sicher haben die Polit-Talkerin Will und die Kommunikationswissenschaftlerin Meckel über all dies auch schon viel nachgedacht. Ich bin gespannt auf ihren nächsten kühnen Schritt. Bis dahin freuen wir uns einfach an dem schönen Geschenk, das da endlich ausgepackt wurde und führen weitere Freudentänze auf zu Carolina Brauckmanns wunderbarem Song "Sie sind ein Paar!", der hier runtergeladen werden kann.
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2 Kommentare
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28.12.2007 um 00:45 Uhr Anne
Oh, du lesbische ..... - ein so schöner Beitrag mit so einem netten Song. Gute Idee und vielen Dank!
Das ist ja ein tolles Lesben-Weihnachtsgeschenk - mit dem Coming Out von Anne Will und Miriam Meckel müsste sich doch jetzt der letzte Macho von seinem `selbstgestrickten Lesben-Klischee-Bild`endlich befreit haben. Aber wie viele prominente und tolle Lesben haben sich schon lange vor Anne Will öffentlich geoutet, fanden aber i.d. Öffentlichkeit weniger Anklang. Will/Meckel entsprechen da wohl eher dem gewünschten äußeren Erscheinungsbild.
Wie negativ doch viele Männer über Lesben herziehen, habe ich im Internet i.d. Beiträgen zum Thema Anne Will wieder mal erleben dürfen.
Aber eigentlich nichts Neues!
Ich finde das Privatleben von Will/Meckel sollte auch politisch sein. Ein selbstbestimmtes Leben von Lesben wird in vielen Ländern erschwert bzw. unmöglich gemacht, und in über 7o Staaten ist gleichgeschlechtliche Liebe strafbar. Prominente Lesben/Schwule können durch ihre öffentliche Wirkung als Vorbilder mithelfen, Vorurteile, Diskriminierungen, Ausgrenzungen etc. abzubauen - sozusagen auch ein Mut machendes Signal sein für alle nicht-prominenten Lesben, die sich noch nicht getrauen, offen lesbisch zu leben.
Mit dem dümmlichen Männer-Klischee-Denken über Lesben und ihren einfältigen Männer-Manntasien können wir Frauen gelassen umgehen.
Alles Gute zum Jahreswechsel!
llg v. anne
26.12.2007 um 22:53 Uhr Kalinka Humperdinck
Wow, das war eine coole Sache mit Anne Will und Miriam Meckel. Ich musste kurz an die Mitte der 90er denken, als Rob Halford, Sänger der Heavy Metal Band Judas Priest, sich als schwul outete. Das traf die weltweite Metal Szene damals voll frontal. Halford war DIE Ikone des HM, und nicht zuletzt war er es, der das schwule SM-Outfit (Lederklamotten, Nietengürtel) in die Heavy Metal Welt einführte. Die Abscheu war riesengroß, aber bis heute konnten Judas Priest ihren Ruf als stilprägendste Band des Genres (nach Iron Maiden) behaupten. Nicht ohne viele Gegenstimmen, zahllose “Fans” erzählen noch immer, dass sie “am besten gar nicht daran denken”, wenn sie die Musik von Halford hören. Jahre später war ich anwesend in einem Rock-Forum, Thema t.A.t.U. aus Russland. Heute wissen wir, dass die wohl nicht wirklich lesbisch waren, damals aber war das noch unbekannt. Die Herren ereiferten sich, was sie mit den beiden Girlies wohl so anstellen würden, täten sie sie nur unter die Finger bekommen - Dreier, Vierer usw.
Auf meine Frage in die Runde hin, ob eigentlich überhaupt jemand wüsste, was “lesbisch” bedeutet: “Klar, die wollen es doch so - die beiden Süßen und ich mittendrin!”. Boaahh.
Ich habe nie von einer Frau gehört, die danach gierte, Sex mit Rob Halford und seinem schwulen Freund zu haben, irgendwie sind wir da realistischer!
Dass “diese” Zeiten vorbei sind oder sich wesentlich geändert haben, glaube ich nicht. Es ist noch immer eine Sache, für die wir selbst kämpfen müssen, wenn wir in einer lesbischen Beziehung als selbstverständlich anerkannt werden wollen.
Liebe Frauen, bleiben Sie wachsam.
Gutes Gerutsche wünscht
Kalinka Humperdinck