Robert Enke und die Fußballweltmeisterinnen
Das Thema in der vergangenen Woche war der Selbstmord des Nationaltorwarts Robert Enke von Hannover 96. Wir erfuhren, dass er seit sechs Jahren an Depressionen litt, aber den Verlust seines Jobs, der lukrativen Werbeeinnahmen und vielleicht sogar seiner Adoptivtochter fürchtete, wenn seine Krankheit publik würde. Aus diesem Grund begab er sich auch nicht in klinische Behandlung. Ein Teufelskreis.
Das Volk war erschüttert und ging zu Tausenden auf die Straße, um seine Betroffenheit zu bekunden. Abends gab es eine Trauerandacht in der Marktkirche, mit viel Fußball- und Kirchenprominenz von Ballack bis Käßmann.
Obwohl ich seit 25 Jahren in Hannover wohne, hatte ich von Robert Enke noch nie etwas gehört. Anscheinend lebe ich in einem fußballmuffeligen Parallel-Universum, in dem frau nur dann mal hinschaut, wenn unsere Fußballerinen aufspielen.
Nun ich aber aus so traurigem Anlass auf Enke gestoßen wurde, sah ich zwischen ihm und den Spielerinnen viele Parallelen. Vielleicht sollten wir uns um sie Sorgen machen. Enke versuchte seinem Publikum den makellosen Helden vorzuspielen, den es haben wollte. Aber es ist sehr anstrengend und manchmal tödlich, ständig eine Scheinwirklichkeit darzustellen.
Als die deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Männer 2006 auf den dritten Platz kam, bereiteten die Fans den Spielern und ihren Frauen oder Freundinnen einen grandiosen Empfang auf dem Frankfurter Römer. Drei Jahre zuvor waren die deutschen Fußballfrauen Weltmeisterin geworden, waren auch frenetisch auf dem Römer gefeiert worden, allerdings ganz ohne Anhang. Kein Ehemann oder Freund war zu sehen. Auch keine Ehefrau oder Freundin. 2007 wurden sie wieder Weltmeisterin, und das Feiern ohne Anhang wiederholte sich. Ob sie alle lesbisch sind und die Freundin hier nicht vorzeigen wollen, schon wegen der gefährdeten Werbeverträge, fragte ich mich beide Male. Nicht mal als Weltmeisterinnen können sie sich das leisten? Vielleicht sind sie nicht alle lesbisch, haben aber solidarisch beschlossen, dass der Anhang zu Hause bleibt, weil die Lesben unter ihnen die Partnerin nicht öffentlich vorzeigen können.
In den neunziger Jahren sah ich das Weltmeisterschafts-Endspiel zwischen den US-Amerikanerinnen und den deutschen Spielerinnen im Fernsehen. Die Deutschen sahen sportlich-herb aus, kurze Haare, stramme Beine. Die Amerikanerinnen dagegen alle so “feminin” wie möglich, die obligatorischen langen Haare hatten sie zu einem feschen Pferdeschwanz gebunden. Der Unterschied in der Aufmachung lag wohl wieder an den Werbeverträgen. Für die Deutschen gab es damals noch keine nennenswerten, während die Amerikanerinnen schon voll im Geschäft waren. Und die Voraussetzung des Geschäfts ist: feminines Aussehen. Der Verdacht des Lesbischseins muss mit überzeugenden Signalen fortlaufend abgewehrt werden.
Die Fußball-Oberen und der Sportjournalismus sind angesichts des Falles Enke in reuiges Nachdenken verfallen. Es muss sich etwas ändern in der Fußballwelt und im Profisport ganz allgemein, fordern sie nun mit Nachdruck. Die Idole der Nation sollen ab sofort auch mal menschliche Schwächen zeigen dürfen.
Oder menschliche Stärken wie das Lesbischsein, wäre da noch zu ergänzen.
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4 Kommentare
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24.11.2009 um 22:16 Uhr ella
Hurra, Luise!
Darüber hatte ich echt noch nicht nachgedacht, gucke wohlweislich sehr wenig (Männer)Fussball(empfänge) ;-)
20.11.2009 um 17:55 Uhr Anne
Da hast du @ papierschiff natürlich recht, dass gerade im fussballsport homophobie stark verbreitet ist. “Ein stadion ist noch immer ein männerreservat - die begriffe `leistungssport` und `gesunder volkskörper` gehören i.d. vielen köpfen vieler sportfunktionäre noch untrennbar zusammen, für die ist da kein platz für lesben und schwule.” (Alkis Vlassakakis, Wien)
Abneigung gegen lesben und schwule ist im gesamten westeuropäischen fussball verbreitet.
Und auch die fans mischen hier ordentlich mit.
Hier ein auszug aus einem interview mit der zeitschrift RUND und einer lesbischen bundesligaspielerin:
“...warum sind lesbische fußballerinnen immer noch ein verschwiegenes tabuthema vor der öffentlichkeit?
- Spielerin: Gute frage. Der frauenfussball ist ein sehr familärer und sozialer kreis, man darf sich darin bewegen, wie man will. Man braucht sich weder zu erklären noch sich dafür rechtfertigen, wen man liebt oder von wen man geliebt wird. Der punkt ist nur: sobald man in der öffentlichkeit ist, muss man sich automatisch erklären. In der öffentlichkeit muss man erzählen oder sich beobachten lassen, ob und in wen man verliebt ist. Diese neugierde der öffentlichkeit, die wissen will, wie dein familienstand ist, ist noch das problem.
Da gibt es noch immer die angst vor einem imageverlust…”
Aber ist nicht gerade angesichts der bestehenden homophobie es so wichtig, dass `prominente` lesben (auch im sport) öffentlich zu ihrem lesbischsein stehen - somit das private (auch lesbischsein) politisch ist?
Das wäre mal ein wichtiges signal, wenn sich die fussballfrauschaft gmeinsam mit ihren partnerInnen beim nächsten sportereignis in der öffentlichkeit zeigen würde ...
So grausam das schicksal um Robert Enke auch insbesondere für seine angehörigen ist - ich frage mich, wie gross wäre die resonanz in der bevölkerung, hätte sich eine lesbische fussballspielerin das leben genommen aufgrund von ausgrenzung oder diskriminierung?
In südafrika ist im letzten jahr eine lesbische fussballspielerin von mehreren männern brutal vergewaltigt und ermordet worden - so erging es dort auch vielen anderen lesben .
Nur - das volk ist deshalb nicht erschüttert und niemand trauert ....
Homophobie im fussballsport
http://www.reflect-online.org/index.php?id=209
20.11.2009 um 07:12 Uhr papierschiff
ich denke ja der fußball (zumindest in deutschland) hat generel mit homosexualität ein problem, sogar ein ziemlich großes.
und die vorderungen nach mehr leistung, mehr stärke… sie mag für eine woche vergangen sein, danach geht es weiter wie bisher, ab durch die mitte, ohne rücksicht auf verluste. denn letzendlich ist das ganze system so aufgebaut.
und als hätte sich jetzt irgendwas verändert. geh doch heute mal zu deinem chef und sag du hast depressionen. bzw. wer hat noch nicht nach außen den “schönen schein” gewahrt? die menschlichkeit ist uns abhanden gekommen.
liebe grüße,
das papierschiff
15.11.2009 um 20:23 Uhr Anne
Du bringst es wieder auf den punkt, liebe Luise.
“..Der verdacht des lesbischseins muss mit überzeugenden signalen abgewehrt werden.”
Ein paradebeispiel - so empfinde ich es - ist auch die mediale inszenierung eines früheren serienspektakels mit namen L-Word “wenn frauen frauen lieben”, gesendet im RTL-Pro-Sieben-Muster-Kanal.
Strikt auf äusserlichkeiten bedacht - so wie mann sich das wünscht; sexy , junge, schlanke, langhaarige frauen im gewünschten `schnittmuster` lassen sich natürlich besser vermarkten, siehe “FAN-seite”.
Wenn lesben jenseits des L-Word-Katalogs nicht in dieses strickmuster passen und dazu die 4o + überschritten haben, müssen sie sich so einiges diffamierendes - wie kerlig/unsinnlich und schlimmeres - auch von so mancher frau sagen lassen.
Wie unsinnig doch, denn muss frau sich beweisen, dass sie eine frau ist? oder benötigt sie einfach nur die erhoffte männliche anerkennung?
Aber gut, dass es schon immer und heute viele starke alter/native, ungeschminkte, feministische lesben gegeben hat und gibt - schön die grosse auswahl bedeutender lesben, die hier bei FemBio göttin sei dank sichtbar gemacht werden….
llg Anne