Slutwalk und Schlampenmarsch
Slutwalks überall, hier im Boston fand schon im Mai einer statt, und übermorgen, am 13. August, geht es mit deutscher Gründlichkeit deutschlandweit los, in Hamburg, Köln, Hannover, Berlin, Leipzig, Frankfurt, Freiburg, München, Passau und im Ruhrgebiet. Mehr Infos hier. Und hier noch ausführlicher, für alle Slutworks morgen, deutschlandweit!
Ich bin begeistert, dass wir Frauen uns wieder bewegen, an die frische Luft kommen und ordentlich Vitamin D machen für den Winter - je weniger wir anhaben, umso mehr! Toll, dass wir endlich mal wieder für ein ureigenes Anliegen auf die Straße gehen, zuhauf, in Scharen: gegen den unerträglichen männlichen Sexualterror. Dass wir dafür eine Methode gefunden haben, die die Medien umso magischer anzieht, je mehr wir uns ausziehen, finde ich genial. Wir schlagen sie mit ihren eigenen Waffen, bzw. fangen sie in ihren eigenen Netzen.
Ich bin dafür, wenn auch nicht dabei, denn ich bin in Boston, und als hier der Slutwalk abging, war ich in Hannover und hatte von Slutwalk noch nie was gehört.
Dabei ist so ein Slutwalk im Sommer genau das Richtige. Joey und ich machten früher unseren täglichen Powerwalk in der Eilenriede (Hannover) oder im Franklin Park (Boston) - jetzt nennen wir es lieber Slutwalk. Ist kürzer und zeitgemäßer und passt besser zu unserem Alter (powerwalken ist zu anstrengend) und zu unserer legeren, um nicht zu sagen schlampigen Kleidung. „Komm, Sluttie“, sagte Joey gestern zu mir, und ich, einst eine stolze Prüde, habe nur gelacht und bin mitgewalkt.
Mit diesem hybriden Ausdruck bin ich bei meinem eigentlichen Thema, denn dies hier ist ja ein Sprachblog. Das Wort Schlampenmarsch ist zwar eine Fehlübersetzung, aber eine wirkungsvolle. Slut wäre wohl besser mit Fotze wiedergegeben. Schlampe ist viel weniger aggressiv als slut. Slut klingt nach slit (Schlitz, aufschlitzen), "Fotze". Daher auch die widerstrebende Reaktion vieler gestandener Feministinnen in den USA, sich diesen verhassten Ausdruck "anzuziehen".
Und ein Walk ist nun wirklich kein Marsch, sondern ein Gang. Aber unser Wort Gang ist im Gebrauch sehr eingeschränkt. Zwar kennen wir die Fußgängerin und den Fußgänger - aber keinen Fußgang. Der Slut Walk ist vermutlich dem Perp Walk nachgebildet, dem vor einiger Zeit Strauss-Kahn unterzogen wurde. Eine Art Spießrutenlauf für den Perp(etrator), den Täter. Aber Schlampenlauf ginge auch nicht, denn es wird ja nicht gerannt, sondern gegangen. Aber nicht spazierengegangen, deshalb fällt auch die gängige Übersetzung Spaziergang für walk aus. Wäre auch viel zu lang.
Widmen wir uns nun den Vorzügen der Fehlübersetzung: Die Verkopplung der unordentlichen Schlampe mit dem militärischen Marsch ist so apart wir attraktiv. Die Schlampe wird dadurch ordentlicher und der Marsch schlampiger - beide Seiten können das gut vertragen.
Wahrscheinlich wird es bei dem Wort Slutwalk auch für die deutschen Ablegerinnen bleiben, und der Schlampenmarsch fristet daneben ein sprachliches Schattendasein.
Aber wenn der Original-Slutwalk immer mehr Varianten hervorbringt, wird sicher auf die Schlampen zurückgegriffen. Z.B. könnte ich mir gut eine Schlampenprozession zu Ehren der Urschlampe Maria Magdalena vorstellen. Oder einen BlumenSchlampenKorso - gibt es Schlampigeres als Blumen, die ihre Geschlechtsteile herausfordernd zur Schau stellen?
Männer dürfen als Schlampi mitmachen (Plural von Schlampus). Und den Schampus nicht vergessen für die durstigen Schlampen. Damit alle gemeinsam schlampampen können.
Und Schlumpi, der Hund mit dem schlumpigen Geschlechts- und Ausscheidungsgebaren, darf auch mitschlumpen. Dann brauchen wir abends nicht mehr mit ihm Gassi zu gehen (engl. slutwalk the dog).
••••••••••••••••• Dank an Helke Sander für die Erinnerung an FEMEN. Ich hatte die feministische Bewegung/Organisation aus der Ukraine längst vergessen. Die mutigen Frauen aus Kiew waren schon vor drei Jahren überzeugt, feministische Forderungen erführen nur dann Aufmerksamkeit, wenn frau sie barbusig verkündet. Es scheint leider, dass sie recht haben. Hier ein Video über ihren Aktivismus.
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14 Kommentare
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15.08.2011 um 22:32 Uhr Amy
Ein paar kritische Überlegungen möchte ich doch anbringen. Einmal heißt es, Frauen demonstrieren auch für ihre sexuelle Selbstbestimmung und ihr Recht auf ein sexy Aussehen, ohne gleich belästigt zu werden.
Wobei die sexuelle Selbstbestimmung der Frau in den Medien, der Pop-Industrie und im Leben doch heutzutage fröhlich ausgelebt wird und weibliche Nacktheit zur Norm wurde. Die ersten sexuellen Erfahrungen machen Jugendliche schon während der Schulzeit - Pornographie mit Gewaltinhalten gehören zum Alltag . Auch daraus ergibt sich ein völlig falsches Frauenbild.
Angeblich geschehen sexuelle Übergriffe unter Kindern schon in den Kindergärten, weil sie derlei Szenen im Fernsehen oder Internet gesehen haben.
Welchen Einfluß hat die Dauerverfügbarkeit von z.B. Hardcore-Pornos im Internet auf junge Männer.
Ob in der Pop- und Porno-Industrie, hier werden Mädchen und Frauen als bereitwillige SexualObjekte und Gespielinnen vorgeführt und manche Medien verstärken den Eindruck.
Frauen machen devot mit, signalisieren ihre tabulose, sexuelle Bereitschaft.
Lady Gaga, die Popdiva, übertrifft sich mit billigen Obszönitäten und sex. provozierenden Darstellungen. Was gerade von Mädchen und Jungen bejubelt wird. Merkwürdige Vorbilder, die weniger positive Signale aussenden angesichts der “Slutwalk-Thematik” gegen sexuelle Übergriffe, Vergewaltigungen.
Vergewaltigungen geschehen häufig im näheren Umfeld, Familienkreis und betreffen auch Frauen/Mädchen, die sich nicht unbedingt `aufreizend` im negativen Sinne wie eine Schlampe
kleiden.
Wie soll die Aktion rüberkommen, wenn auf der anderen Seite in den Medien die schnelle sexuelle Verfügbarkeit über Frauen/Mädchen provoziert und produziert wird? nur noch verfügbare Genitalien und vulgäres Gehabe im Mittelpunkt stehen und Frauen sich und ihren Körper ohne Scheu verkaufen?
Wie erkläre ich das 10jährigen Mädchen, die sich nicht betont `aufreizend, sexy` kleiden sollen, um nicht `aufzufallen`?
Ob mit “Slut” und dem Konsens `Sexy` unter diesen Voraussetzungen erfolgreich gegen die Verharmlosung von Vergewaltigungen angegangen werden kann, bezweifle ich manchmal. Ob das auch bei DEN Männern richtig ankommt, die Frauen/Mädchen nur zum schnell F… gebrauchen , Frauen keine Ware sind bzw. Sexyness nicht unbedingt eine Aufforderung zum Sex bedeutet?
15.08.2011 um 18:57 Uhr Suli Puschban
Servus die Damen,
meine Freundin berichtete begeistert vom Slut-Walk in Berlin, von den vielen verschiedenen Frauen, die gut, schlicht, schlampig oder gar nicht angezogen waren und mit Tränen der Rührung in den Augen von einem Lesben-Paar: eine der beiden trug die vierjährige lila gekleidete Tochter auf den Schultern, die sich königlich amüsierte, und hielt ihre Freundin dabei an der Hand. So weit sind wir schon gekommen, und deswegen wollen wir noch mehr!!
Sommerliche Grüße in Vitamin D aus Metropole B
Suli
13.08.2011 um 12:48 Uhr anne
zu FEMEN: es gibt aber auch feministische stimmen, die meinen, die aktivistinnen würden ihre aktionen in eine `patriarchalische struktur einbetten`:
“sich ausziehen, ist eine starke methode - sie muss dosiert und zielsicher angewendet werden. das sei bei den femen nicht der fall, wie es in einer feministischen analyse heisst: die jungen aktivistinnen würden den weiblichen körper in eine patriarchale struktur einbetten. wenn du immer dasselbe protestmittel anwendest, werden effekt und sinn ausgehöhlt.” (oksana sabuschko, schriftstellerin)
ich weiss nicht, wenn wir ALLE frauen erreichen wollen, ob derartige oder obszöne aktionen mit deftigen sprüchen viele frauen eher abschrecken?
auch in italien gingen ca. 100.000 frauen auf die strasse, um gegen berlusconi zu protestieren..
früher machten mutige frauen/feministinnen (hedwig dohm) mit lauter (was sich damals für frauen so gar nicht schickte)stimme, klugen worten, pamphlets und charisma auf die gesellschaftl. missstände aufmerksam - heute reizen nur noch obszöne begriffe oder `porno-/outfits` für furore?
müssen wir hier nicht eher an die wurzel ran, ran an den mann, der verursacher von sexualisierter gewalt gegen frauen/mädchen ist. oder wie in der ukraine getarnt als sextourist sein unwesen als frauen-mädchen-benutzer treibt, als thailand-tourist z.b. kleine mädchen und jungen zum f… sucht / und ran an die gesellschaftl. missstände ...
http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-64613.html
12.08.2011 um 22:29 Uhr Christine
Und ich dachte schon, die “Schlampenprozession” sei eine Anspielung auf den Feiertag am kommenden Montag: Mariä Himmelfahrt.
12.08.2011 um 17:02 Uhr anne
der internationale tag gegen gewalt an frauen findet übrigens weltweit am 25.11. statt - hoffentlich nicht unter weniger medieninteresse und weniger frauenpower!
die `nackten` tatsachen über die zunahme an gewalt, aggressionen gegenüber weiblichen menschen ist erschreckend. mädchen/frauen sind jederzeit - egal in welcher bekleidung sie erscheinen - von (sexualisierter) männergewalt bedroht. jetzt sogar während der fürchterlichen hungerkatastrophe in somalia. dort sind überwiegend frauen und mädchen auf der flucht - männer treten in erscheinung und es kam lt. presse zu massenhaften vergewaltigungen.
“schon das dt. wörterbuch von 1899 kannte die schlampe. ursprünglich ging es um den unordentlich herabhängenden weiberrock`. doch aus dem lotterrock wurde ein schimpfwort” (bascha mika/steh auf, du schlampe)
schlotternde, weit ausladende schlabber- und walle-walle-bekleidung gefallen mir.
ganz im gegensatz zur gewollten sexyness-bekleidung a la porNO-industrie. sie transportiert in `laufenden` bildern den irrglauben, frauen hätten spass an prostitution, pornografie, vergewaltigungen, erniedrigungen etc.
leider übernahm die männliche sex-industrie das wort `schlampe` und beim googeln wird mir geschlecht, wenn ich die männerphantasien und sprüche, wie “saftige schlampen spreizen ihre schenkel” zu lesen bekomme. da heisst es nur “ficken, fotze, geile schlampe, geile mädchen” .
mich kotzt das dermassen an.
das ist aber noch harmlos gegenüber der google-suche nach “lesbenvergewaltiger” (weil sich hier im blog ein ekel unter dem begriff lesbenvergewaltiger vorgestellt hat)- das erste, was sich auftut, sind äusserst widerwärtige porno-bilder mit kleinen mädchen, die riesen-männer-schwänze bearbeiten müssen.
ob unsere medienlandschaft, das internet, es wimmelt i.d. bildergalerien nur so von leicht-bekleideten sexy frauen/mädchen in willigen posen, hingebungsvoll und ständig zu sexuellen handlungen bereit.
wenn sich etwas ändern soll bis hin zu den vergewaltigungsmythen, dann muss weit mehr geschehen als in den obigen `schlampen-paraden` gegen sexualisierte männergewalt zu demonstrieren.
mädchen/frauen sind jederzeit, und zwar aufgrund ihres geschlechts von männl. willkür und sex. gewalt bedroht und ausgeliefert.
ich finde es wichtig und angebracht, in den demos ebenso den körper-schönheits-wahn, den sexismus i.d. werbung, in den medien und das diktat der mode- und porno-sex-industrie zu hinterfragen und anzuprangern.
ich kann nicht verstehen, daß wir frauen einerseits gegen sexismus i.d. gesellschaft ankämpfen und andererseits uns selbst als sexuelle objekte öffentlich präsentieren.
ich verstehe auch (leider?) nicht, inwiefern überbetonte sexyness-bekleidung zur `frauen-befreiung` gehören soll. sei sexy - dieser slogan durchzieht die gesamte medienlandschaft.
aus der freiheit, den eigenen körper zu präsentieren, ist das diktat der ständigen sexyness der frau geworden. woher der zwang zur intimrasur, miniröckchen oder quetsche-schuhen kommt, schreibt sonja elsmann in der taz vom 6.3.2009/der freie zwang zur sexyness.
schwache männer (lesbenvergewaltiger) vergewaltigen frauen/mädchen - sexualisierte gewalt hat immer etwas mit macht-demonstration zu tun, so heisst es doch..
http://www.dw-world.de/dw/article/0,,3818674,00.html
12.08.2011 um 12:01 Uhr Lena Vandrey
“Sluttie-Louise” übertrifft sich jeden Tag mehr mit Witz! Der amerikanische Nährboden gibt ersichtlich viel her. Wir haben wieder geschnaubt und gekichert und können uns gar nicht mehr beruhigen!
Im Französischen heiBen die Schlampen SALOPES und daher kommt im Deutschen das Sich-salopp-anziehen. Also, von der Kleidung her waren wir schon immer Schlampen, was übrigens Erfindungen und Eleganz nicht ausschlieBt, im Gegenteil.
Eine rührende Erinnerung: das 1.Abtreibungs-Manifest wurde von 365 SALOPES unterzeichnet und somit das schlimmste Schimpfwort wie eine Bombe entschärft. Aber trotzdem nicht so sehr, als dass von einer “Marche des Salopes” die Rede sein könnte. Die Französinnen werden wohl “sluttie” übernehmen.
Nicht zu vergessen,dass SALOPE auch ein Schimpfwort für Männer ist und durch die weibliche Form sehr viel mehr beleidigt als über die korrekte männliche.
Das deutsche SCHLAMPERT ist ja geradezu nett! Ich würde unsere sauteure Bio-Bäuerin auch eine Schlampe nennen, aber niemals eine Salope. Eine Freundin im Dorf ist eine wahrhafte Schlampe, aber keine Salope.
Es gibt auch eine dritte Form, die Saloperie - worunter das Wort eine Sache versteht, die jedoch auf Personen angewandt werden kann.
De Gaulle, diese Saloperie! sagt unsere schlampige Freundin, reduziert den General also zu einer Sache.
“Blumenschlampenkorso” ist köstlich! Wir denken an Georgia o’Keefe, die diese Genital-Exhibitionistinnen sehr präzise gemalt hat. Und da wir bei Maria Magdalena sind - ist es nun wahr, dass sie ein Evangelium verfasst hat, oder nicht? Hier heiBt es, das gäbe es genauso wenig wie Butter in den Bäumen.
Vormals hatte ich eine sehr schlampige Freundin, die sich später auch noch zur Salope hin entwickelte, ein katastrophaler Fall. Übersät von Hunde- und Katzenhaaren ging sie morgens kurz mit der Bürste über den Kopf, das war alles. Tu’ dir doch ein wenig Creme ins Gesicht! Hab’ ich getan! Wann? Vorgestern!
Anziehen konnte sie sich überhaupt nicht. Sie zeigte ein braunschwarz-kariertes Hemd zu einer blauweiB-gestreiften Hose. Ob das ginge? Ja, sagte ich, aber unter der Bedingung noch eine geblümte Weste hinzuzufügen, einen rotweiB- gepunkteten Schlips, zweifarbige Schuhe, eine grüne Hüft-Schärpe und einen Strohhut mit einer Gänsefeder. Schlampigkeit kann kreativ sein!
Hoffen wir auf einen Slutwalk in Paris und auf viele Infos im Netz!
Apropos “mitwalken”: Früher war ich eher gegen Denglisch und Franglais, aus dem Bedürfnis heraus, mir meine Schriftsprachen klassisch zu bewahren. Heute finde ich es witzig, wenn die Ladies happy und speed sind und im Deutschen die
Wörter aus Amerika benutzen.
Im Französischen ist es anders. Die Sprache ist imperialistisch,einverleibt sich jeden Ausdruck und spricht alles französisch aus.
Aber auch das bringt zum Lachen!
Mögen sie lange leben, diese guten Sachen!
Salope (1788 populär): freche, unverschämte Frau mit schlechten Manieren und Umgang.
Sale+Huppe (1611): ein Vogel, der für seinen Schmutz bekannt ist.
Hupfdohle: scherzhaft für Revue-Tänzerin.
Also: die liebe Hupfdohle ist unsere linguistische Namensgeberin…!