Zum Kuckuck mit den „Kuckuckskindern“
Gästinglosse von Gudrun Nositschka
Kürzlich meldete der Kölner Stadt-Anzeiger, dass das höchste deutsche Gericht den Männern den Rücken gestärkt hätte, die nicht für „Kuckuckskinder“ zahlen wollten. Sogar im Kommentar der feministischen Journalistin Marianne Quoirin wurde der Begriff ganz selbstverständlich und ohne Anführungsstriche gebraucht, als ob es solche speziellen Kinder ohne Zweifel gäbe.
Das Wort „Kuckuckskind“ steht weder im Wahrig noch in der Brockhaus-Enzyklopädie - aber im Duden wurde ich fündig und las: „ugs. für Kind, dessen leiblicher Vater nicht der Mann ist, der sich dafür hält“. Merkwürdig, daß der Duden hier nur auf die männliche Verwandtschaft des Kindes Bezug nimmt. Na ja, so merkwürdig nun auch wieder nicht, definierte sich doch unser nationales Abstammungsrecht bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts im Falle eines ehelichen Kinds nur über den Vater. Ein Erbe aus der griechisch-patriarchalen Antike, in der Mutter und Kind nicht als verwandt galten, war die Frau doch nur das Gefäß für das Sperma. Deshalb wurde auch der Muttermörder Orest freigesprochen.
Beim Begriff „Kuckuckskind“ für ein Menschenkind haben wir es mit einer patriarchalen Sinnverschiebung zu tun, die das Kind diffamiert und dessen Mutter dazu als eine amoralische Person treffen will.
Kuckucke sind bei uns eigentlich recht beliebt. Wir besingen sie in Frühlingsliedern („Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald“, „Der Kuckuck und der Esel“), aber auch in Freiheitsliedern aus dem 19. Jahrhundert („Auf einem Baum ein Kuckuck saß“), in denen es dem Jäger (Verkörperung der Staatsmacht) nicht gelingt, Kuckucke niederzuhalten, auch wenn er sie erschießt. Weniger beliebt ist der Kuckuck, wenn der Gerichtsvollzieher damit unsere Wertgegenstände verziert.
Auffallend scheel wird der Nachwuchs der Kuckucke angesehen, betreiben doch viele Eltern der zahlreichen Arten in Europa bei 100 verschiedenen Vogelwirtsarten Brutparasitismus. Das heißt, nachdem die Kuckuck – oft farblich passende - Eier gelegt hat, werden diese von ihr und ihm vorher ausgesuchten Vogelpaaren ins Nest gelegt, von denen diese fremden Eier dann ahnungslos ausgebrütet und die geschlüpften Kuckuckskinder großgefüttert werden. Falls das Nest zu stark belegt ist, werfen die Kuckucke auch schon mal Eier der Wirtsarten hinaus; auch wächst das Kuckuckskind so schnell, dass der biologische Nachwuchs der Wirtseltern zu kurz kommt und kaum eine Chance hat, zu überleben.
Nach dieser realistischen Schilderung der Fortpflanzungsstrategien der Kuckucke ist es offensichtlich, dass es bei Menschen keine „Kuckuckskinder“ geben kann, solange Kinder von der eigenen Mutter ausgetragen, geboren, genährt und umsorgt werden, auch wenn der Partner der Mutter nicht der biologische Vater ist.
Bei Männern ist das Unterschieben von befruchteten Eizellen gänzlich ausgeschlossen, sind sie doch weder mit einer Gebärmutter zum Austragen, noch hormonell fürs Gebären und auch nicht für die Nährung eines Kindes per Brust ausgestattet. Für ihre Bereitschaft wiederum, das Kind ihrer Partnerin mit zu ernähren, wird ihnen auf vielfältige Weise gedankt.
Seit einigen Jahren ist allerdings die Menschheit nicht frei vom Brutparasitismus. Dieser kommt in der sog. Reproduktionsmedizin dann vor, wenn eine Frau ein Kind austrägt und aufzieht, das nicht aus ihrer Eizelle stammt. Einen Grund zu dem absurden Geschehen gibt es auch: Wenn sie schon keine eigenen, gemeinsamen Kinder gebären kann, dann soll sie wenigstens die Kinder austragen, mit denen sich der Ehemann per Eizelle einer sog. Spenderin „fortpflanzen“ darf, die dann der unfruchtbaren Ehefrau implantiert wird, um seinetwillen.
Fast unbemerkt sorgt die sog. Reproduktionsmedizin für Irrtümer und öffnet auch dem Verbrechen ein weites Feld. So wurden absichtlich oder aus Versehen Frauen, die sich diesem System anvertrauten, fremde befruchtete Eizellen eingesetzt. Woran uns das erinnert? Jawohl – das ist die Methode „Kuckuck“.
Und was machen wir mit den deutschen, höchstrichterlichen „Kuckuckskindern“? Die biologisch irrige und zudem kinderfeindliche Bezeichnung sollten wir höchstrichterlich verbieten, zum Kuckuck schicken lassen.
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4 Kommentare
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21.05.2008 um 12:51 Uhr Duerr
Ja, wenn’s darum geht, festzuhalten, wer der Spermienspender für ein Kind ist, sind die Herren äusserst penibel. Ganz anders dann, wenn’s darum geht, den Ueberdruck unter der Gürtellinie loszuwerden. Da wird nicht lange gefackelt, gefragt, nachgedacht oder gar nachgerechnet, ob es denn ein Kind geben könnte. Das ist das Problem der Frau, nach dem bekannten Motto: Ich übernehme die Verantwortung und Du die Folgen… Aber auch sonst ist die Brut den zeugungsfähigen männlichen Menschen in der Mehrzahl ziemlich schnuppe: Mann hat seit patriarchalem Menschengedenken jede noch so faule Ausrede dafür, nicht am Brutgeschäft beteiligt zu werden: Welt-Entdecken, Krieg, Broterwerb (meist für sich allein), in industrialisierten Zeiten: Geschäftsstress, Karriere, Verein, Sport… was immer. Und wenn es ums Zahlen geht nach einer Scheidung, dann sind die Kinder bestenfalls noch interessant, um die Mutter zu erpressen. (75 % der geschiedenen Väter stellen die regelmässigen Besuche nach durchschnittlich 14 Monaten ein!!) Es wird Zeit, dass Frauen NUR noch Kinder ohne amtlich bestätigten Vater auf die Welt bringen, damit die Kuckucke unter sich bleiben und wenigstens die Frauen bei der Aufzucht nicht auch noch permanent behindern. Da lob’ ich mir die Besuchsehe!!
21.05.2008 um 08:22 Uhr lfp
Jesus als Kuckuckskind - genau! Und der liebe Gott wäre dann der Kuckucksvater. Danke, daß Du den Blick auf die KuckucksVÄTER lenkst, die dem nichtbiologischen Vater das Kind zur Aufzucht unterschieben. Sie sind die einzigen, für die der Vergleich mit dem Kuckuck biologisch zutreffend scheint.
21.05.2008 um 07:51 Uhr Anne
Welch schreckliche Mythen wurden im mittelalterlichen Volksglauben erdacht - z.B. mit dem Begriff `Wechselbalg` - ein ebenso häufig negativ besetztes Synonym für ein `Kuckuckskind`.
Und war `Jesus` nicht sogar ein berühmtes Kuckuckskind??
Diese kinderfeindliche, diskriminierende und patriarchal geprägte Bezeichnung sollte abgeschafft werden - denn unser Staat legt doch großen Wert darauf, daß ALLE Kinder willkommen sind. Und die Erzeuger dieser sog. KK? Werden sie auch als amoralisch von unserer doppelzüngigen Gesellschaft dargestellt? Ist Empfängnisverhütung nicht ebenso eine Sache des männlichen Geschlechts? Aber auch hier wird die ganze Last häufig auf die Frauen aufgewälzt. Wie Stimmung gegen Frauen gemacht und das Geschrei nach jur. Bestrafung laut wird, lässt sich bei Diskussionen zu diesem Thema im Internet einsehen.
Immerhin sehr positiv - ist doch die sympathische und heimische Kuckuck zum Vogeltier d.J. 2oo8 gekürt worden!
Liebe Grüsse von Anne
20.05.2008 um 08:13 Uhr undine
Ich hörte, Kuckucke seien bedroht, weil die “Wirtsvögel” immer früher aus dem Süden heimkehren und brüten, die Kuckucke aber nicht.
Ich weiss nicht, ob ich diese Nachricht traurig oder froh finde. Sicher, was wäre ein Frühling ohne Kuckucksruf? Warum uns gerade dieser kleine Schmarotzer so ans Herz gewachsen ist, ich weiss es nicht. Vielleicht weil er sich so durchdringend in Szene zu setzen versteht? Schliesslich kennt jeder den Kuckucksruf, auch die, die sonst keinen Meisengesang vom Spatzengesang unterscheiden kann. Aber die Methode Kuckuck ist eben erfolgreich, und wer lauter lärmt, hat eben recht. Schickt die Patriarchen zum Kuckuck - gleiches zu gleichem - und wir haben unsere Ruhe. Es lebe die Meise. :)