Empfehlungen Mary Lavater-Sloman: Lucrezia Borgia und ihr Schatten
Mary Lavater-Sloman: Lucrezia Borgia und ihr Schatten
Mary Lavater-Sloman: Lucrezia Borgia und ihr Schatten. Römerhof-Verlag, Zürich 2009, 349 Seiten. 25,80 € / 39,- sFr
2009 erschien im Zürcher Römerhof-Verlag der Nachdruck des 1952 erstmals publizierten Romans „Lucrezia Borgia und ihr Schatten“ von Mary Lavater-Sloman. Wie die Autorin im Vorwort zu recht anmerkt, ist die Geschichte Lucrezia Borgias kaum von jener Alexanders VI. und Cesar Borgias zu trennen. Um sich trotzdem auf ihre Protagonistin konzentrieren zu können, erfindet Lavater-Sloman deren „Schatten“ – den Geheimsekretär Jacobus Krafft, der mit Lucrezia aufwächst und sie bis 1508 unbeachtet im Hintergrund begleitet. Aus seiner Sicht ist das Buch geschrieben. Bereits Klabund wandte 1931 diesen Kunstgriff an, als er die Geschichte der Borgias aus der Perspektive des „Suplikenreferents“ Johannes Goritz schilderte. Das historische Vorbild beider „Schatten“ war vermutlich der elsässische päpstliche Zeremonienmeister Johannes Burchard, auf dessen Diarium sich viele HistorikerInnen stützen.
Anders als Klabund, der in seinem Roman sämtliche üblen Klischees über Lucrezia Borgia ausschlachtet, verzichtet Mary Lavater-Sloman auf jegliche Effekthascherei und weidet keine Gerüchte aus. Hinsichtlich der historischen Begebenheiten bezieht sie sich vor allem auf den Historiker Ferdinand Gregorovius, der 1874 eine Biographie Lucrezia Borgias auf der Grundlage zeitgenössischer Archivmaterialien veröffentlichte. Zwar stand er als einer der wenigen Autoren Lucrezia Borgia wohlwollend gegenüber, ist aber dem Frauenbild des 19. Jahrhunderts verhaftet, was leider auch der Darstellung Lavater-Slomans anzumerken ist. Sie schildert Lucrezia Borgia als oberflächliche, verwöhnte und liebestolle Frau, die sich vor allem für Mode, Feste und immer neue Liebhaber interessiert. Auch widerspricht sie nicht der Einschätzung Gregorovius‘, Lucrezia Borgia sei etwas naiv und nur mäßig gebildet gewesen. Mit Sicherheit kann Lucrezia Borgia nicht als Intellektuelle bezeichnet werden; sie verfügte jedoch für damalige Verhältnisse (ausgehendes 15. Jahrhundert!) über eine zwar etwas einseitige, aber durchaus gehobene Bildung, wie sie nur sehr wenigen Frauen jener Zeit zuteil wurde.
Leider endet die Lebensbeschreibung Lucrezia Borgias bereits 1508, als (der fiktive) Jacobus Krafft ihren herzoglichen Hof in Ferrara verläßt und sich in Augsburg als Schreiber der Fugger niederläßt. Damit nimmt sich Lavater-Sloman die Gelegenheit, von der „politischen“ Lucrezia Borgia zu berichten, die als überaus beliebte Herzogin von Ferrara Krankenhäuser bauen und die Poebene urbar machen läßt, die Lebensmittelversorgung der Armen sicherstellt und die jüdische Bevölkerung per Gesetz schützt sowie als Fördererin der schönen Künste Ferraras Ruf als Kulturzentrum fördert. Somit bleibt das Bild von Lucrezia Borgia unvollständig, das zwar nicht so negativ gezeichnet ist wie in vielen anderen Romanen und Biographien, aber doch die gefühls- und lustbetonten Facetten ihrer Persönlichkeit in den Vordergrund stellt.
Aber Lavater-Slomans Werk ist kein Sachbuch, zumal einige historische und biographische Daten nicht detailgetreu sind, auch wenn es durch den zumeist sachlichen Berichtsstil des fiktiven Jacobus Krafft den Anstrich einer Biographie erhält. Ein Gewinn für das Buch ist – trotz der gelegentlich etwas schwülstigen Sprache – der abschließende Essay des Historikers Bernd Roeck, der den Roman mit historischen Erläuterungen ergänzt.
Alles in allem handelt sich bei dem Buch um einen historischen Roman mit biographischem Gerüst, der unterhaltsam, aber nicht banal geschrieben ist. Wer sich dessen bewußt ist und keine authentische Biographie erwartet, kann mit der Beschreibung des höfischen Lebens in der Renaissance durchaus auf ihre Kosten kommen.
Christine Schmidt
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