geboren am 9. August 1938 in Berlin
gestorben am 19. Dezember 2013 in Katzenelnbogen
deutsche Buchhändlerin, Verlagskauffrau, Verlegerin, Herausgeberin und feministisch-lesbische Aktivistin
10. Todestag am 19. Dezember 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
„Rückblickend kann ich sagen: ich wollte in allen Bereichen arbeiten, die mit Büchern zu tun haben – und das ist mir gelungen.”
Anke Schäfer wurde am 9. August 1938 als vierte von fünf Töchtern in Berlin geboren. Als sie mit zwölf Jahren zum ersten Mal in einer Leihbücherei war, in der die Bücherregale bis zur Decke reichten, war sie so tief beeindruckt, dass sie beschloss, sie wollte später mit Büchern zu tun haben. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten konnte sie ihren Traum in die Tat umsetzen: Sie machte im Großbuchhandel eine Ausbildung zur Verlagsbuchhändlerin.
Ihre erste Stelle fand sie in der Bertelsmann-Werbung in Gütersloh. Nach Auflösung der Werbeagentur wollte sie bei Bertelsmann bleiben. Aber bei allen Arbeiten, die sie interessant fand (z.B. Lektorat), wurde ihr immer wieder gesagt, das sei nichts für Frauen. Als Sekretärin (was ihr angeboten wurde) wollte sie nicht arbeiten, und eine Tätigkeit als Buchhändlerin konnten sie ihr nicht anbieten. Danach fand sie in anderen Verlagen Arbeit im Vertrieb, in der Werbung, Redaktion und Anzeigenleitung.
1964 heiratete sie und gebar eine Tochter, die später auch Buchhändlerin wurde.
Auf der Frankfurter Buchmesse 1974 traf sie zum ersten Mal Frauen aus der noch jungen Frauenbewegung. Sofort machte sie sich auf die Suche nach frauenbewegten Frauen in Wiesbaden, wo sie zu dieser Zeit wohnte, und fand Anschluß an den Interessenkreis Frauenemanzipation. Sie verließ ihre Ehe und hängte ihren sicheren Arbeitsplatz an den berühmten Nagel.
Mit anderen Frauen, die sie im Frauenzentrum kennengelernt hatte, gründete sie 1976 den Wiesbadener Frauenbuchladen Sappho mit überwiegend unbezahlten Arbeitsplätzen. Zusätzlich absolvierte sie noch eine Umschulung zur staatlich geprüften Betriebswirtin, so dass sie im Laufe der Jahre über zwanzig Frauen zu Buchhändlerinnen ausbilden konnte. Um sich und ihre Tochter ernähren zu können, musste sie nebenbei noch Taxi fahren.
1978 gründete sie den Frauenbuchversand und gleichzeitig auch mit einer Kollegin den Frauenliteraturvertrieb, durch den vor allem Autorinnen, die im Selbstverlag veröffentlichten, und kleine feministische Verlage eine Vertriebsmöglichkeit für ihre Publikationen erhielten.
Der Frauenbuchladen und Frauenbuchversand wurden von dem bestehenden Lesbenkollektiv weitergeführt, während der Frauenliteraturvertrieb eigenständig arbeitete. Er wurde 1994 eingestellt, als er sich nicht mehr gegen die neu aufkommenden Internetbuchhandlungen behaupten konnte.
Anke Schäfer betrieb weiter den Frauenbuchladen und -versand, bis sie 2001 aus finanziellen Gründen aufgeben musste. Als Netzwerkerin warb sie unermüdlich auf allen feministischen Buchmessen von 1984 in London bis 1994 in Melbourne, auf der Frankfurter Buchmesse, der Düsseldorfer TOP und zahlreichen anderen Veranstaltungen für die Literatur von Frauen und vor allem von Lesben.
1984 übernahm sie die Herausgabe des 1981 von Petra Gall gegründeten Lesbenkalenders, von deren Benutzerinnen auch gerne „die Lesbenkalenda“ genannt, der zu „Hochzeiten“ eine Auflage von 6.000 Exemplaren hatte. Als sie 2000 die Herausgabe an jüngere Frauen abgeben wollte, war die Auflage jedoch durch die sinkende Anzahl der Frauenbuchläden schon so weit zurückgegangen, dass sich die Herstellung nicht mehr lohnte.
Um noch besser auf Bücher von Frauen aufmerksam machen zu können, gründete Anke Schäfer zusammen mit Hinrike Gronewold 1986 die erste deutschsprachige Zeitschrift für Frauenbuchkritik: Virginia, die bis heute einen umfassenden Überblick über feministische Neuerscheinungen gibt.
1990 übernahm Anke Schäfer den Feministischen Buchverlag von Gundula Pause und änderte die Richtung von einem Frauen- zu einem Lesbenbuchverlag. Ihr Anliegen war es, wichtige historische Lesbenromane aus der Zeit vor 1933 wieder neu aufzulegen, die sonst so gut wie nicht mehr zugänglich waren, wie z.B. die drei Bände der Klassikerin „Der Skorpion“ von Anna Elisabet Weirauch.
Für all ihre Aktivitäten zur Öffnung des Büchermarktes für Frauenliteratur wurde Anke Schäfer 1998 vom Verein BücherFrauen e.V. als BücherFrau des Jahres ausgezeichnet.
Auf dem Lesbenpfingsttreffen (heute: Lesbenfrühlingstreffen) 1983 in Osnabrück suchte Anke Schäfer Kontakt zu Lesben über 40, um mit den Frauen alt werden zu können, mit denen sie auch in der Frauenbewegung aktiv gekämpft hatte. Aus diesem ersten Treffen entstand 1986 der Verein SAFIA: Selbsthilfe alleinlebender Frauen im Alter. Dieser ist einerseits als Netzwerk von älteren Lesben gedacht und andererseits als Zusammenschluß zur Gründung von lesbischen Wohnprojekten. Zunächst hat sie neun Jahre im ersten Wohnprojekt in Wüstenbirkach in Unterfranken gewohnt, danach in der „Villa Charlotta“ in Charlottenberg im Westerwald. Im Laufe ihres Lebens hat sie sich zur Pilzkennerin entwickelt. Auch dieses Wissen gab sie wie von allen anderen Bereichen immer wieder gerne an andere weiter.
Für ihr frauen- und lesbenpolitisches Engagement, von dem unzählige Frauen bis heute profitieren, erhielt Anke Schäfer 2000 das Bundesverdienstkreuz.
Auch nach ihrer Pensionierung war Anke Schäfer noch aktiv: Ihre lesbische Heimat hatte sie bei Safia gefunden. Außerdem trat sie als rotnasige Clownin auf, da sie fand, je älter frau und besonders lesbe wird, umso mehr Humor braucht sie.
Verfasserin: Doris Hermanns
Literatur & Quellen
Über Anke Schäfer
Anhamm, Ulrike. 1998 “Die Bücherfrau”. In: Lespress 08/1998
Amrain, Susanne. 1999. „BücherFrau 1998: Anke Schäfer. Wie man keine Laudatio hält“ In: BücherFrauen e.V. (Hg.): Das Blaue Buch. Das Who is Who der BücherFrauen. Berlin. S. 15 - 21
Dörrich, Sabine. 2000. „Ein Leben für die Frauen(-literatur): Anke Schäfer”. In: Gabriele Kalmbach (Hg.): Frauen machen Bücher. Königstein/Taunus, Ulrike Helmer Verlag. S. 251 – 254
Von Anke Schäfer (Auswahl)
Lesbenjahrbuch 1. Rücksichten auf 20 Jahre Lesbenbewegung (Hg. mit Kathrin Lahusen). Wiesbaden, Feministischer Frauenbuchverlag, 1995 Darin: SAFIA: Stürmische Alte finden immer Abenteuer, S. 233 – 237 Die Lesbenkalenda, S. 215 - 219 Ein Flugblatt macht Furore, S. 83 - 89
“Alter-native Lesbenpolitik”, in: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis 25/26: Nirgendwo und überall: Lesben. Köln, Eigenverlag des Vereins Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, 1989, S. 171 - 174
“SAFIA – Stürmische Alte finden immer Alternativen”, in: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis 52: Lesbenleben quer gelesen. Köln, Eigenverlag des Vereins Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, 1999, S. 71, 72
“SAFIA – Stürmische Alte finden immer Alternativen”, in: Gabriele Dennert, Christiane Leidinger, Franziska Rauchut (Hg.): In Bewegung bleiben. 100 Jahre Politik, Kultur und Geschichte von Lesben. Berlin, Querverlag, 2007
Film
Von heute an! Anke Schäfer, die Frauenbewegung und die Lesben. Ein Film von Uli Bez. Deutschland 2007, 70 Min.
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