(geb. Aron)
geboren am 7. Dezember 1901 in Forst/Lausitz
gestorben am 15. Mai 1986 in New York City
deutsche Journalistin und Schriftstellerin
120. Geburtstag am 7. Dezember 2021
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Aufgewachsen ist die aus reichem Hause stammende Charlotte Aron in Berlin, wo sie 1924 den Schriftsteller und Journalisten Heinz Pol heiratete, durch den sie Zugang zur Weltbühne fand, für die sie bis 1933 arbeitete. Sie schrieb Sozialreportagen und engagierte sich für Frauenthemen. Danach war die Jüdin und engagierte Sozialistin arbeitslos. Fünf Jahre nach der Scheidung von Pol heiratete sie 1938 den 20 Jahre älteren Schriftsteller und Rechtsanwalt Martin Beradt, mit dem sie in letzter Minute 1939 über London in die USA emigrierte. Das Paar, das in Berlin im Wohlstand gelebt hatte, verkaufte jetzt Wertgegenstände, um die Miete einer dunklen Parterrewohnung in Manhattan zu finanzieren.
Um sich und ihren Mann über Wasser zu halten, eröffnete Charlotte Beradt in ihrer Wohnung schließlich 1940 einen “Salon”, den sie gut 20 Jahre führte und in dem sie den Frauen anderer Exilanten die Haare färbte. Elisabeth Bergner und Bella Chagall gehörten zu ihren Kundinnen.
Sie übersetzte Texte von Hannah Arendt, mit der sie befreundet war und deren Nachlassverwalterin sie wurde, und schließlich knüpfte sie auf dem New Yorker PEN-Kongress 1966 wieder Kontakte zu deutschen Kolleginnen und Kollegen. Sie verfasste Radioreportagen, in denen sie sich vor allem mit der politischen Vergangenheit Deutschlands beschäftigte. Sie gab eine Sammlung mit Briefen von Rosa Luxemburg heraus sowie einen Band mit Essays über den Kommunisten Paul Levi, mit dem sie bekannt war. 1966 publizierte sie erstmals Das Dritte Reich des Traums: Zwischen 1933 und 1939 hatte Beradt noch in Berlin Träume aufgezeichnet, die in der Zeit des Nationalsozialismus geträumt wurden, und machte nun mit ihrem beklemmenden Buch anschaulich, wie nationalsozialistische Propaganda und Terror in die Nischen des privaten Alltags dringen können.
Mit ihrem Emigrantinnenschicksal hat Charlotte Beradt nie gehadert, ungern sprach sie darüber. Ob sie irgendwann einmal ihre Memoiren schreiben wolle, fragte Gabriele Kreis sie 1980 in New York. “Nein, niemals.” Sie sei erzogen worden, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. “Wie es wirklich war, werden Sie nie erfahren.”
(Text von 1995)
Verfasserin: Susanne Gretter
Links
Träume vom Terror (1966). In: DER SPIEGEL, 05.06.1966Träume vom Terror. Abgerufen am 29.03.2022.
DLA Marbach (2022): Bestände. Beradt, Charlotte. Abgerufen am 29.03.2022.
DNB, Katalog der Deutschen Nationalbibliothek (2022): Beradt, Charlotte. Publikationen. Abgerufen am 29.03.2022.
Getty Images (2022): Portrait of Charlotte Beradt. Portrait of German author and journalist Charlotte Beradt (1901 - 1986), 1950s or 1960s. (Photo by Fred Stein Archive/Archive Photos/Getty Images). Abgerufen am 29.03.2022.
Maeding, Von Linda (2018): Träume im totalitären System - Zur Wiederauflage von Charlotte Beradts »Das Dritte Reich des Traums«. literaturkritik.de, Nr. 7, Juli 2018. Abgerufen am 29.03.2022.
Straßenburg, Marc (2022): Beradt, Charlotte (1907-1986). Nachlass. Abgerufen am 29.03.2022.
Literatur & Quellen
Alioth, Gabrielle und Dreyfus, Martin (Hg.) (2014): Gehen und doch bleiben. Autoren schreiben über Autoren ; eine Anthologie des PEN-Zentrums Deutschsprachiger Autoren im Ausland. Darin: Viragh, Christina – Martin und Charlotte Beradt. Plötzlich gut gesagte Sachen. PEN-Zentrum Deutschsprachiger Autoren im Ausland Heidelberg. Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren. ISBN 9783939381723.
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Arendt, Hannah (1957): Fragwürdige Traditionsbestände im politischen Denken der Gegenwart. Vier Essays. Übersetzung: Charlotte Beradt. Herausgegeben von Thomas Meyer. München. Piper. 1957. ISBN 9783492317573.
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Arendt, Hannah (1958): Die Ungarische Revolution und der totalitäre Imperialismus. Übersetzung: Charlotte Beradt. München. Piper.
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Arendt, Hannah (2017): Wie ich einmal ohne dich leben soll, mag ich mir nicht vorstellen. Briefwechsel mit den Freundinnen Charlotte Beradt, Rose Feitelson, Hilde Fränkel, Anne Weil und Helen Wolff. Hardcover. Originalausgabe. München. Piper. (Schriftenreihe des Fritz-Bauer-Instituts, Frankfurt am Main, Bd. 35) ISBN 9783492058582.
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Arendt, Hannah (November 2019): Wie ich einmal ohne Dich leben soll, mag ich mir nicht vorstellen. Briefwechsel mit den Freundinnen Charlotte Beradt, Rose Feitelson, Hilde Fränkel, Anne Weil und Helen Wolff. Herausgegeben von Ingeborg Nordmann und Ursula Ludz. München. Piper. (Piper, 4266) ISBN 9783492242660.
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Beradt, Charlotte (1966): Das Dritte Reich des Traums. Herausgegeben von Barbara Hahn. Berlin. Suhrkamp Verlag. 1966. (Bibliothek Suhrkamp, Band 1496) ISBN 9783518224960.
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Mehr dazu unter http://tell-review.de/ich-traeume-nur-noch-von-rechtecken/
Beradt, Charlotte (1969): Paul Levi. Ein demokratischer Sozialist in der Weimarer Republik. Frankfurt am Main. Europäische Verlagsanstalt.
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Beradt, Charlotte (Hg.) (1987): Rosa Luxemburg im Gefängnis. Briefe und Dokumente aus den Jahren 1915 - 1918. Frankfurt am Main. Fischer-Taschenbuch-Verlag. (Fischer-Taschenbücher, 5659) ISBN 9783596256594.
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Dick, Jutta und Sassenberg, Marina (Hg.) (1993): Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert. Lexikon zu Leben und Werk. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt. (Rororo, 6344) ISBN 3499163446.
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Herkula, Birgit und Trieder, Simone (Hg.) (2008): Verboten, verschwiegen, verschwunden. Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt zur NS-Zeit. Darin: Martin und Charlotte Beradt | Herkula, Birgit. Halle. Projekte-Verl. Cornelius. ISBN 9783866346154.
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Hirschbach, Denny und Nowoselsky, Sonia (Hg.) (1993): Zwischen Aufbruch und Verfolgung. Künstlerinnen der zwanziger und dreißiger Jahre // Künstlerinnen der zwanziger und dreissiger Jahre. Bremen. Zeichen + Spuren Verlag GmbH; Zeichen und Spuren.
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Kreis, Gabriele (1988): Frauen im Exil. Dichtung und Wirklichkeit. Darmstadt. Luchterhand-Literaturverl. (Sammlung Luchterhand, 812) ISBN 9783630618128.
Levi, Paul (1969): Zwischen Spartakus und Sozialdemokratie. Schriften, Aufsätze, Reden u. Briefe. Herausgegeben und eingeleitet von Charlotte Beradt. Frankfurt a.M., Wien. Europäische Verlagsanstalt. (Politische Texte)
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Wall, Renate (1988): Verbrannt, verboten, vergessen. Kleines Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 1933 bis 1945. Köln. Pahl-Rugenstein. (Kleine Bibliothek, 510) ISBN 9783760912417.
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