(geb. Braun)
geboren am 8. Februar 1930 in Neuruppin
gestorben am 3. Januar 2011 in Berlin
deutsche Dichterin und Schriftstellerin
10. Todestag am 3. Januar 2021
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Sie gehörte wohl zu den meistgelesenen und populärsten LyrikerInnen des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum: Eva Strittmatter. Mit ihren gefühlsbetonten Gedichten, die in der Tradition der Volksdichtung stehen, erreichte sie über Jahrzehnte ihre LeserInnen. Lange Zeit schrieb sie Gedichte, von denen niemand etwas wusste, selbst ihr Mann Erwin Strittmatter nicht. Erst 1966 veröffentlichte die Literaturzeitschrift „Neue Deutsche Literatur“ (NDL) ihre ersten Gedichte.
Eva Strittmatter (geb. Braun) wurde am 8. Februar 1930 in Neuruppin geboren. Schon früh musste sie das Leid und die Wirren des Krieges erleben. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, war sie gerade 15 Jahre alt. 1947 legte sie das Abitur ab und begann an der Berliner Universität mit dem Germanistikstudium. 1950 heiratete sie ihren ersten Mann. Damals noch mit elterlicher Zustimmung, denn Eheschließungen waren erst mit 21 Jahren erlaubt. Die Ehe wurde jedoch bald geschieden. Ab 1951, nach dem Abschluss ihres Studiums, arbeitete Eva Strittmatter freiberuflich beim Deutschen Schriftstellerverband der DDR als Lektorin. Sie schrieb Gutachten, sichtete Manuskripte von jungen Autorinnen und Autoren und veröffentlichte literaturkritische Beiträge in Zeitschriften. Hier lernte sie auch ihren zweiten Mann, Erwin Strittmatter, kennen. Es war die dritte Ehe des bekannten Romanciers, aus der drei Söhne hervorgingen.
1953-54 war Eva Strittmatter dann beim Kinderbuchverlag der DDR als Lektorin tätig, außerdem wurde sie Mitglied des Redaktionsbeirates der NDL, für die sie später auch als Redakteurin arbeitete. Seit 1954 war sie freie Schriftstellerin. Zunächst veröffentlichte sie Kritiken, Kinderbücher und Prosa. Dann 1966 die ersten sieben Gedichte in der NDL, die ihr Mut machten zum Weiterschreiben. Sieben Jahre später erschien ihr erster Gedichtband „Ich mache ein Lied aus Stille“. Im Nachwort schrieb Hermann Kant: „Wir haben die Gedichte nötig.“
Die Resonanz dieser feinnervigen Gedichte war bei den LeserInnen von Anfang an riesig. Auch ihre nächsten Lyrikbände „Mondschein liegt über den Wiesen“ (1975), „Die Rose überwältigt alles“ (1977), „Zwiegespräche“ (1980), „Beweis des Glücks“ (1983), „Heliotrop” (1983) und “Atem” (1988) wurden zur sprichwörtlichen „Bückware“. Mit dem Erscheinen eigener Gedichtbände wuchs ihr Selbstbewusstsein an der Seite des bekannten Schriftstellers. Es entwickelten sich rasch Verbindungen zu LeserInnen, KollegInnen und bildenden KünstlerInnen, zu FreundInnen im In- und Ausland. Unbekannte offenbarten sogar ihr Schicksal, hofften auf Antwort und Zuspruch.
Im Oktober 1954 richtete sich die Familie Strittmatter auf dem „Schulzenhof“ in Dollgow/Gransee (Brandenburg) ein neues Zuhause ein. Hier lebten sie mit zahlreichen Tieren recht zurückgezogen zwischen Rheinsberg und dem Stechlinsee. Es war der starke Wunsch, sich wieder einzugliedern in den natürlichen Ablauf der Jahreszeiten und teilzuhaben an den Verwandlungen der Natur. In drei Bänden „Briefe aus Schulzenhof“ hat Eva Strittmatter später Einblicke in die gemeinsame Lebens- und Schreibwelt „Schulzenhof“ gegeben.
Doch im Herbst 1992 hörte Eva Strittmatter nach über dreißig Jahren auf, Briefe zu schreiben. “Das Leben machte mich sprachlos, ich erstarrte in Furcht dessen, was ich erleben sollte - in nur neun Monaten starben drei der mir nächsten Menschen: meine Mutter, Sohn Matti, Erwin Strittmatter.” Der Schulzenhof, bislang eine Insel der Poesie und der Pferde, war jetzt eine Stätte von schweren Schicksalsschlägen. Doch sie überstand die Lebenskrise. Neue innere Kraft ließ sie schließlich neue Gedichte schreiben, die vor allem vom Aufbau-Verlag herausgegeben werden: „Der Schöne“ (1997), „Liebe und Hass“ (2000), „Die geheimen Gedichte“ (2000) und „Hundert Gedichte“ (2001). Und ihre treue Leserschaft stellte mit Erstaunen fest, ihre Verse hatten ihre sprachliche Klarheit und Tiefe behalten. Diese naturverbundenen und bildhaften Gedichte sprachen wie ehedem von den Lebenswünschen der Autorin, vom Alltag, von ihren Ängsten und Zweifeln, von Hoffnungen und der Neugier auf das Leben.
In Westdeutschland war Eva Strittmatter auch nach der deutschen Wiedervereinigung weitgehend unbekannt geblieben, selbst in manchem Lexikon fehlte ihr Name. Ihre ostdeutschen LeserInnen fühlten sich jedoch von ihrer genauen und unbestechlichen Beobachtungsgabe unmittelbar angezogen, dabei war der Klang der Worte von einfacher Schönheit. Die Verse bedurften keiner Erklärungen, wie sie selbst einmal in ihrem Gedicht „Vom Schreiben“ darlegte.
Natürlich könnte ich
Auch komplizierter schreiben
...
Ich will aber einfach bleiben
Und nah am alltäglichen Wort
Und will so deutlich schreiben,
Dass die Leute an meinem Ort
Meine Gedichte lesen
Und meine Gedanken verstehn
Und sagen: so ist es gewesen,
Und das haben auch wir schon gesehn.
Eva Strittmatters Leben war immer ein Spagat zwischen Hausfrau, Mutter und der Existenz als Autorin; dazu das zunehmend spannungsgeladene Verhältnis mit ihrem Mann. Trotzdem war sie Erwin Strittmatter stets eine ehrliche Kritikerin. Seit dem Tod ihres Mannes im Jahr 1994 war die Mutter von vier Söhnen auch die Verwalterin seines Werkes und ordnete seinen Nachlass. Ihr eigenes Werk umfasst knapp zwanzig Lyrikbände; daneben auch Prosa und Kinderbücher. Ihre Texte waren keine avantgardistische Lyrik; es war eine zutiefst bodenständige Sprache. Ihre Gedichte waren auch nie das, was die DDR-Führung von einer sozialistischen Künstlerin erwartete. Für sie war Lyrik der schmerzhafte Prozess aufrichtiger Selbstbefragung. Eva Strittmatter starb am 3. Januar 2011 in Berlin.
Verfasserin: Manfred Orlick
Zitate
Juniabend
Kleine Flöte aus Grün: die Stimme der Amsel.
Am Juniabend tönt sie die Zeit.
Die still steht und zittert.
Das Grün ist durchbittert
Von Regen, bis hallend der Wildtäuber schreit,
Und lässt die Zeit: durch die Kehlwölbung rollen.
Die kleine Flöte verstummt verschreckt.
Doch der Täuber hat mit dem lebenstollen
Ruf das Gewissen der Sonne geweckt.
Das Grün wird entbittert, die Zeit wird bewegt.
Und die Flöte der Amsel wird blau ausgelegt.
(aus dem Gedichtband „Die eine Rose überwältigt alles“)
Ahnung
Ich wusste ja, dass es kommen wird,
Dass all meine Kinder von mir gehen.
Doch dachte ich nicht, es soll jetzt geschehen.
Es ging so schnell! Ich bin wie verwirrt,
Als würde ich krank, 'als hätte ich Fieber,
Mir ist zum Weinen, weil nun auch mein lieber,
Noch eben kleiner Sohn mich verließ.
Die Zeit ist vorbei, da es „Mutter!” hieß
Als erstes Wort morgens, als letztes zur Nacht.
Was haben wir mit dem Leben gemacht,
Dass es so jagend vorbeigeschnellt ist.
Nun nur noch Schmerz, der sich nicht mehr vergisst,
Weil es ihm keine Heilung gibt.
Ich habe die Söhne als Kindlein geliebt,
Als mein als mein als selbstausgebrütet.
Und Eifersucht hat sie großgehütet.
Nun zeigt es sich, dass sie Menschen sind
Mit ihrem Recht und niemandes Kind.
Und ich bin ledig so wie vor Jahren,
Arm aber reich am Leben erfahren.
Und Ahnung von Möglichkeit wandelt mich an:
Ich kann neu beginnen! Wenn ich es kann.
(aus dem Gedichtband „Zwiegespräch“)
“Mit den Jahren verstand ich, was die Konstante meines Lebens ist: das Verhältnis zur Natur, die Rührung über ihre Erscheinungen.”
Literatur & Quellen
Werke (Auswahl):
Lyrikbände
- Ich mach ein Lied aus Stille (1973)
- Mondschnee liegt auf den Wiesen (1975)
- Die eine Rose überwältigt alles (1977)
- Zwiegespräch, Aufbau-Verlag Berlin/DDR und Weimar (1980)
- Beweis des Glücks (1983)
- Atem (1988)
- Die heimliche Freiheit der Einsamkeit (1989)
- Unterm wechselnden Licht (1990)
- Einst habe ich drei Weiden besungen (1991)
- Morgens, abends (2001)
- Liebe und Hass. Die geheimen Gedichte. 1970-1990 (2002)
- Der Winter nach der schlimmen Liebe. Gedichte (2005)
- Landschaft (2005)
- Sämtliche Gedichte (2006)
- Wildbirnenbaum. Gedichte (2009)
- Auf einmal war es schon das Leben. Gedichte, Briefe, Essays (2011)
Prosa
- Briefe aus Schulzenhof I (1977)
- Poesie und andere Nebendinge (1983)
- Mai in Piešťany (1986)
- Briefe aus Schulzenhof II (1990)
- Briefe aus Schulzenhof III (1995)
- Du liebes Grün. Ein Garten- und Jahreszeitenbuch (2000)
Kinderbücher
- Brüderchen Vierbein (1958)
- Vom Kater, der ein Mensch sein sollte (1959)
- Ich schwing mich auf die Schaukel (1974)
- Der Igel (1978)
- Großmütterchen Gutefrau und ihre Tiere (2011)
Quellen (Literatur und Links)
- Wikipedia: Eva Strittmatter
- https://www.brandenburg-lese.de/index.php?article_id=173
-https://www.neues-deutschland.de/artikel/187836.geburt-und-tod-und-die-zwischenzeit.html
- Irmtraud Gutschke: Eva Strittmatter. Leib und Leben. 3. Aufl., Berlin 2012
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