(Hedwig Heyl, geb. Crüsemann)
geboren am 3. Mai 1850 in Bremen
gestorben am 23. Januar 1934 in Berlin
deutsche Sozialpolitikerin
90. Todestag am 23. Januar 2024
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Hedwig Heyl entstammte der Bremer Reederfamilie Crüsemann und heiratete 1869 den Berliner Chemiefabrikanten Georg Heyl. Ihre großbürgerliche Herkunft nutzte sie bewusst mit liebenswürdiger Klugheit und Charme. Sie gehörte zu den wenigen Frauen der “großen Gesellschaft”, schrieb Gertrud Bäumer, die sich schon der Frauenbewegung zugehörig fühlten, als diese noch nicht durch das Engagement kaiserlicher Familienangehöriger “hoffähig” war. Ihr Aufgabengebiet in der Frauenbewegung der Jahrhundertwende war die Professionalisierung der Hauswirtschaft. Die hauswirtschaftliche Frauenbildung sollte über die Erfahrung und Weitergabe bewährter Kochrezepte hinausführen und Haushalts- und Ernährungsfragen sowie Kinderpflege und -erziehung mit einbeziehen. Wie viele ihrer Zeitgenossinnen war Hedwig Heyl eine begeisterte Anhängerin der Pädagogik Fröbels. Gemeinsam mit Henriette Schrader, deren Schülerin sie war, gründete sie in Berlin das Pestalozzi-Fröbel-Haus, das 1884 um eine Haushalt- und Kochschule erweitert wurde. Ehe Henriette Schrader in Berlin wirkte, gründete sie 1854 in Watzum bei Schöppenstadt eine Erziehungsanstalt, eine Ausbildungsstätte für Mädchen, die auf der Fröbelschen Kindergartenpädagogik aufbaute.
Hedwig Heyl übernahm mit großem Geschick Repräsentationsaufgaben in der Frauenbewegung wie z.B. beim internationalen Frauenkongress 1904 in Berlin oder bei der Ausstellung “Die Frau in Haus und Beruf”, ebenfalls in Berlin. Der Erfolg dieser 1912 eröffneten Ausstellung ging im wesentlichen auf Hedwig Heyls großes Organisationstalent zurück. Sie selbst empfand diese erste Frauenmesse in Deutschland als Höhepunkt ihres Lebens und Schaffens. Ihr Organisationstalent kam ihr schon seit 1889 zustatten, als sie als Witwe die Fabrik ihres verstorbenen Mannes leiten und ihre fünf Kinder erziehen mußte.
Bei Kriegsausbruch übernahm Hewig Heyl im Rahmen des Nationalen Frauendienstes der Frauenbewegung die Ernährungsfürsorge. Sie hatte einen “genialen Blick für das Konkrete und Praktische” (Gertrud Bäumer). So wurde bei Kriegsausbruch im August 1914 die reiche Obsternte vieler Privatkleingärten in Berlin gerettet, weil Hedwig Heyl sie in einer Marmeladenfabrik verwerten ließ.
Als im Verlauf des Krieges die Ernährungslage zunehmend prekärer wurde, organisierte Hedwig Heyl Massenspeisungen. Diese außergewöhnliche Leistung trug ihr den Ruf ein, der “Hindenburg der Küche” zu sein. Ihr Kochbuch “Das ABC der Küche” wurde als Standardwerk kostenlos verteilt.
Hedwig Heyl war Mitglied zahlreicher Vereine und Clubs, u.a auch des Deutsch-Kolonialen Frauenbundes, der 1907 in Berlin gegründet wurde und sich 1908 der Deutschen Kolonialen Gesellschaft anschloß, die Hedwig Heyl ein Jahrzehnt lang leitete. Zielsetzungen beider Vereinigungen war es, aus Südwestafrika eine deutsche Kolonie zu machen. Die rassistischen Einstellungen der Gesellschaften, u.a. das Verbot von Mischehen zwischen Kolonisten und Afrikanerinnen, teilte Hedwig Heyl. Sie bezeichnete es als ihre wichtigste Aufgabe, Frauen für die Kolonisten auszusuchen und überhaupt “geeignetes Mädchenmaterial” in die Siedlungen zu schicken. In der kurzen Zeit der Weimarer Republik trat Hedwig Heyl der Deutschen Volkspartei bei. Ausdrücklich begrüßte sie 1933 Hitlers Rassegedanken und seine Vorstellungen von einer Volksgemeinschaft, die auch “unsere Landsleute jenseits des deutschen Reiches” umfasste.
(Text von 1999)
Verfasserin: Hiltrud Schroeder
Literatur & Quellen
Bäumer, Gertrud. 1939. “Hedwig Heyl”, in: dies. Gestalt und Wandel. Berlin. Herbig, S. 699-708
Brehmer, Ilse & Karin Ehrich. Hg. 1993. Mütterlichkeit als Profession? Lebensläufe deutscher Pädagoginnen in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts. Band 2 Kurzbiographien. Pfaffenweiler. Centaurus.
Kachulle, Doris. 1992. “'Verschicke nur geeignetes Mädchenmaterial': Die Bremerin Hedwig Heyl arbeitete im Deutsch-Kolonialen Frauenbund für die 'Deutschwerdung' Südwestafrikas”, in die tageszeitung. 21.3.1992, S. 35
Reicke, Ilse. 1984. Die großen Frauen der Weimarar Republik: Erlebnisse im Berliner Frühling. Freiburg/Br. Herderbücherei 1029.
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