geboren am 21. Dezember 1853 in Stuttgart
gestorben am 5. April 1944 in Tübingen
deutsche Schriftstellerin
80. Todestag am 5. April 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Isolde Kurz wurde Ende 1853 geboren, zeitlich genau zwischen den Leitfiguren der deutschen und der englischen Frauenbewegung – Helene Lange (1848-1930) und Emmeline Pankhurst (1858-1928). Den Kämpfen der Frauenbewegung stand Isolde Kurz allerdings zeitlebens fern, obwohl sie immer gegen ihre Benachteiligung als Frau rebellierte und anschrieb und selbst ein bewußt emanzipiertes, unabhängiges Leben führte. Wenn sie schrieb, spürte sie Inspiration von einem “Genius”, und diesen Genius erlebte sie als eifersüchtigen Gefährten, der sich nicht mit dem Eros vertrug (und wohl noch weniger mit der Ehe). Außerdem fand sie, die sich am Schönheitsideal der klassischen Antike orientierte, die Männer ihrer Zeit einfach nicht schön genug.
Sie war das zweite von fünf Kindern und die einzige Tochter der kämpferischen adligen Demokratin Marie Kurz, geb. von Brunnow, und des erfolglosen Schriftstellers Hermann Kurz. Die Familie lebte ab 1863 relativ isoliert in dem spießigen Tübingen, wo der Vater nach langer wirtschaftlicher Not als freier Schriftsteller endlich eine Stelle an der Universitätsbibliothek ergattert hatte. Isolde wurde von der Mutter gegen alle Regeln, die damals für Mädchenerziehung galten, freiheitlich erzogen, von Haushalts- und Handarbeiten ferngehalten und – wenn auch unsystematisch – an viele Bildungsgüter herangeführt. Daß höhere Schulbildung damals nur für Knaben vorgesehen war, hat die wißbegierige, hochbegabte Isolde zutiefst erbittert. Sie eignete sich sich vieles autodidaktisch an – besonders lagen ihr die Sprachen, und später verdiente sie sich auch ihr erstes eigenes Geld mit Übersetzungen.
Ihr Vater starb, als sie neunzehn war; Isolde ließ dem tragisch Verkannten von ihrem ersten selbstverdienten Geld auf dem Friedhof ein Denkmal setzen und zog nach München, wo sie versuchte, sich mit literarischen und Übersetzungsarbeiten über Wasser zu halten. Kaum hatte sie in der Literaturszene einigermaßen Fuß gefaßt, erging von seiten ihres geliebten und bewunderten älteren Bruders Edgar die Einladung an sie, mit ihrer Mutter und dem kränkelnden jüngeren Bruder Balde (von der Mutter nach ihrem Idol Garibaldi genannt), zu ihm nach Florenz zu kommen. Dort hatte der junge Arzt eine gutgehende Praxis unter den Auslandsdeutschen aufgebaut.
Über dreißig Jahre lebte Isolde Kurz in Florenz, die letzten Jahre verbrachte sie mit aufopfernder Pflege ihrer Mutter, die sie an den Rand ihrer Kräfte führte.
Ihre literarische Karriere begann Anfang der 1890er Jahre mit dem großen Erfolg der Florentiner Novellen und Italienischen Erzählungen. Es folgten weitere Erzählungsbände, Biographisches, ein Reisebericht und schließlich das berüchtigte Gedicht “Schwert aus der Scheide”, geschrieben aus der Kriegsbegeisterung von 1914. Diese Entgleisung wurde, wie auch “Die deutsche Mutter” von 1916 (eine Auftragsarbeit für den Bund deutscher Frauenvereine), im zweiten Weltkrieg von den Nazis wieder hervorgeholt und propagiert. Isolde Kurz war da hoch in den Achtzigern. Ihr, deren Eltern so tapfer für die Demokratie eingetreten waren und dafür mit großer wirtschaftlicher Not bezahlt hatten, war die Weimarer Republik fremd geblieben. Die “wilden Zwanziger” hatten die alte Dame erschreckt – da lag ihr die Nazizeit mit ihrer Zucht und Ordnung und der Rückbesinnung auf die germanische Mythologie schon eher.
1931 veröffentlichte die 78jährige ihren Bestseller-Roman Vanadis: Schicksalsweg einer Frau – durchaus spannend aufgebaut und zu lesen, wenn frau sich an den bisweilen schwülstigen Stil und die idealistisch überhöhten Charaktere erst einmal gewöhnt hat. Ein Jahr später erschien Das kunstseidene Mädchen, von der 27jährigen Irmgard Keun – witzig, schnoddrig, modern. Daß beide Romane fast gleichzeitig erschienen und beide gleich erfolgreich waren, mag man kaum glauben. Das kunstseidene Mädchen ist noch heute frisch, während Vanadis veraltet und höchstens unfreiwillig komisch ist.
Der Roman spielt in den Jahren 1860 bis 1900, wo Vanadis’ leid- und entsagungsvoller “Schicksalsweg” vorzeitig durch Brustkrebs beendet wird.
Isolde Kurz hat nie geheiratet. Aber im Alter, in den 1920er Jahren, lebte sie in sehr harmonischer Hausgemeinschaft mit einem Jugendfreund, Ernst Mohl, der sich lieb um sie kümmerte. Er wohnte einen Stock unter ihr, sie dichtete – immer erfolgreicher – in ihrer schlicht eingerichteten Wohnung in den Baumwipfeln.
Verfasserin: Luise F. Pusch
Zitate
Isolde Kurz, die manche Erfahrungen in ihrem Leben ausließ (oder sie daraus verdrängte), wirkt geradezu weltfremd, wenn sie sich über Liebe und Leidenschaft bei Frauen und Männern ihrer Generation äußert. Hellwach und kritisch dagegen ist sie, wenn sie historische Stoffe anpackt. (Norgard Kohlhagen)
Sie sind wieder sehr ungezogen gegen dich gewesen. Die Jungen, siehst du, sind so ein häßliches Volk, Gott sollte gar keine erschaffen. … Sie meinen, ein Mädchen muß sich alles gefallen lassen, dafür ist es ein Mädchen. Nein, das wird uns jetzt zuviel. (Das Kind Vanadis zu seiner Puppe, aus: Vanadis von Isolde Kurz)
Und wie reagiert … die Dichter-Gattin auf die zunehmende Nervosität ihrer Dichter-Tochter? … »Wenn sie schon Mannwerk tut, so muß es nebenher geschehen, ohne die dem Mann zustehenden Rücksichten und Rechte, und wenn ihr das Wunder gelingt, so wird es von niemand als ein solches angerechnet.« So hat Isolde Kurz zusammengefaßt, unter welchen Bedingungen ihre schriftstellerischen Arbeiten entstanden. (Norgard Kohlhagen)
Die Deutschen sind das dümmste aller Völker. Wir haben sogar die Einfalt zum Rang unserer Nationaltugend erhoben: Unsere schönsten Mären singen von dem gläubig vertrauenden und hintergangenen Helden, unsere Idealgestalt ist der “reine Tor”, der kindlich große Mensch, dessen Auge die fernsten Grenzen des Denkens absucht und der dabei dem Gewitzteren zum Opfer fällt. (Isolde Kurz in “Brief an einen Franzosen” [an ihren Jugendfreund, den französischen sozialistischen Abgeordneten Dr. Edouard Vaillant], Süddeutsche Monatshefte, Sonderheft Frankreich, München, März 1915, S. 837ff. Zit. nach Walter 1996 S. 306f.
Literatur & Quellen
Bendt, Jutta, Sibylle Lewitscharoff und Karin Schmidgall. 2003. In der inneren Heimat oder nirgends. Isolde Kurz. (1853-1944). Dt. Schillerges.
Hillenbrand, Rainer. 2000. Isolde Kurz als Erzählerin: Ein Überblick.Frankfurt am Main [u.a.]. Lang.
Kurz, Isolde. 1920. Aus meinem Jugendland. Stuttgart, Berlin. DVA.
Kurz, Isolde. 1955 [1931]. Vanadis: Der Schicksalsweg einer Frau. Gütersloh. Bertelsmann Lesering.
Ónodi, Marion. 1989. Isolde Kurz: Leben und Prosawerk als Ausdruck zeitgenössischer und menschlich-individueller Situation der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Frankfurt am Main; New York. Lang.
Singer, Sandra L. 1995. Free soul, free woman? A study of selected fictional works by Hedwig Dohm, Isolde Kurz, and Helene Böhlau. New York. Lang.
Walter, Eva. 1996. Isolde Kurz und ihre Familie: Biographie. Mühlacker. Stieglitz.
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