Biographien Senta Trömel-Plötz
geboren am 26. Februar 1939 in München
deutsche Sprachwissenschaftlerin, Autorin und Feministin
85. Geburtstag am 26. Februar 2024
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Die Liebe zur Sprache prägt Leben und Werk der Sprachwissenschaftlerin und Autorin literarischer Wortstücke Senta Trömel-Plötz.
Wie grausam für eine Frau, die der Sprache in Liebe zugetan ist, sehen zu müssen, dass diese geliebte Sprache ein Pendant zur Männerordnung der Gesellschaft darstellt, in der frau als solche abwesend ist, häufig nicht genannt und schon gar nicht anerkannt wird. Seit den späten 1970er Jahren übt Trömel-Plötz Kritik an einer männlich geprägten Sprache, die bis in die grammatischen Strukturen hinein so tut, als ob es keine Frauen gäbe. Sie spezialisierte sich auf die Analyse von Gesprächen, insbesondere von dominanten Sprechakten, mit denen Gewalt ausgeübt wird. Wie zum Beweis dieser Forschungen konnte sie trotz Habilitation und großer Resonanz auf ihre Bücher an keiner deutschen Universität dauerhaft Fuß fassen. Dass ihre Bewerbungen immer wieder abgelehnt wurden, war sicher kein Zufall.
Gemeinsam mit Luise F. Pusch begründete sie die feministische Linguistik. Die beiden Sprachwissenschaftlerinnen haben wesentlich dazu beigetragen, dass der Feminismus im deutschsprachigen Raum zu einer öffentlichen Angelegenheit wurde. Sie rüttelten die Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft auf, wofür sie von akademischer Seite wenig Dank erfuhren. Es gelang ihnen jedoch, politisch wirksam zu werden und eine gerechtere Sprache durchzusetzen.
Es begann 1978 mit dem Artikel “Linguistik und Frauensprache” – die Reaktionen darauf machten der Autorin die gesellschaftliche Brisanz des Themas noch intensiver bewusst –, und die Entwicklung setzt sich bis heute fort. Trömel-Plötz deckte jedoch nicht nur den frauenfeindlichen Gebrauch der Sprache auf, sondern auch die besondere konversationelle Kompetenz von Frauen. Der Schatz des Buches Frauengespräche: Sprache der Verständigung ist noch nicht gehoben. Auch Männer können die weibliche Fähigkeit, Solidarität und Verständigung im Gespräch zu erreichen, lernen. Damit ist kein Paradies der Frauen gemeint, wie manche argwöhnen; es ist schlicht und einfach klug, sich diese Kompetenz zunutze zu machen.
Kindheit und Jugend von Senta Plötz standen unter dem Eindruck der Kriegs- und Nachkriegszeit. Vielleicht lernte sie aus diesen frühen Erfahrungen des Überlebens, das Leben so leidenschaftlich zu lieben. Von den Eltern als Mädchen erwünscht und gefördert, erlebte sie Nazizeit, Bombennächte, die Sorge um Nahrung. Schon früh macht sie in der Internationalen Jugendbibliothek die Bekanntschaft von AutorInnen wie Jella Lepman und Erich Kästner, nimmt sich die promovierten Lehrerinnen ihres Gymnasiums zum Vorbild und lernt insbesondere das US-amerikanische Englisch als Sprache der Befreiung, erster Süßigkeiten, aber auch kultureller Förderung im Amerika-Haus in München kennen.
Später wird ihre Sprache poetischer, die Leidenschaft für Frauenleben rückt in den Vordergrund. Das Thema kündigt sich in Vatersprache – Mutterland (1992) bereits an mit ihrem ersten Wortstück Der Tod der Frau im Mann und mit einem Artikel über Leben und Bedeutung der genialen Physikerin Mileva Einstein-Marić. Warum war die Beziehung zu Albert Einstein für sie so destruktiv und zerstörte all ihre Ambitionen und Träume, die sie so vielversprechend nach Zürich gebracht haben, fragt Trömel-Plötz dort. Wie kann sie diesem Frauenleben sprachlich gerecht werden, das in der Männersprache so nicht vorgesehen ist? Wie Glück und Leid, Scheitern, Tod aber auch das Gelungene ausdrücken? In ihren Wortstücken – es folgten weitere über die Malerinnen Sophie Taeuber-Arp und Paula Modersohn-Becker – verwebt sie die Leben hochbegabter Frauen miteinander. Wo die eigenen Worte versagen, kommen Dichterinnen zu Hilfe. Die Worte der einen kommentieren das Leben der anderen. Sie bringt diese Worte in einen Dialog, sodass die Wortstücke über die verschiedenen Frauen insgesamt, und zwar gerade durch Individualität der je einzelnen, zu einer Art universellen Frauenbiographie werden. Die Tragik der Frauen, die in einer auf den Mann zugeschnittenen Gesellschaft an ihren Fähigkeiten und Begabungen, die die Konvention so nicht vorsah, zugrunde gegangen sind, das ist eine Kultur- und keine Naturkatastrophe. Und doch bergen die Wortstücke sorgsam, was die Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen trotz der patriarchalen Sabotage geleistet haben …
In stärker autobiografischen Wortstücken lesen wir noch einmal von der Liebe der Eltern, der Liebe zur Sprache, zur Natur, zu Amerika, zu den Frauen, den Freundinnen und auch den Freunden, und nicht zuletzt von der Liebe zu ihren drei Söhnen, für die sie ab 1986 auch ganz offiziell alleine sorgt. Dass sie im Gegensatz zu vielen Frauen früherer Generationen den Zwiespalt zwischen Kindern und wissenschaftlich-künstlerischer Begabung überlebt hat, ist nicht zuletzt ihrer eigenen feministischen Arbeit zu verdanken. Senta Trömel-Plötz lebt heute in Pennsylvania, USA; sie hält regelmäßig Lesungen und Vorträge in Europa.
(Text von 2008)
Verfasserin: Bettina Schmitz
Zitate
Die beste Frau ist die, die nicht spricht. Reden wir anders als Männer? Reden wir anders mit Frauen als mit Männern? Wie reden Männer über uns? Wie wird über uns geredet? Was sagt MANN darüber, wie wir reden? (Frauensprache, S. 27)
Die Unterschiede in der Art und Weise, wie Frauen und Männer sprechen, kommen dadurch zustande, dass Frauen und Männer in Konversationen nicht gleich behandelt werden. […] Es gibt historische und politische Gründe für die unterschiedliche Bewertung von Frauen und Männern, wenn sie sprechen. Zum Beispiel war es Frauen bis vor kurzem nicht erlaubt, über bestimmte Themen öffentlich zu sprechen. (Gewalt durch Sprache, S. 289f.)
Als ob das noch nicht genügte fordern sie die Enthabilitation für Luise Pusch und meinen Rücktritt. Was wir schreiben ist für sie ein großes Ärgernis […] Mein Rücktritt ist längst von solchen Männern, namenlosen Männern, gänzlich unbedeutenden Männern, die keinen Namen haben, außer durch ihre bodenlose Kritik an uns, besorgt worden. Es sind Männer, von denen nie jemand hörte, die nie über ihren Fachbereich hinaus eine Einladung bekamen, nie im Ausland einen Vortrag hielten, nie ein Rundfunkinterview gaben, nie in ein Parlament geladen wurden, gänzlich unbekannte akademische Nullen, die kein einziges Buch veröffentlichten, das von mehr als einer Handvoll Männer, die genauso unbedeutend sind wie sie, gelesen wurde. (Vatersprache – Mutterland, S. 27f.)
Mein Interesse als Feministin und Linguistin ist es, positive weibliche Eigenschaften sichtbar zu machen und zu ihrer positiven Bewertung beizutragen. Das Ziel ist nicht, Frauen wieder festzulegen auf die Zuständigkeit für den sozialen Bereich, für Beziehungen und Familien, sondern im Gegenteil unsere humanen integrativen Eigenschaften, indem ich sie außerhalb des privaten Raumes sichtbar mache und ihre positiven Auswirkungen in der Öffentlichkeit und im Berufsleben zeige, zu verbreitern, ihnen außerhalb des Privatlebens Anerkennung zu verschaffen, so dass beide, Frauen und Männer, sie öffentlich und privat praktizieren können und unsere Gesellschaft sich ändert. (Frauengespräche, S. 18f.)
Was so vielversprechend als gleichwertige Beziehung auf gleicher Ebene begann, als sie beide an der ETH studierten, Hoffnungen und Ideen teilten, endete in Schattenarbeit als Mitarbeiterin und Muse, endete in unbezahlter Arbeit als Hausfrau, Putzfrau, Kinderfrau, Erzieherin und Krankenpflegerin. Was so vielversprechend als Liebesbeziehung begann, endete in Verbitterung, Vereinsamung. Zerstörung weiblicher Schaffenskraft/Selbstaufopferung aus Liebe/die Opfer ungewürdigt/die Spuren fast verlöscht. (Mileva Einstein- Marić: Eine Annäherung, S. 78)
Links
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Trömel-Plötz, Senta.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/107674157, zuletzt geprüft am 15.02.2024.
Trömel-Plötz, Senta: Clara Westhoff-Rilke. Biographie. FemBio – Institut für Frauen- Biographieforschung.
Online verfügbar unter http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/clara-westhoff-rilke2/, zuletzt geprüft am 15.02.2024.
Trömel-Plötz, Senta: Mileva Einstein-Marić. Biographie. FemBio – Institut für Frauen- Biographieforschung.
Online verfügbar unter http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/mileva-maric-einstein/, zuletzt geprüft am 15.02.2024.
Trömel-Plötz, Senta: Paula Modersohn-Becker: Paris – Leben wie im Rausch. Rezension zu Renate Bergers Buch. FemBio – Institut für Frauen- Biographieforschung.
Online verfügbar unter https://www.fembio.org/biographie.php/frau/empfehlungen/paula-modersohn-becker-paris-leben-wie-im-rausch/, zuletzt geprüft am 15.02.2024.
Trömel-Plötz, Senta (2003): Zum 70sten! »Ach Alice …«. Analyse (gekürzt) eines Fernsehgesprächs zwischen Rudolf Augstein und Alice Schwarzer. In: Emma, November/Dezember 1993. emma.de.
Online verfügbar unter http://www.emma.de/425.html, zuletzt geprüft am 15.02.2024.
Literatur & Quellen
Trömel-Plötz, Senta (1971): Operationen in der Linguistik. Hamburg. Buske. (Forschungsberichte des Instituts für Kommunikationsforschung und Phonetik der Universität Bonn, 37) ISBN 3-87118-074-2.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-SucheWorldCat-Suche)
Trömel-Plötz, Senta (1972): Simple copula structures in English. Dissertationsschrift (1969). Frankfurt am Main. Athenäum-Verlag. (Athenäum-Skripten Linguistik, 3)
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Trömel-Plötz, Senta (Hg.) (1972): Transformationelle Analyse. Die Transformationstheorie von Zellig Harris und ihre Entwicklung = Transformational analysis. Frankfurt am Main. Athenäum-Verlag. (Linguistische Forschungen, 8) ISBN 3-7610-4808-4.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Trömel-Plötz, Senta (1978): Die Rolle von Adverbien und Partikeln bei der Indirektheit von Äußerungen. Habilitationsvortrag. Konstanz. Universität.
(WorldCat-Suche)
Trömel-Plötz, Senta (1979): Frauensprache in unserer Welt der Männer. 2. Aufl. Konstanz. Universitätsverlag. 1981 (Konstanzer Universitätsreden, 132) ISBN 3-87940-162-4.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Trömel-Plötz, Senta (1980/1981): Sprache, Geschlecht und Macht. Wiesbaden. Vieweg. (Linguistische Berichte, 69 und 71)
Trömel-Plötz, Senta (Hg.) (1984): Gewalt durch Sprache. Die Vergewaltigung von Frauen in Gesprächen. Wien. Milena. 1984. (Feministische Theorie, 46) ISBN 3-85286-120-9.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Trömel-Plötz, Senta (1992): Vatersprache – Mutterland. Beobachtungen zu Sprache und Politik. Hierin besonders: »Sprache der Macht«, »Der Ausschluss der Frauen aus der Universität«, »Mileva Einstein-Marić: Die Frau, die Einsteins mathematische Probleme löste«, »Der Tod der Frau im Mann«. 2., überarb. Aufl. München. Frauenoffensive. 1993. ISBN 3-88104-211-3.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Trömel-Plötz, Senta (Hg.) (1996): Frauengespräche. Sprache der Verständigung. Frankfurt am Main. Fischer-Taschenbuch-Verlag. (Fischer, 13161 : Die Frau in der Gesellschaft) ISBN 3-596-13161-8.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Trömel-Plötz, Senta (1996): Frauensprache - Sprache der Veränderung. Orig.-Ausg., 71. - 72. Tsd. Frankfurt am Main. Fischer-Taschenbuch-Verl. (Fischer Die Frau in der Gesellschaft, 3725) ISBN 3596237254.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Trömel-Plötz, Senta (2005): Mileva Einstein-Marić. Eine Annäherung. Wortstück (in Auszügen). In: filadressa. Kontexte der Südtiroler Literatur 03, 05. Februar 2005. S. 65–78.
Wallstein Verlag (Hg.) (2014): Die Sprachwandlerin - Luise F. Pusch. Zurufe und Einwürfe von Freundinnen und Weggefährtinnen. Göttingen. Wallstein Verlag. ISBN 978-3-8353-1427-6.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche).
Mehr dazu unter http://gbv.eblib.com/patron/FullRecord.aspx?p=1594557
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.