Altweiberknoten
Beim Ordnen meiner Bücher stieß ich auf eine Knotenfibel, die ich mir in den 90er Jahren gekauft hatte. Ich hatte damals auch ein paar Knoten gelernt, sie aber bald wieder vergessen. Nun wollte ich wenigstens denjenigen Knoten wieder einüben, mit dem ich mir lästige Kleidungsstücke an den Gürtel binden konnte, wenn es beim schnellen Gehen zu heiß wurde. Die meisten Menschen binden sich solche Teile um die Taille, indem sie die Ärmel vor dem Bauch zusammenknoten, der Rest der Jacke oder des Pullovers baumelt dann hinten bis in die Kniekehlen. Finde ich unpraktisch und meist noch immer zu warm.
Ich lernte also meinen „laufenden Palstek“ aus der Klasse der Schiebeknoten und werde mir beim nächsten Powerwalk zu helfen wissen.
Das alte Buch war aber nicht sehr anschaulich, und so konsultierte ich das Internet und wurde mehr als fündig. PfadfinderInnen, KlettererInnen, Feuerwehrleute und vor allem Seeleute haben für alle erdenklichen Zwecke Knoten erfunden.
Besonders schön finde ich den Kreuzknoten:
Er existiert auch in einer Variante, die Altweiberknoten oder Hausfrauenknoten genannt wird. Wikipedia meldet dazu streng:
Der Altweiberknoten, auch „Hausfrauenknoten“ genannt, ist ein falsch geknüpfter Kreuzknoten. Viele Menschen binden mit diesem Knoten ihre Schuhe und ärgern sich, dass er nicht hält und sich ständig lockert.
Es gibt viele Internet-Seiten, die den Armen, die in ihrer Kindheit von den alten Weibern und den Hausfrauen den Knoten falsch erlernt haben, den Weg zum wahren Schnürsenkelheil weisen wollen. Wenn Sie auch bis heute an diesem Kindheitstrauma leiden, können Sie sich hier von ihm befreien.
Warum der falsch geknüpfte Kreuzknoten „Altweiber-„ oder „Hausfrauenknoten“ heißt, erfahre ich von Wikipedia nicht und auch sonst nirgendwo. Es versteht sich wohl von selbst. Blöde alte Weiber oder Hausfrauen schaffen es noch nicht mal, einen Knoten richtig zu binden, und so geschieht es ihnen nur recht, dass mann das traurige Resultat ihrer Unfähigkeit nach ihnen benennt. Auf Englisch heißt der Altweiberknoten „granny knot“ und auf Französisch "nœud de vache" (Kuhknoten).
Die mit weitem Abstand kompliziertesten Knoten sind die sogenannten Zierknoten, die zum Beispiel im Makramee Verwendung finden. Hier hantiert nicht der starke Seemann mit dicken Seilen, sondern die Frau widmet sich ihrer traditionellen Aufgabe, der Verfertigung von Kleidung und anderen Textilien. Sie knüpft oder webt Teppiche und Stoffe. Ließe frau den Mann auf diese Gebiete los, würde der Knöterich vermutlich nicht mal Altmännerknoten zuwege bringen, sondern sich in den feinen Fäden total verheddern.
Aber nicht nur auf diesem Knotengebiet sind wir Expertinnen. Bekanntlich gibt es da auch noch die Knoten in der Brust, gutartige und bösartige.
Als ich gestern mit Joey über das Thema Knoten sprach, rückte sie plötzlich mit folgendem Spruch heraus: „Zwei Knoten wohnen, ach, in meiner Brust - ein Altweiberknoten und ein Hausfrauenknoten!“ (Sie ist Germanistin und Literaturwissenschaftlerin.)
Wir konnten uns vor Lachen nicht wieder einkriegen. Erst später ging mir der tiefere Sinn dieses rabenschwarzen Scherzes auf: Altweiberknoten, Hausfrauenknoten sind wie ihre Namensgeberinnen: harmlos und gutartig. Sie funktionieren nicht? Umso besser. •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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8 Kommentare
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29.07.2012 um 10:14 Uhr LaWendula
Ich liebe Knoten, denn sie sind wohl der Anfang jeglicher Handarbeit, von denen Männer heute noch glauben, sie sei keine Kunst. (Was ziemlich viel aussagt.)
Ich habe einmal gelesen (ich weiß nur leider nicht wo, verflixt!), daß es auch heute noch in Schottland “Altweiber” (ich liebe das englische Wort Crone, denn das klingt so nach Chronik und paßt einfach wunderbar) gäbe, die davon lebten, Knotenmagie an Seeleute zu verkaufen, zum Rufen und Wegschicken von Wind und Sturm. Wetten, daß das was mit dem Altweiberknoten zu tun haben wird!
Interessant sind auf jeden Fall die Seiten über Knotenmagie in “Der goldene Zweig” von Fraser. (Seite 347ff)
Ich kann mir gut vorstellen, daß der Altweiberknoten aus dem Hebammenumfeld kam, man glaubte ja damals, eine Frau könne nicht gebären, wenn etwas verknotet sei, weswegen frau ihr auch die Zöpfe löste. Vielleicht diente der instabile Altweiberknoten zum kurzzeitigen Aufhalten der Geburt?!
07.06.2012 um 18:21 Uhr Lena Vandrey
Jeder gestandenen Feministin dürfte das Lachen vergehen bei dem Blick auf diese Welt. Sehen wir doch die Dinge wie Gertrude Stein und Alice Toklas. Da haben wir eine Melone. Sie ist gleichzeitig unreif und verfault. Und so ist die Welt. Und wir haben ein Bohnenessen, und das ist gleichzeitig roh und angebrannt. Und so ist die Welt.
Ruth Klüger schreibt, dass der Name Ruth Freundin bedeutet, und sie wendet sich an die LESERIN, da es den LESER gar nicht gibt:“Männer lesen nur, was von Männern geschrieben wurde!”
WANN hört es auf mit dem FRAUENHASS? der in den allermeisten Texten von Männern und den ihnen zudienenden Frauen enthalten ist?
Ich zitiere noch einmal Stendhal:“Ein Genie, als Frau geboren, ist für die Menschheit verloren!” Das war vor 200 Jahren. Inzwischen ist JEDEFRAU für die Menschheit verloren und jeden Tag mehr. Es bedarf Grenzen, in allem Sinne gemeint, um die Verbrecher zu hindern. Die Würde des Menschen ist unantastbar? Dann sind Frauen keine Menschen und Mädchen keine Kinder!
Wenn es uns wenigstens gelingen würde, die WEIBLICHE Misogynie und Kollaboration zu stoppen! Aber nicht einmal DAS scheint möglich!
FRAUENHASS ist ein Genozid von langer Tradition. Oh Weh! über die armen Frauen jedweder Orthodoxien!...
04.06.2012 um 13:12 Uhr Amy
Ich erinnere an den/die Haarknoten oder auch Dutt genannt, eine zu einem Knoten kunstvoll geflochtene, gezwirbelte oder gewundene Frisur des Kopfhaars. Eine Erfindung d. Frauen, gibt es mind. 10 verschiedene Varianten. Frauen waren auch damals schon sehr schöpferisch, und etliche (auch ältere) Frauen trugen einen Haarknoten. Vielleicht kommt daher der Begriff `Altweiberknoten`? Im alten China galt z.B. die Volljährigkeit für einen Mann nur dann, wenn er sein herabhängendes Haar zu einem Knoten band. Der Haarknoten hat eine lange Tradition, womöglich ist er sogar älter als die Seemanns- oder Schifferknoten?
http://de.wikipedia.org/wiki/Dutt
03.06.2012 um 13:04 Uhr Amy
@ Lena Vandrey zu Abwertung und Reduzierung des Männermenschen auf das alleinige Organ: Der Griff in den Schritt galt früher bei den Machos z.B. in Süditalien als Uralt-Ritual. Als ein Zeichen ungebrochener Männlichkeit. Ähnlich wie auf Holz klopfen, so fasste mann sich gelegentlich in den Schritt. Selbst bei größeren Anlässen wurde der rituelle Griff angewandt, um drohendes Unheil abzuwenden und sah darin nichts Abwertendes. Natürlich ist nicht jeder Mann ein Macho, aber Männlichkeit wurde/wird insofern von Männern selbst gerne über Größe, Umfang und Gestalt des `Gemächts` definiert, um sich Mut zuzusprechen? `Keine Eier in der Hose haben` , diese schreckliche Redewendung wird sogar von unseren männl. Fußballgrößen über die Medien verbreitet, herausposaunt, wenn sie beim Spiel angeblich Mut und Stärke verlassen.
03.06.2012 um 12:24 Uhr anne
da gibt`s noch den `erinnerungsknoten`, zumeist reichte ein einfacher knoten im taschentuch, was als erinnerungsstütze gedacht war. manche tragen sogar einen knoten als kette um den halsm um die liebste nicht zu vergessen? ...oder machen sich einen knoten i.d. finger..
gelesen habe ich etwas zu `knoten der dreisamkeit`, der knoten der kelten als symbol für den kreislauf des lebens - die drei runden schenkel des dreiecks standen für die geburt, den tod und die wiedergeburt. es galt als weibliches zeichen und verwies auf die dreifache göttin und galt somit symbolisch als `verknotet` für das mädchen, die mutter und die weise frau ; körper, geist und (mentale) seele. dagegen wurden im christentum die weiblichen symbole mit gewalt vernichtet und zu männlichen `verknotet`, siehe die dreifaltigkeit (vater, sohn und hl. geist) - was dabei herausgekommen ist, ist mehr als geknorze… bei uns gibt es den begriff `knorz/e` = knoten, gewächs - die wingertsknorze = knorriger stamm einer weinrebe (die stämme der weinstöcke). aber lecker zubereitet als speise kann frau in typ. weinlokalen die `wingertsknorze` geniessen (aus teig zubereitete verknotete dunkle brötchen, überbacken mit zwiebeln, schinken etc. zum spundekäs` und den passenden wein) mit fraulichem blick auf die rhein-wein-ebene…
http://de.dawanda.com/product/22957641-lichttueten-erinnerungsknoten-3-Stueck
03.06.2012 um 12:19 Uhr Christine
@ Lena Vandrey: “Heißt es nicht auch ein “Knöterich”?”
Ja, der Knöteriche (Polygonum spec.) gibt es mehrere. Die meisten (Wiesenknöterich, Ampferknöterich, Flohknöterich) haben in der Tat ein pimmelartiges Aussehen und lieben nährstoffreiche Böden, leben also - wenn dieser Ausflug in die Zoologie erlaubt ist - gerne wie die Made im Speck.
Eine Ausnahme bildet der Vögelknöterich (Polygonum aviculare), der als alte Heilpflanze gilt. Sein Stengel liegt darnieder, und die Blüten sind klein und bescheiden.
Nichtsdestotrotz zählen alle Knöteriche zum sogenannten “Unkraut”.
03.06.2012 um 09:53 Uhr Lena Vandrey
“Zwei Knoten wohnen, ach! in meiner Brust!” ist vielleicht sehr komisch, wenn wir nicht an die Brustkrebs-Knoten denken und an den Knoten des Männerschwanzes… Im Französischen heißt Knoten “noeud” und weist derart auf das betreffende Organ hin, dass das Wort kaum anders benutzt wird, denn als Schimpfierung. Ein Schiff fährt so und so viele Knoten pro Stunde, ergo wird die Schnelligkeit nicht gerne erwähnt. Mit diesem Knoten wurde vormals ein Bund mit Gott eingegangen, hätte nicht ein anderes Organ besser gepasst? Knoten-Kopf “tête de noeud” ist eine starke Beleidigung vonwegen der Reduzierung des Männermenschen auf das alleinige Organ, in vielen Fällen sehr treffend…
Macramee ist eine wunderbare Knüpfarbeit der Weberinnen. Oftmals wurden Flaschen damit bedeckt und somit geschützt, auch durch Häkel- und Strickwaren. Die Provenzalinnen waren sehr stark auf diesem Gebiet, welches zu unseren Sammlungen gehört. Eine dieser Künstlerinnen hat ein Holzkreuz umhäkelt und sich damit einen kleinen Fetisch gebastelt. Selbstverständlich erkennt die offizielle Religion diese Gegenstände nicht an, und will sie nicht einmal geschenkt haben. Deshalb haben wir diese Forschung betrieben.
Heißt es nicht auch ein “Knöterich”? Da haben wir es doch! Und böse Männer sind “verknotet”!
Ja, die Sprache sagt alles!
02.06.2012 um 22:51 Uhr anne
wow, liebe luise - das sind ja alles interessante knoten - supra ! in der seefahrt gilt der altweiberknoten bzw. der falsche kreuznoten als die `visitenkarte des unerfahrenen mannes´, was immer das zu bedeuten hat? in der seefahrt und an bord waren frauen ja unerwünscht, sagte mann ihnen nach sie brächten unglück bzw. krankheit und sogar seenot über die wackeren seeleute herein. so könnte ich mir vorstellen, dass ein falscher kreuzknoten die kähne bei wind und wetter häufig zum kentern brachte; als assoziation passte dann die bezeichnung `altweiberknoten` - frauen und alte weiber haben an bord nichts zu suchen? bringen nur unglück über die boote nebst mannschaften zum kentern?
da gibt`s im matrosen-slang noch den begriff `knoten/forz` , eine nette bezeichnung für einen `mickrigen kleinen seemann`:(
ferner kennt mann im segel-sport den `sackstich , der wiederum ein hausfrauenknoten sein soll, weil er entweder nicht hält oder nicht aufgeht..alles merkwürdigkeiten ...
llg anne