Die Olympiade, MicroSoft und gerechte Sprache
Heute, am Sonntag, 29. Juli 2012, lese ich bei Spiegel online die Seite über die „wichtigsten Wettkämpfe des Tages“:
Sie beginn mit einer sexistischen Würdigung der Gewichtheberin Julia Rohde, die allerdings als Kompliment gemeint ist:
Sie gehört zu den hübschesten Sportlerinnen im deutschen Olympia-Team - und zu den stärksten. Julia Rohde ist gerade einmal 1,55 Meter groß, knapp 53 Kilogramm schwer und kann fast 200 Kilogramm in die Höhe wuchten. Die 23-Jährige ist eine von zwei deutschen Gewichtheberinnen, die in London am Start sind. Vor allem aber ist sie die wohl attraktivste Vertreterin ihrer Sportart und damit ein Gegenentwurf zu ihren oft maskulin wirkenden Kolleginnen.
Julia Rohde wird gelobt - auf Kosten aller anderen Gewichtheberinnen. Wir kennen die Taktik des "Teile und herrsche" seit Jahrzehnten, um nicht zu sagen Jahrhunderten - insofern wäre das in meinem Blog keiner weiteren Erwähnung wert.
Aber dieser Text hat noch einige andere Eigenschaften, und die sind doch interessant und - für den Spiegel - relativ neu. Zum Beispiel kommt das im Sport so beliebte Wort „Mannschaft“ nicht mehr vor - stattdessen heißt es durchgehend: "Team". Außerdem ist mann dem Charme des Schrägstrichs erlegen und schreibt tatsächlich:
Die deutschen Basketballer/innen haben sich übrigens nicht für die Spiele in London qualifizieren können. Die Fußballer/innen auch nicht, ebenso wenig die Handballer/innen.
Dergleichen habe ich im Spiegel noch nie gelesen - was allerdings nicht soo viel heißen will, denn ich lese ihn möglichst selten. Den hämisch-sexistischen Spiegel-Grundton vertrage ich nicht. Wahrscheinlich verdanken wir die neue Sprachgerechtigkeit auch nur dem betrüblichen Inhalt. Basket-, Fuß- und Handballer haben es nicht geschafft. Schon besser, diese Schmach deutlich auch den Frauen zuzuschreiben.
An sich ist der Schrägstrich ja passé und hat dem Binnen-I Platz gemacht (was ich von dem Unterstrich halte, habe ich in meiner Glosse "Brauen wir den Unterstrich?" aufgeschrieben. Nachzulesen hier). Aber immerhin - wir freuen uns.
Vielleicht hat der Spiegel seinen „gendergerechten“ Text durch ein Hilfsprogramm laufen lassen, das Microsoft Deutschland am 24. Juli in einer Pressemitteilung bekanntmachte. In der steht u.a. zu lesen:
Gendergerechte Schreibweise ist in Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft etabliert, der richtige und durchgängige Gebrauch aber oftmals aufwendig. In diesem Gender-Dschungel unterstützt Microsoft die Nutzerinnen und Nutzer mit einem Gendering-Add-In für Microsoft Office Word. In der Verwaltung der österreichischen Bundesregierung ist die Software bereits erfolgreich im Einsatz und ermöglicht Autorinnen und Autoren beim Verfassen von Texten eine einfache und schnelle Überprüfung der geschlechtergerechten Schreibweise in Textdokumenten. Das Tool wird von Microsoft unter einer Open-Source-Lizenz auf der Online-Plattform „CodePlex" kostenfrei bereitgestellt. Dadurch können EntwicklerInnen das Modul plattformübergreifend erweitern und den Anforderungen verschiedener Systeme anpassen.
Ich habe natürlich gleich versucht, das Gendering-Plug-in meinem MS-Word-Programm einzuverleiben - nicht weil ich gendergerechte Schreibweise „aufwendig“ fände, sondern um das „Tool“ auszuprobieren. Es ist mir bisher nicht gelungen; dem Mac verweigert sich das Tool noch. Ich bleibe dran und werde weiter berichten.
Einstweilen will ich nur meine Zufriedenheit darüber kundtun, dass Microsoft höchstselbst kein Tool zur „automatischen Entfernung des Binnen-Is“ entwickelte, sondern das Gegenteil. Das überflüssige Tool „Binnen-I be gone“ gibt es schon eine Weile; kommentieren und dadurch bekanntmachen mochte ich es bisher nicht. Nun hat es in Microsoft endlich seine Meisterin gefunden.
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6 Kommentare
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05.08.2012 um 20:31 Uhr anne
@ Sportler - sie werden es nicht gerne hören, aber die schiedsrichter-fehlentscheidungen im spiel deutschland gegen japan sind nicht von der hand zu weisen - auch beim volleyball wäre - wie bei anderen sportarten auch - in kritischen situationen ein videobeweis vonnöten. das wäre eine faire bzw. sportliche sache für alle teams…
” Corina Ssuschke-Voigt, GER: „Wir haben insgesamt ein sehr gutes Spiel gemacht, speziell viele schwierige Bälle in der Feldabwehr geholt. Das ist umso trauriger, dass uns da die Chance genommen wurde, das Spiel zu gewinnen. Was die Schiedsrichter heute gepfiffen haben, war in jeder Hinsicht nicht in Ordnung, nicht nur beim Matchball. Da ist echt Wut da, dass niemand der Verantwortlichen von offizieller Seite den Mumm hat, diese krasse Fehlentscheidung zu korrigieren. In Polen gibt es schon den Videobeweis, den man in kritischen Situationen anfordern kann. Es wird höchste Zeit, dass dies auch bei so wichtigen Turnieren eingeführt wird.”
einfach mal googeln nach `schiedsrichter-fehlentscheidungen`- sogar herr blatter entschuldigte sich bei der fußball-EM öffentlich über die vielen fehlentscheidungen bzw. -leistungen der schiedsrichter. nicht umsonst gibt es überlegungen zu neuen torlinien-technologien - das müssten sie doch als `Sportler` wissen…
http://www.volleyball-verband.de/index.php?dvv=webpart.pages.report.ReportViewPage&coid=19760&cid=30
05.08.2012 um 14:41 Uhr Sportler
@ Anne
Jaja wenns die holden Damen nicht schaffen, dann sind andere schuld…diesmal halt die Schiedsrichter.
04.08.2012 um 22:32 Uhr anne
zur info: die deutsche fußball-herren-mannschaft hat sich nicht qualifiziert.
an olympischen spielen nehmen keine A-fußball-mannschaften teil. es dürfen bei den männern im fußballsport `fast` nur spieler mitmachen, die nicht älter als 23 jahre alt sind - d.h. für die bundesrepublik hat sich die deutsche U-21-männer-mannschaft f.d. olympiade 2012 NICHT qualifiziert .
lt. turnier-regel können aber in jeder olympia-herren-mannschaft 3 spieler dabei sein , die über 23 alt sind. eher selten nehmen die trainer die absoluten top-spieler der A-nationalmannschaft mit.
was die volleyballerinnen betrifft, bitte den artikel nachlesen “deutsches team fühlt sich verschaukelt”/zdf-sport.de - Kurzmeldung/zitiert:
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DVV-Frauen fühlen sich verpfiffen 09:42 04.05.2012
Nach dem verpassten Gruppensieg beim Qualifikationsturnier in Ankara hat Volleyball-Bundestrainer Giovanni Guidetti die Schiedsrichter kritisiert: “Hier herrscht die politische Macht des türkischen Verbandes, das hat dieses Match eindeutig gezeigt”, so der Italiener. “Man muss pro Satz 30 klare Punkte machen, um gewinnen zu können oder dürfen. Aber das ist leider nicht möglich. Die Fehlentscheidungen gegen uns sind ein Skandal.” Der Bundestrainer wirft den Schiedsrichtern vor, sie hätten viele Bälle seiner Mannschaft zu Unrecht Aus gegeben.
die drei deutschen tennisdamen übrigens waren bei der diesjährigen olympiade recht erfolgreich, während mancher tennisherr seine teilnahme lieber umgangen hat, nachzulesen “becker-kritik an kohlschreiber und mayer”/Boris Becker hat die deutschen Tennisprofis Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer für ihre Olympia-Absagen scharf kritisiert. Über den Bayreuther Mayer sagte der 44 Jahre alte frühere Wimbledon-Sieger der “Bild”-Zeitung: “Er hat gesagt, dass Olympia nicht in seinen Plan für dieses Jahr passt.”
04.08.2012 um 18:14 Uhr lfp
@Sportler:
Ich sage ja, der SPIEGEL taugt nix. Falls Sie Recht haben - ich hab das nicht recherchiert - hat der SPIEGEL auch noch schlecht recherchiert.
04.08.2012 um 17:34 Uhr Sportler
Die deutsche Nationalmannschaft im Fussball ist von sich aus nicht angetreten, wäre aber qualifiziert gewesen.
Im Gegensatz zu den Frauen die in der Quali versagt haben, genauo wie die Volleyballerinnen. Die Herren sind dabei.
Schlechte Recherche.
30.07.2012 um 15:54 Uhr anne
widerlich und altbacken diese sexistischen äusserungen zu den gewichtheberinnen von dem käseblatt `spiegel`. das erinnert an die `alten` zeiten, als sportlerinnen generell als `mannweiber` verschrien wurden. frauen , auch im sport, müssen den herren also optisch gefallen, um nicht `durchzufallen`? dafür ziehen sich leider ganz brav einige sportlerinnen - ausgerechnet im herrenmagazin playboy - bis auf die haut aus… der frauenfeind pierre de coubertin (olympia-erneuerer) hielt den sport für eine reine männersache und verbot den frauen, an den ersten sog. modernen olympischen spielen 1896 teilzunehmen; obwohl er damals verkündete “das wichtigste an den spielen ist nicht der sieg, sondern die teilnahme.” in der antike wurde - weil die göttER es so `verkündeten`, nackt gekämpft. frauen war auch damals der zugang zu den spielen verboten, sogar als zuschauerinnen.
sexismus aus angst um den verlust von weiblichkeit, schönheit und fruchtbarkeit und aus angst vor der starken frau - scheint heute noch in einigen köpfen fest zum programm zu gehören? sonst gäbe es sicherlich nicht derartige aufrufe im playboy, wie frauen optisch wirken sollen…immer nach schema F, und zwar stereotyp, wie geklont…
und wie hartnäckig hat sich bisher sexismus und gewalt, unterdrückung gegen frauen durch sprache bewährt - das deutliche sichtbarmachen von frauen i.d. sprache ist mehr als überfällig… dafür muss frau sich aber nicht `nackt` präsentieren..
http://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/Olympia-Sportlerinnen-ziehen-sich-fuer-Playboy-aus-id20981911.html