prue.de
aus Wir machen uns unsere Sprache selber: Ein Feminar. Achtunddreißigste Lektion.
Eine Freundin schrieb mir, ob ich nicht Lust hätte, im Oktober zur Verleihung des 1. Feministischen Pornofilmpreises nach Berlin zu fahren. Hinzugefügt war ein Link zu "www.poryes.de". Über die Initiatorin von poryes (wie PorNo) teilte sie mit: “Laura Mérrit, kenne ich, ist ganz toll.”
Um die feministische Pornodebatte war es ja nach den 80er bis 90er Jahren wieder still geworden, wohl nicht zuletzt, weil eine der Hauptakteurinnen, Pat Califia, inzwischen ein Mann ist, sie heißt jetzt Patrick Califia.
Nun soll die alte Debatte also wiederbelebt werden. Brauchen wir feministische Pornos? Laura Mérrit wie Pat(rick) Califia verstehen darunter Pornos über einvernehmlichen Sex, in dem weibliche Lust im Mittelpunkt steht, Frauen als Produzentinnen und bei der Vermarktung kräftig beteiligt sind, statt des öden und stressigen Stoßverkehrs Sexualpraktiken aller Art gezeigt werden und Frauen aller Art auftreten, junge bis alte, schwarze bis weiße, dünne bis dicke, undsoweiter.
Klingt gut, aber brauchen tu ich sowas nicht. Vielleicht liegt das an meinem reifen Alter und reichlichen sexuellen Erfahrungen. Als ich noch jung und unerfahren war, fand ich pornografische Literatur manchmal anregend, aber schon bald fand ich meine eigene Phantasie interessanter und anregender als Fremdvorlagen.
Pornografie also für phantasiebehinderte und unerfahrene Menschen? Warum nicht? Allerdings besteht natürlich die Gefahr, dass die Vorstellungskraft durch Pornokonsum, auch feministischen, eingeschränkt wird und allmählich verkümmert. Dass also, ähnlich wie bei den Diäten, das angebliche Hilfsmittel den unerwünschten Zustand, den es zu bekämpfen vorgibt, erst herbeiführt oder verschlimmert. Und dass genau dadurch ein Teufelskreis entsteht, der für die Porno- oder Diätindustrie äußerst lukrativ ist, denn immer stärkere Mittel müssen her. Noch etwas: Mir würde jegliche Lust vergehen, wenn ich beim Sex gefilmt würde, und dementsprechend ist mir aus Empathie mit den DarstellerInnen auch das Zuschauen unangenehm bis widerlich.
Kurz und gut, ich bin eine bekennende Prüde. Vielleicht sollte ich auch eine Webseite - "www.prue.de" - für Gleichgesinnte einrichten, denen das aufdringliche sexuelle Überangebot unserer Kultur die empfindlichen Lustinstrumente verstimmt.
Übrigens hat das Wort prüde ganz zu Unrecht einen schlechten Ruf; es ist - wie Feministin oder emanzipierte Frau ("Emanze") - das Opfer einer der vielen männlichen Verleumdungskampagnen gegen aufmüpfige Frauen und gehört endlich rehabilitiert und wiederbeansprucht (“reclaimed”). Das Grimmsche Wörterbuch gibt an, prüde komme aus dem Französischen und bedeute “übertrieben sittsam, spröde, geziert”. Substantiviert sei es in Gebrauch als die Prüde, als Beleg bekommen wir “Madame ist eine alberne Prüde” von Kotzebue. D e r Prüde fehlt - prüde Männer gibt es offenbar nicht.
Und das hat auch seinen guten Grund, wie weiteres Nachforschen ans Licht bringt. Im Duden Herkunftswörterbuch heißt es:
Das Adjektiv wurde im 18. Jh. aus gleichbed. frz. prude entlehnt, das seinerseits zu frz. preux (afrz. prod) 'tüchtig, tapfer' gehört und sich vermutlich aus einer Fügung *prudefemme (afrz. prode femme) 'ehrbare Frau' herausgelöst hat (beachte entsprechend frz. prud'- homme 'Ehrenmann'.
Auch das englische proud "stolz" leitet sich aus jenem frz. prud ab, somit auch pride, wie in gay pride.
Wir haben uns ja schon immer gewundert, wo die Ehrenfrau, das fehlende Pendant zu Ehrenmann, abgeblieben ist. Endlich ist sie wiedergefunden - es ist jenes als “prüde” beschimpfte Ärgernis für den Lustmolch: die Prüde, vielleicht gar eine Prüde mit gay pride?
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48 Kommentare
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31.08.2009 um 09:41 Uhr papierschiff
natürlich ist das patriachat noch lange nicht überwunden. aber vieles brauch auch zeit. man muss sich nur den unterschied der jetzt lebenden generartionen anschauen… meine großeltern wurden damals mehrmals von ihren vätern, ihren lehrern verhauen, ich nur noch selten, bei meinen großeltern war es unvorstellbar, dass die frau selbst eine “hohe stelle” bekommt, meine schwester verdient mehr als alle anderen 3 geschwister… und zu dem punkt sexualität will ich gar nicht erst sprechen.. manche sachen müssen in der gesellschaft wohl auch erstmal ankommen bis es wieder einen schritt weiter geht…
“Wieso hat das recht auf jede art von ausbeutung einen hoeheren stellenwert als das recht auf menschenwuerde?”
wer hat denn ein recht auf ausbeutung? ich sehe das nicht. also wo hat man das in D? bei der pornografie?
ebenso ist die würde des menschen das oberste gebot unserer verfassung, nicht umsonst steht im 1. artikel, 1. absatz: “Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.”
und ich sehe nicht, wo pornografie automatisch menschenrechte bestimmter beteiligten außer kraft setzt, unabhängig davon ob mann oder frau erniedrigt wird. es nicht heisen soll, dass es nicht auch pornografie gibt, wo menschen zu bestimmten sachen gezwungen werden. das hat aber mit pornografie im allgemeinen nichts zu tun.
ich werde die nächsten tage mal schauen ob ich das buch irgendwo auftreiben kann, leider werden mir eventuelle erkenntnisse erst bei der nächsten pornografie-diskussion vorhanden sein.
liebe grüße,
das papierschiff
31.08.2009 um 08:31 Uhr Duerr
Die Diskussion hat nun ähnliche Züge, wie jene über Schusswaffen und/oder Krieg. Der saubere Krieg tötet ja auch vornehmlich nur Frauen und Kinder und ist deshalb nicht der Rede wert! Schusswaffen sind zur Selbstverteidigung, z.B. wenn die Frau den Mann verlassen will, (tot bleibt sie da) oder wenn in der Schule es nicht läuft, wie man will. Wieso sollen Männer also (und Frauen) keine Schusswaffen haben, Regierungen keine Bomben? Und da die Erniedrigung von Frauen eine Selbstverständlichkeit dieser Gesellschaften ist, gehört es auch zur Selbstverständlichkeit, dies immer weiter zu treiben. Das alles darf doch im Namen der Freiheit des EinzelneN nicht eingeschränkt werden. Schliesslich gelten die Menschenrechte ja auch nur für Männer…
Sorry, aber das ist wirklich zum K…
Duerr
31.08.2009 um 03:40 Uhr Anne
@ papierschiff
Leider laesst sich die z.t. frauenverachtende kultur des seit jahrtausenden vorherrschenden patriarchts nicht mit einem handschlag beseitigen. Die gehirnwaesche , mit der mann uns berieselt/e , funktioniert bestens. Seine werte wie ausbeutung sexuelle ausbeutung einhergehend mit gewalt und frauenverachtung (die frau als beute) vermittelt er uns deutlich i.d. kommerz. welt von PP und wird weiterhin angenommen und befolgt. Das sehr gut bis bestens florierende geschaeft mit der ware frau/weibl. mensch ist die triebfeder und wird uns als etwas normales /hygienisches verkauft . Wieso hat das recht auf jede art von ausbeutung einen hoeheren stellenwert als das recht auf menschenwuerde? Luise F. Pusch hat doch zum thema auf das buch von Sheila Jeffrey aufmerksam gemacht ‘The industrial vagina: the political economy of the global sex trade’ ob nun in friedens- oder krisen-kriegszeiten. Vielleicht faellt das verstaendnis fuer die anti-PP-bewegung beim durchlesen dieses buches leichter.
30.08.2009 um 22:46 Uhr Papierschiff
pornos sind erstmal per definition nicht erniedrigend, nicht gewaltätig. es mag sein, dass dass im rahmen der PorNO-kampagne pornografie so definiert wurde, richtiger macht es dass aber nicht. nehmen wir mal die PorNO-kampagne, die dann aber auch bücher/schriften mit derartig definitierten inhalten verbieten würde, ja selbst die freie und einvernehmliche erniedigung, egal durch wen, lehnt sie ab. was hat das noch mit freiheit der eigenen sexualität zu tun?
es gibt genügend pornografie (nicht nach der definition nach PorNO) ohne erniedrigung und ohne gewalt. und anscheinend gibt es auch genügend konsumenten sonst würde es diese form nicht geben.
@anne.. eben, es geht aber ja auch nicht um dich, genauso nicht um mich. ich brauche keine pornografie um spass beim sex zu haben, mir gibt ein großteil der am markt vorhanden pornografie auch nichts, könnte aber niemals auf andere schließen und anderen irgendwelche vorlieben “abzureden”...
und natürich kann man anprangern / kritisieren ob nun pornografie für eine bessere gesellschaft sorgt, ob die werte die damit vermittelt werden, vielleicht nicht die besten sind… aber deswegen muss man das doch nicht verbieten. und ehrlich gesagt, es ist nicht weit vom verbot von schriften die erniedrigend für einen partner sind, den verbot von sexuellen vorlieben (egal wie gerne ich diese teile) bis hin zum bikini-verbot oder ähnliches… natürlich, die zunehmende “sexualisierung” der letzten jahre hatte an vielen stellen auch negative auswirkungen. aber letzendlich hatte sie auch vorteile und wir sind im bezug sexualität heute deutlich weiter als wir es im mittelalter waren..
“Ein verzicht auf porNOgrafie und weitere sexuelle steigerungseffekte bedeutet doch nicht sexual- oder lustfeindlichkeit.”
natürlich nicht, aber eine “befürwortung” von pornografie bedeutet auch nicht, dass man für frauenverachtung ist.
natürlich sollten wir uns fragen, ob und in wiefern pornografie sinn oder eben keinen sinn macht, das schließt ja keiner aus. und gerade bei den kids benötigen wir da dringenden handlungsbedarf. aber der weg über verbot oder zensur ist -meiner meinung nach!!!- nicht der richtige.
liebe grüße,
das papierschiff
30.08.2009 um 21:11 Uhr Anne
Für spass am sex bräuchte ich keine porNos, wildfremde frauen oder männer, die sich - meistens innerlich unbeteiligt - am set abstrampeln müssen, zeigen mir ihre sog. künste, gaukeln mir falsche gefühle vor - dafür wird mir der voyeuristische blick auf ihre körper und geschlechtsorgane bis in alle einzelheiten etc.pp. gestattet?
`Da schaffe ich doch lieber selbst atmosphäre, vor allen dingen das wichtigste empfinde ich ist `Nähe`. Ansonsten ein fader beigeschmack.
Insofern hat sich etwas verändert - Erotik, erotische filme mit rahmenhandlung scheinen nicht mehr auszureichen - die steigerung bedeutet porNOgrafie in allen widerwärtigen schattierungen.
In zeiten von viagra und demnächst gibt`s auch die `lustpille` für die frau (die uns wissenschaftler aufdrängen wollen, damit auch frau allzeit bereit ist bzw. sich keine pausen leisten darf?) werden wir doch i.d. medien, filmbranche, internet, swinger-clubs, porNOfilme etc.pp überhäuft mit sexuellen darstellungen jeder art. Hier wird fräude am sex mit fremden personen zuhauf angeboten, die jedeR nutzen kann, d.h. seine sexualität ausleben kann.
Wir werden in den medien überschüttet mit gewaltszenen und gewaltakten gegen frauen. (vergewaltigungen usw.) Es gibt fast keine krimis mehr, ohne dass gewalt gegen frauen zelebriert wird.
Auch darauf lege ich z.b. keinen wert !
Ein verzicht auf porNOgrafie und weitere sexuelle steigerungseffekte bedeutet doch nicht sexual- oder lustfeindlichkeit.
“...weil sex potentiell etwas GEGEN mich ist ....”
Wer behauptet denn dergleichen??
Ermüdend auf dieses thema weiter einzugehen bei den vielen eingestellten kommentaren und erklärungsversuchen.
Wir sollten uns auch einmal gedanken darüber machen, zu welcher inneren leere und lieblosigkeit die steigerungseffekte von porNOgrafie führen können. Das ist hier schon ausgiebig erläutert worden.
Die `masturbationsgesellschaft` (kolle) , in der wir uns befinden, lässt es nicht zu, sich von dieser zu verabschieden?
Sexualität wird zu einem leistungssport und leistungsdruck - wer da nicht mithält, so wird suggeriert, muss auf ersatzdrogen zurückgreifen, wie viagra, lustpille und porNOgrafie in allen variationen ..
Vor allen dingen zeigt die kommerz. porNOkultur in ihren standards eine verkehrte gefühlswelt - Kinder lernen durch die verfügbarkeit des internets und die diversen porNOseiten, was gang bangs bedeutet, wie diverse sexualpraktiken aussehen können, frauenverachtende sprache. Nur zärtlichkeit, nähe und liebe können porNOs in dieser übersättigten und gefühllosen gesellschaft nicht vermitteln.
llg Anne prue
30.08.2009 um 21:07 Uhr Duerr
@ kleine Göttin: Pornos sind - wie hier schon ausgeführt - per definitionem erniedrigend und fast ausschliesslich gewalttätig. Anders formuliert: Ein Aktbild ist dann nicht pornografisch, wenn es die obigen Kriterien nicht erfüllt und nur der Darstellung menschlicher Körper dient. DAS ist der Punkt! Sexualität wertfrei darzustellen, turnt die Kerle eben nicht an und damit ist dann auch kaum ein Geschäft zu machen. Mit der Prostitution ist es das Gleiche.
Und noch etwas: Du scheinst zu vergessen, dass MÄNNER unsere “Werte” definieren, weil sie die Definitions-, die ökonomische und gesellschaftliche Macht haben. Wer das nicht (ein-)sehen will, lügt sich selber in die Tasche.
Duerr
30.08.2009 um 19:41 Uhr KleineGoettin
“Solange es Männer und Frauen gibt, die Pornografie verteidigen - egal mit welchen fadenscheinigen Argumenten - solange wird eine Geschwisterlichkeit unter Menschen nicht möglich, weil es immer Männer “oben” und Frauen “unten” geben wird.”
Sorry, das versteh ich nicht. Warum muessen die Frauen automatisch “unten” sein? Es geht doch gerade darum, dass es auch Pornos geben kann die nicht gewaltverherrlichend und frauen- bzw. maennerfeindlich sind, oder? Warum ist etwas, das die menschliche Sexualitaet verherrlicht gleich gewaltverrlichend? Oder versteh ich da was falsch? Es steht ausser Frage, dass die meisten Pornos heute gewaltverherrlichende Inhalte HABEN, aber eben doch nicht alle. Darf ich, nur weil ich eine Frau bin, etwa keinen Spass am Sex haben? Weil ja Sex potentiel etwas GEGEN mich ist und ich mich in meiner schwachen Opferrolle ja auch nicht wehren kann?
Verwirrt,
die KleineGoettin
30.08.2009 um 18:11 Uhr Duerr
@Gudrun: Pronografie ist der Killer freier und lustvoller Sexualität, und deshalb ist sie abzulehnen, in jeder Form. Denn freie Sexualität ist geht von beidseitiger Frei-Willigkeit aus, Freiwilligkeit setzt gegenseitigen Respekt und Achtung voraus, woraus dann die von patriarchalen Religionen verteufelte Lust entsteht. Denn das hat die Priesterschaft früh erkannt, dass freudvoll gelebte Sexualität Menschen frei, fröhlich und empathisch macht und damit nur schwer manipulierbar. Sie taugen nur schlecht als verdummtes Sklavenmaterial…
So kommt es, dass Männer vor autonomen Frauen panische Angst haben , weil sie eben keine Männer, sondern Bubis sind mit den üblichen patriarchalen Omnipotenzansprüchen an sich selbst, die sie nie erfüllen können und somit Erwachsenheit nicht ertragen. Frauen, welche vor freier und lustvoller Sexualität Angst haben, haben die Gehirnwäsche (=Erziehung) noch nicht revidiert, bzw. haben noch nicht einmal gemerkt, wie diese sie verbiegt. (Aber das ist eine jahrtausende alte Geschichte…)
Sarkasmus bei einem derart traurigen Thema ist wirklich verfehlt und kann nur aus einem absoluten Unverständnis dessen, was hier zur Diskussion steht, erklärt werden.
lg Duerr