Wenn der Partner stirbt: Gedanken zum Totensonntag
Was hat das Altenheim mit dem Totensonntag zu tun? Nicht, was viele jetzt vielleicht denken.
Nein, wie üblich geht es mir nur um sprachliche Besonderheiten und Gemeinsamkeiten: Totensonntag und Altenheim sind geschlechtsneutrale Ausdrücke. Anders als etwa im Seniorenstift und mit dem Seniorenteller werden nicht wie üblich die Frauen übersehen oder ungemütlich hinzugequetscht (Seniorinnen- und Seniorenstift).
Also liebe Frauen: Besser ins Altenheim als ins Seniorenstift, ist schon sprachlich schicker. Noch schicker ist natürlich “Aging in Place”, was besser nicht mit “auf der Stelle altern” übersetzt wird, sondern eher mit “zu Hause alt werden”.
Für das nächtliche Fernsehprogramm nach dem Totensonntag wird im WDR eine Sendung aus der Reihe “hier und heute” angekündigt mit dem Titel “Plötzlich ohne sie - Weiterleben wenn der Partner stirbt”. In den Erläuterungen des Senders erfahren wir, dass der Film von einem trauernden Witwer handelt und von einer Frau gedreht wurde:
Siegrid, das war Wolfgang Wenzels große Liebe. Sie war seine zweite Frau. Manchmal denkt er … daran, ob es jemanden gäbe, der diese unendliche Leere wieder füllen kann und wagt einen Blick ins Internet, denn als seine Frau ihre Diagnose erfahren hatte und wusste, dass sie sterben würde, hat sie immer wieder zu ihm gesagt: 'Wolfgang, bleib nicht lang allein.' hier und heute-Reporterin Tanja Reinhard hat den Witwer in dieser schweren Zeit über zehn Monate begleitet und traurige, schmerzhafte, aber auch Momente der Lebenslust und Freiheit erlebt. (Senderinfo).
Warum Siegrid im Titel der Sendung “der Partner” genannt wird, weiß niemand. Vielleicht haben die leitenden Herren des Senders das so verfügt. Vielleicht hat die Regisseurin in vorauseilendem Gehorsam und weil unsere Männersprache klares Denken erschwert, sich den seltsamen Titel selbst ausgedacht.
Vielleicht ist “Weiterleben, wenn der Partner stirbt” der Titel einer Serie, die notgedrungen überwiegend von Frauen handelt, weil Frauen länger leben und daher der Verlust des Partners häufiger ist als der Verlust der Partnerin. Da das aber wiederum so alltäglich ist und die meisten Frauen mit dem Verlust auch tapfer zurechtkommen (Stichwort” Momente der Lebenslust und der Freiheit”, wobei zu vermuten ist, dass das bei Frauen mehr als nur Momente sind …), ist ein trauernder Mann schon eher gut für eine aufwühlende, bewegende Story.
So könnten wir lange grübeln über die Gründe eines verpatzten Titels. Immerhin hat er uns wieder darauf aufmerksam gemacht, dass wir nicht der Rede wert sind. Der Witwer hat seinen Partner verloren. Oder seine Partnerin? Ist eh egal. Hin ist hin.
Und jetzt sucht er jemanden, der diese Leere wieder füllen kann. Na, da kann er lange suchen, denn in seinem Alter sind mögliche Partner rar. Eher könnte es klappen mit einer Partnerin. Aber wirklich selig sind erst die Toten, denn sie kennen kein Geschlecht.
In diesem Sinne: Noch einen fröhlichen Totensonntag!
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6 Kommentare
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12.12.2010 um 12:06 Uhr Anne
kürzlich las ich bei welt-online ein interview mit unserer kanzlerin und stolperte über die überschrift `ich bin jemand, der austestet, was er kann` (a. merkel).
bedeutung von jeMANd `eine oder mehrere person(en)` - sind frauen keine personen, anonym, das männliche auch i.d. anonymität die norm? schade, dass frau merkel hier mit einer männlichen person personifiziert wird `ich bin eine , die austestet, was sie kann` hätte mich dagegen sehr erfreut.
so werden weiterhin die sprachlichen stolpersteine leider auch von persönlichkeiten verbreitet, die im gegenstück zu jemand sich als niemand betrachten sollen?
frau ist begeistert, dass du, liebe luise, dir auch das wörtchen `man` schon früh feministisch auf`s korn genommen und damit einen sturm der entrüstung, insb. unter den betroffenen :-), ausgelöst hast - ich glaube, das wort `jemannd` streiche ich nun aus meinem vokabular - llg anne
23.11.2010 um 19:54 Uhr sabine
“Nicht der Rede wert” sind auch dem ZEIT-Schreiber Adam Soboczynski die Frauen (9.9.2010, S. 45)- oder er kennt/sieht eben nur Männer mit Hintergrund:“Der Einwanderer aber ist uns längst allzu vertraut. Im Kiosk verkauft er uns die Zeitung, er renoviet schwarz unsere Wohnung, putzt unser Büro, er sitzt im Bundestag, schießt Tore für die deutsche Nationalmannschaft.” Ach.
Einige Zeilen weiter spricht er dann vom Kopftuch, ohne bis dahin Frauen erwähnt zu haben. Ist mir da was entgangen? Nationalspieler und Bundestagsabgeordnete mit Kopftuch? Ich besitze schließlich keinen Fernseher….
23.11.2010 um 02:28 Uhr Angelika
“schrecken, sprachlosigkeit ... ohwietot”
oje/oja werte Luise, Sie haben es (für mich) mal wieder gut beobachtet und in worte gefasst.
hm, beobachtet finde ich eine grosse diskrepanz (=androzentrisch-heteronormativ=more of the same).
ich sehe menschen so, wie so sein wollen ?
darf ich ? seit 3 jahren lebe ich in unmittelbarer nachbarchschaft zu “einer witwe”, die furchtbar seit x-jahren um ihren verstorbenen ehemann trauert (=ihre worte).
für mich eine optisch/äusserlich sehr attraktive frau, ca. mitte 60. und seit 3 jahren “jammert” sie, wie sehr sie ihren verstorbenen mann vermisst. ich habe meine unkomplizierte mitmenschlichkeit angeboten. nachdem es ihrerseits keine rückmeldung gab, habe ich “es” eingestellt.
“Aber wirklich selig sind erst die Toten, denn sie kennen kein Geschlecht.”
ach, ich muss noch nen testament machen und ansonsten guck ich mal. ;-)
ich fühle mich befreit weil ” i define my sex, gender & body. you define yours.” (http://sexgenderbody.com)
21.11.2010 um 23:00 Uhr Bridge
die geschilderte fernsehsendung ist insofern typisch: ein übrig gebliebener mann findet die aufmerksamkeit und zuwendung einer frau/filmemacherin. Sie begleitet ihn 10monate lang, macht sein leiden öffentlich. Immer wieder habe ich das, besonders in der provinz, erlebt, dass ein frischer witwer von den frauen seiner umgebung als “armer mann” hingestellt wird, weshalb sie sich um ihn kümmern, ihm essen bringen, ihn umsorgen usw. Das ist nicht, wie man glauben möchte, weil es wieder einen frei flottierenden mann gibt auf dem heiratsmarkt, um den es zu rivalisieren gilt, das wäre zu einfach gedacht. Vielmehr geht ein mann, der seine partnerin verloren hat, seiner bezähmung verlustig, er verwildert wieder. Er wird zu einer art ungetüm, wie er eines war, ehe er durch eine frau bezähmt wurde. So ein ungezügelter witwer stellt eine gefahr für das gemeinwesen dar, und nicht, wie getan wird, “ein loses weib”.
Eine eben verwitwete frau hingegen, sogar mit kindern, wird sofort zur “tapferen frau”, sie bekommt kein essen von niemand, sie wird zwar kurz bemitleidet, dann aber schnell, wie man es von ihr erwartet, zur heldin. Ein unbemanntes weib ist nur insofern - und zwar für beweibte mannsbilder - eine gefahr, weil deren partnerinnen sie insgeheim beneiden und es ihr gleich tun könnten.
Eine witwe hingegen hat es durchgemacht, ok., sie wird sich das hingezogenwerden zum nächsten nicht so schnell wieder antun. da klingt etwas an wie schadenfreude, aber durchaus auch wertschätzung: eine witwe ist sicher nicht arm, sie hat es überstanden! In der sozialarbeit mit jungen menschen gibt es minus- und pluspunkte im case-work: Wenn ein junger mann eine freundin findet, hat sich seine situation erheblich gebessert, es heißt, er hat sich gefangen. Bei einer jungen frau hingegen ist die bindung mit einem typen kein gewinn, sehr oft sogar zu ihrem nachteil, weshalb sozialarbeit versucht, sie wieder selbständig zu machen, um sie zu stabilisieren. Das ist sicher grob formuliert, entspricht aber meiner wahrnehmung im hrrschenden patriarchat.
21.11.2010 um 19:50 Uhr Dürr
Danke, liebe Luise! Es ist wirklich interessant, wie die Frauen konsequent verschwiegen werden. Die Partnerin wird ja sowieso vor allem deshalb vermisst, weil da keineR mehr ist, der die Unterhosen und Socken wäscht, pünktlich das Essen auf den Tisch stellt, putzt und Ordnung hält. Die echte Sympathiebasis bleibe ausdrücklich unterstellt. (Hoffentlich auch bei DEM Service!!) Im Uebrigen haben Männer grundsätzlich recht, vom PartneR zu reden, denn die sprichwörtliche lustige Witwe deutet nicht unbedingt auf hohe männliche Sozialkompetenz in der Zweierbeziehung mit einer Frau. Männer unter sich - das ist etwas ganz anderes. Was mich dann aber immer wieder erstaunt ist, dass die Männer, deren Frau gestorben ist, regelmässig von den ach so hoch geschätzten Kumpels schmählich im Stich gelassen werden. Da kommt kein Trost, kein Besuch, keine Einladung… und am Biertisch redet mann von allem, nur nicht vom Tod der Frau.
Da ist viel Hilflosigkeit, aber auch Geringschätzung, im Spiel. Und so sucht Männeken eben wieder eine Haushälterin, die den Kram ohne Lohn und für Teufels Dank macht.
Sie sind einfach lernunfähig, diejenigen dieser Sorte.
lg Dürr
21.11.2010 um 19:28 Uhr EVelyn
Hier meine Gedanken zum Totensonntag:
Sterben und Tod sind in unserer Gesellschaft immer noch vielfach mit Schrecken und Sprachlosigkeit verbunden. Wenn dem auch die Hospizbewegung entgegenwirkt, so ist die große Empathiefähigkeit, die wir Kranken und Sterbenden gegenüber gern erbringen möchten, noch nicht überall verwirklicht: Und das verwundert niemanden, ist die Begegnung doch von Ängsten vor Sterben und Tod getrübt. Worin liegt die Empathie für Sterbende? Im Verständnis für ihr Ruhebedürfnis, ihr Raumbedürfnis, für ihre Konzentration nach Innen, ihren Klärungswunsch bei noch nicht gelösten Konflikten und ihre Sehnsucht nach den Gesten des Vergebens und sich erfüllender Nähe. Angehörige finden in Mutter Teresa ein Vorbild, um Kranken und Sterbenden die Erfahrung von Würde zu geben – Ausdruck eines Großen-Ganzen, das über das eigene Leben und den Tod hinausweist. Wer in Einklang mit sich selbst ist, wird als Angehörige oder Angehöriger diesen Weg schmerzfrei und leicht, eben empathisch begleitend beschreiten.
Und hier schließt sich der Kreis der Lebenszyklen. Um Würde und Respekt bis zum letzten Atemzug zu verwirklichen, sind Sterbende auf die höchste Form der Empathie angewiesen, die Liebe. Nur so können sie sich selbst Liebe schenken und in Frieden die Schwelle zwischen Leben und Tod überschreiten.
Und was die Partnerinnen oder die Partner betrifft, so ist einmal klar festzuhalten: Frauen finden im Alter praktisch keinen männlichen Partner mehr, weil sie mit in ihrer Entwicklung defizitären, dahinwelkenden Wesen zu tun haben. Meistens brauchen diese nur eine Pflegeperson und dies beginnt schon “früh”. Männer finden eher nochmals ein umsorgendes Mütterchen. Meine Beobachtungen habe ich von Interviews mit älteren Frauen, die sich nochmals auf die PartnER-Suche begeben haben. Was Sie erlebten? Unerfreuliches. Viele hören dann mit der Suche auf und widmen sich ihren Hobbies und Frauenfreundschaften.