Empfehlungen Susanne Schmidt - Markt ohne Moral: Das Versagen der internationalen Finanzelite
Susanne Schmidt - Markt ohne Moral: Das Versagen der internationalen Finanzelite
„Markt ohne Moral: Das Versagen der internationalen Finanzelite“ von Susanne Schmidt
Männliche Eliten im Rausch des Profits
Zeitgeschichte als Krimi - fesselnd wie eine gute kriminalistische Ermittlung und leicht zu verarbeiten wie ein anregendes Gespräch auf der Couch mit einem Glas Wein in der Hand: Das ist Susanne Schmidts „Markt ohne Moral. Das Versagen der internationalen Finanzelite“.
Die Kreise, die uns die Autorin – Tochter des Ex-Bundeskanzlers und der berühmten Loki Schmidt – vorstellt, kennt sie aus nächster Nähe. Sie hat 30 Jahre in der Finanzwelt der Londoner City gearbeitet und schöpft hier aus ihren unmittelbaren Beobachtungen und Erfahrungen. In hautnahem Erleben nahm sie die unterschiedlichsten Blickwinkel ein: als Bankerin der Deutschen Bank und anderer Geldinstitute sowie als Journalistin für den Wirtschaftssender Bloomberg. Zeit genug, um das Finanzmilieu genau unter die Lupe zu nehmen. Was für die City gilt, gilt ebenso für nahezu alle Finanzplätze der Welt: eine hartgesottene Gruppe junger männlicher Finanzjongleure mit Elitebewusstsein kennt nur eine Moral – das ist die Kampf-Moral um den höchsten Profit. Das einzige Ziel, das ihnen dabei vor Augen steht, heißt Rendite. Denn das treibt die Boni in die Höhe. Risikosucht und das Brennen darauf, der ausgekochteste Fuchs zu sein, treibt das Spiel mit dem fremden Geld beständig an. Wir erleben einen tiefen Blick in ein menschliches „Haifischbecken“.
Wer Susanne Schmidt derzeit in den Talk-Shows hört, wundert sich vielleicht, warum sie immer von der Amoralität der Banker spricht. „Markt ohne Moral“ gibt Aufschluss. Eine ethische Reflexionsebene gibt es in der Welt der Finanzjunkies nicht. Diese Mentalität der Jungmänner, gepaart mit einem ausgeprägten Egoismus, der nicht einmal Loyalität gegenüber dem eigenen Arbeitgeber kennt (denn der lässt sich ja mit einer Nach-mir-die-Sintflut-Haltung alle paar Jahre wechseln), trieb spätesten seit den 80er Jahren das Finanzroulette vor allem im angelsächsischen Raum an. Dessen Kollabieren haben wir jüngst in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise erlebt und noch immer auszustehen, indem fortlaufend Staaten, Unternehmen und Einzelpersonen in die Schuldenkrise schlittern.
Susanne Schmidt geht den Ursachen nach. Faszinierend ist das schillernde Mosaik, das uns die Autorin aufzeigt, sozusagen „das ganze Bild“: Die Mosaiksteinchen stehen für die verschiedenen Akteure der Finanzwelt, vom einzelnen Händler über die Aufsichtsbehörden bis hin zur großen Politik. Die Täuschungen, die es über lange Jahre gegenüber uns „Normalmenschen“ gab, auf die die Geldspieler mit gnadenloser Verachtung blicken, waren gigantisch.
Schmidts kritischer Blick zeigt, warum niemand dem gefährlichen Tanz ums Goldene Kalb Einhalt gebot: Die Aufsichtsbehörden waren, und sind es vielleicht bis heute, in ihrer Kontrollfunktion stets unterlegen. Mehr noch: Teilweise haben sie bei der Brand-Beschleunigung sogar noch mitgewirkt wie die amerikanische Notenbank Fed unter Alan Greenspan mit ihrer Politik des „billigen Geldes“ – gestützt durch die Haltung „Wenn es dem Markt dient!“
Susanne Schmidt hat der Politik und uns einfachen MarktteilnehmerInnen viel zu sagen über notwendige Schlussfolgerungen aus den Krisen und dringenden Handlungsbedarf. Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat sich öffentlich zu ihrer Pionierarbeit bekannt. Wir sind gespannt, wie sich die Politik des Westens nun im großen Zwang zur Regulierung der Finanzmärkte verhalten wird.
Zusammenfassend: Das Buch ist durchaus ein kurzweiliges, aber sehr informatives Lehrbuch in Form einer großen Erzählung. Alles, was uns an Fachchinesisch in der öffentlichen Diskussion begegnet, wird erklärt und immer wieder aufgegriffen, so dass sich „Markt ohne Moral“ in einem Zug durchlesen lässt. Einzelne, in sich abgeschlossene Kapitel laden aber auch zum Schmökern mit Pausen ein. Bei einem weitergehenden Informationsbedürfnis hilft ein Glossar am Ende des Buches.
Die Thematik dieser brandaktuellen Lektüre kommt soeben glamourös in die Kinos – hochemotional durch Hollywood, eisig-unterkühlt durch den deutschen Film. Und die Nummer Eins der Wirtschaftsmedien in Deutschland, das „Handelsblatt“, titelt in großen Lettern mit Blick auf das erfolgreichere China – Ironie der Geschichte – „Vorbild Planwirtschaft“ („Handelsblatt, 14.05.2010).
Wer verstehen und mitreden möchte und sich vom Fachjargon der Medien nicht mehr abschrecken lassen will, die wird trotz Entsetzen und Empörung über weltpolitisch gefährliche Gruppenmentalitäten Susanne Schmidts mutiges Buch mit Vergnügen lesen. Es ist nicht nur dabei, ein Bestseller zu werden, es wird eine Klassikerin der verständlichen Wirtschaftsliteratur.
Evelyn Thriene
Droemer Sachbuch, EUR (D) 19,95 ISBN 3-426-27541-4 ISBN 978-3-426-27541-2
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