Fembio Specials Berühmte Italienerinnen Rosalba Carriera
Fembio Special: Berühmte Italienerinnen
Rosalba Carriera
geboren am 7. Oktober 1675 in Venedig
gestorben am 15. April 1757 in Venedig
italienische Malerin
265. Todestag am15. April 2022
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Könige, Fürsten und unzählige Angehörige der europäischen Aristokratie, die auf ihrer »Grand Tour« selbstverständlich Venedig besuchten, versäumten es nicht, Rosalba Carriera in ihrem Atelier aufzusuchen, sich von ihr porträtieren zu lassen, einige ihrer Gemälde zu kaufen oder später bei ihr zu bestellen. Die größte Sammlung besaß zweifelsohne August III von Sachsen und Polen, der am Ende seines Lebens in Dresden mehr als 150 ihrer Pastelle im »Rosalba Saal« versammelte. Kein Wunder, hatte er doch allein bei seinem Aufenthalt 1739 die gesamte Produktion im Atelier aufgekauft. Die Nachfrage war zu einigen Zeiten so groß, daß Rosalba neben ihrer jüngsten Schwester Giovanna mehrere junge Malerinnen beschäftigte.
Carriera hatte die Technik der Pastellmalerei auf eine Art weiterentwickelt und zur Blüte gebracht, die eine ganz neue Darstellungsweise im Porträtieren bot und ganz dem Zeitgeschmack der Rokoko-Gesellschaft entsprach. Die Menschen bewunderten Carrieras Meisterschaft in der Wiedergabe der schimmernden, spitzen- und rüschenbesetzten Gewänder, des funkelnden Schmuckes, der Blumen im Haar – ihre Bilder drückten allen Charme und Eleganz dieser verspielten, koketten Epoche aus. Und doch schmeicheln die Bildnisse Rosalbas (bei aller Rücksichtnahme auf die Auftraggeber) nicht ausschließlich den Porträtierten; schon ab 1710 und besonders in den späteren Pastelle erfaßt sie durchaus realistisch die Physiognomie, sogar die Seelenlage der Dargestellten.
Gleichermaßen beliebt sind ihre Allegorien, z. B. Zyklen der Jahreszeiten oder der Elemente, oder eine »Schönheitsgalerie« von Venezianerinnen, als Erinnerung an einen gelungenen Aufenthalt in der Stadt. Carrieras Vorbild vermittelte späteren berühmten MalerInnen, z. B. Georges de La Tour, entscheidende Impulse, besonders die französische Pastellmalerei des 18. Jahrhunderts wäre ohne sie nicht denkbar.
Rosalba Carriera und ihre beiden jüngeren Schwestern Angela und Giovanna entstammten einer musischen Familie: der Vater, Sohn eines Malers, verdiente den (nicht üppigen) Unterhalt als Kanzleischreiber, betätigte sich jedoch in seiner Freizeit als Maler; die Mutter stellte die berühmten venezianischen Spitzen her – nicht nur als Zubrot, sondern aus echter Leidenschaft, wie aus einem Brief Giovannas hervorgeht. Die Mädchen lernen Latein und Französisch, sind musikalisch gebildet, von hoher Intelligenz. Früh beginnt Rosalba, für die Mutter Stickmuster zu entwerfen und übernimmt es auch, die jüngeren Schwestern zu unterrichten. Alle drei sind im Umgang mit dem Pinsel begabt. Als bei den ausländischen Gästen anstelle der Spitzen Tabaksdosen in Mode kommen, bemalt Carriera miniaturartig die Innendeckel, wobei sie bewußt das Elfenbeinmaterial in ihre Komposition miteinbezieht. 1705 hat sie es schon zu solcher Meisterschaft gebracht, daß sie durch die Vermittlung eines befreundeten englischen Malers mit einer Miniatur einstimmig in die römische Accademia di San Lucca aufgenommen wird.
In diese Zeit fallen auch ihre ersten Erfolge als Pastellmalerin. Nach dem Tod des Vaters 1719 nimmt Carriera zusammen mit der ganzen Familie die Einladung des französischen Bankiers und Kunstliebhabers Pierre Crozat an, der ihr eine Zimmerflucht in seinem Stadtpalais zur Verfügung stellt. Die Reise wird ein ungeheurer Erfolg – ganz Paris steht Schlange, um von ihr gemalt zu werden, einschließlich der Mitglieder des Königshauses. Sie trifft mit KünstlerInnen zusammen, es kommt zu einem regen Austausch, u. a. mit Watteau. Ein Jahr bleibt sie in Paris. Weitere Reisen führen sie an den Hof von Modena und 1730 für mehrere Monate nach Wien zu Kaiser Karl VI.
Rosalba Carriera selber entsprach in keiner Weise dem Schönheitsideal ihrer Zeit, was sich auch in ihren Selbstporträts erkennen läßt: selbstbewußt, fast kritisch schauen wache Augen den Betrachter an und schonungslos zeigt sie in späten Werken ihr Alter. Es fehlte ihr »trotzdem« nicht an Bewerbern, nachweislich hat sie mehrere Heiratsanträge abgelehnt. Nicht zu Unrecht hegte sie die Befürchtung, daß eine Bindung, gar Mutterpflichten, ihre Arbeit und Selbständigkeit stark beeinträchtigen würden. 1737, Rosalba ist 62 Jahre alt, verliert sie ihre geliebte Schwester Giovanna, ein Jahr später stirbt die Mutter.
Carriera ist so verzweifelt, daß sie nicht mehr arbeiten kann und erst mühsam überredet werden muß, wieder Aufträge anzunehmen. Ein Augenleiden macht sich zudem immer mehr bemerkbar; das Malen wird immer beschwerlicher. Trotz einiger schmerzhafter Augenoperationen erblindet die Malerin 1746. Umsorgt von der einzig überlebenden Schwester Angela lebt Carriera noch 11 Jahre – nicht dem Wahnsinn verfallen, wie vielfach behauptet wird, sondern nach eigenen Worten in »dunkelster schwärzester Nacht«.
Verfasserin: Adriane von Hoop
Literatur & Quellen
Jary, Micaela. 2005. Die Pastellkönigin. Historischer Roman. München. Droemer.
Malamani, V. 1910. Rosalba Carriera. Bergamo.
Rosalba Carriera: Lettere, diari, frammenti. Hg. Bernardina Sani. Florenz. Olschki. 1985.
Sani, Bernardina. 1988. Rosalba Carriera. Turin. Allemandi.
Scarpa, Annalisa. 1997. Omaggio a Rosalba Carriera: Miniature e pastelli nelle collezioni private. Venezia. Edizioni ProVenice international.
Torti, Luigia. 1977. Rosalba Carriera. Pavia. Aurora.
Turner, Jane. Hg. 1996. The Dictionary of Art. London. Macmillan.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.