Die Oblate und der Oblate
Noch fast drei Monate sind es bis Weihnachten, doch in den Supermärkten sind die Regale schon voll mit Dominosteinen, Marzipankartoffeln und Nürnburger Lebkuchen (die leckeren mit den Oblaten untendrunter). An die musste ich heute denken, als in einer Sendung über Benedikt von Nursia eine Frau von ihrem Leben als “Benediktiner-Oblatin” erzählte. Sie sei verheiratet und habe fünf Kinder, lebe aber nach der Ordensregel des heiligen Benedikt. Gerne wäre sie ins Koster gegangen, aber sie wäre ja nun mal verheiratet. Lachend fügte sie hinzu, irgendjemand hätte mal zu ihr gesagt: "Wenn Sie in einen besonders strengen Orden eintreten wollen, müssen Sie heiraten."
Wohl wahr. Ob Kloster oder Ehe, die Regeln wurden von Männern aufgestellt.
Das Wort "Oblatin" machte mich neugierig. Ich kannte bis dahin nur “die Oblate” von den Lebkuchen und als jenes geschmackfreie Gebäck, das der Priester oder die Pfarrerin den Gläubigen beim Abendmahl auf die Zunge legt.
Nach katholischem und lutherischem Glauben verwandelt sich die Oblate durch das Sakrament in den Leib Christi, nach protestantisch-reformiertem Glauben symbolisiert sie den Leib Christi bloß. Wie auch immer, das Gebäck ist nicht ohne und löst bis heute heftigste Kirchenkrisen aus.
Da kann also eine schlichte Oblate, ein Gebäck, noch dazu ein feminines, sich in den Leib Christi verwandeln. Aber eine Frau kann nicht “Stellvertreter Christi” sein, das können nach katholischer Auffassung nur Männer. Offenbar ist dieses Denken vom Wurm angefressen, und was der Wurm symbolisiert, wissen wir ja.
Um mehr über die Oblatin herauszufinden, recherchierte ich im Internet und fand neben “die Oblate” (Gebäck) noch “der Oblate” und “die Oblatin”:
Benediktineroblaten gehen diesen Weg der Nachfolge in bewusster Bindung an ein Benediktinerkloster und lassen sich dabei von der Benediktregel führen und prägen. Hier mehr
Lassen wir die Oblaten der Benediktregel folgen und kümmern uns um die Frage, weshalb das Gebäck "die Oblate" heißt, die Light-BenediktinerInnen hingegen “der Oblate” und “die Oblatin”.
Alle drei - "die Oblate", "der Oblate" und "die Oblatin" - kommen von derselben Wurzel, dem lateinischen “offerre” darbieten, offerieren (offerre, obtuli, oblatum - so die Formen des unregelmäßigen Verbs).
Quelle des Wortes “die Oblate” ist "oblata (hostia)" als Opfer dargebrachtes Abendmahlsbrot. Die Benediktineroblatinnen und -oblaten bringen quasi sich selbst als Opfer dar.
Die Nähe der menschlichen Oblaten zu den Gebäck-Oblaten kommt vor allem in dem -e am Ende zum Ausdruck. Denn ein "Prälat" z.B. denkt nicht daran, sich "Prälate" zu nennen. Und eine Prälatin ist erst recht nicht in Sicht.
Am besten stellen wir unsere eigenen Regeln auf: Wie wär’s mit diesen:
Mag sich die Oblate dem Lebkuchen unterordnen. Ansonsten aber gilt: Lieber Salate als Oblate. Und das Wort “Oblatin” wollen wir mal überhört haben.
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3 Kommentare
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04.10.2010 um 12:40 Uhr Dürr
Danke, liebe Luise, für diese OblatInnen…
Ich staune immer wieder, wie Menschen - selbst die aufgeklärtesten - noch über die dogmatisierten Lügen des gesamten christlichen Ideologiegebäudes stolpern: Die kath. Kirche wird zwar heftigst angegriffen, aber nur bis zu bestimmten Teilen dieser mafiosen Institution. Dass Jesus keine historische Figur ist, wird völlig übersehen. Er wurde dies erst, als die winzige Sekte ihn am Konzil von Nikäa per Abstimmung mit relativ schlechtem Resultat zum Sohn Gottes erhoben hat. Der systematische Femizid und vor allem die Ausrottung, bzw. der Ausrottungsversuch jeglicher Hinweise auf die Grossen Muttergöttinnen südlich und nördlich der Alpen müsste eigentlich ALLE Frauen dazu bringen, sich in keiner Weise mehr an dieser Firma zu beteiligen, schon gar nicht als Priesterinnen oder ähnlichem. Frau sollte sich einmal wirklich ehrlich und mit gesundem Menschenverstand die durch die kath. und/oder anderen christlichen Firmen propagierten Gottesbegriff anschauen. Frau käme auf niederschmetternde Resultate, bzw. würde sich kringeln vor Lachen. Das Gottesbild ist ebenso lächerlilch wie schurkisch und ein sehr getreues Abbild der Kirchen-Männer: Verlogen, feige, intrigant, macht- und geldgierig, geltungssüchtig, bubihaft, mörderisch, sadistisch, verbrecherisch und voller Gebärneid = Frauenhass. Und da wollen Frauen auch noch in führenden Positionen mitwirken??!! Die Notwendigkeit, Menschenrechte überhaupt erklären zu müssen, ist doch die öffentliche und offizielle Bankrotterklärung aller patriarchalen Religionen!
Frauen, die noch Kirchensteuer bezahlen, anstatt diese selber unter die Bedürftigen zu bringen, sind selber schuld. Auch als Oblatin…
lg Dürr
03.10.2010 um 00:56 Uhr Anne
...ja, ja die wege unserer herrin sind unergründlich…
große kirchenmänner können irren. “Benedict und die ganze Benedict-legende soll ein implantat im kollektiven gedächtnis sein.” sogar priester , heisst es, seien stellvertreter christi. natürlich dürfen in diesem kath. männerbündnis frauen keine stellvertreterinnen sein, eher in demut lebenslänglich gehorsame und somit für die herrenkultur gefahrlose bräute ...
lecker sind auf jedenfall all die karlsbader oblaten, die ich mir ganzjährig je nach appetit peu à peu genüsslich einverleibe und oblaten verziert mit lebkuchen sind ein prima abführmittel, falls es mal mit der verdauung nicht so recht klappt :-(
liebe Luise, danke für deine aufklärung - ich wusste bis dato so gar nichts über `fleischgewordene` oblatInnen ..
http://www.zeit.de/2010/16/GES-Interview
deswegen sind auch alle götter männlich :
“alle bedeutenden weltreligionen sind patriarchalisch. sie wurden gegründet, um die vorherrschaft der männer zu verbreiten und zu festigen - deswegen sind auch alle götter männlich.” (Marilyn French, amerik. schriftstellerin)
“die forderung der frau nach gleichberechtigung in der kirche ist in etwa vergleichbar mit der forderung eines schwarzen nach gleichberechtigung im ku klux klan. (Mary Daly)
02.10.2010 um 23:13 Uhr Eelyn
Was uns die Kirche “offereiert” möchte ich mit diesen Einsichten kommentieren:
Ohne die Aufklärung wäre in der katholischen Kirche die Idee der universellen Menschenrechte nicht einmal angekommen. Sie ist bis heute dort nicht verwirklicht: Frauen ist nämlich nur die dienende Rolle im unteren Bereich der Kirchenhierarchie vorbehalten. Alle anderen Ebenen der kirchlichen Hierarchie müssen männlich besetzt sein und sollen dies offenbar auch bleiben. Können wir einer Institution, die im Namen von Jesus Christus nicht einmal die Menschenrechte einhält, vertrauen? Nein, denn männliche Macht und Machtmissbrauch können keine Glaubensinhalte sein. Theologische Verrenkungen, um Frauen aus den Kirchenämtern herauszuhalten, ausgenommen der Äbtissinnen-Rolle, sind obsolet. Sie zeigen nur, dass die katholische Kirche nicht einmal annähernd beim Kern der christlichen Botschaft angekommen ist, der Menschenliebe, denn Frauen und Homosexuelle sind in dieser Art diskriminierendem Bewusstsein so etwas wie Menschen zweiter Klasse. Jesus Christus wird seinen Lebensweg und seine Botschaft der bedingungslosen Liebe als umsonst betrachten müssen angesichts solcher Nachfolger auf Erden. Das Verbot von Verhütung stürzt Millionen Frauen auf der Welt ins Unglück und bereitet ihnen ein „Schicksal“. Bewährte weibliche Kirchenkräfte, die aus Mitgefühl Kondome verteilt haben, werden von ihrer wertvollen Arbeit fortgejagt. Rund eine Million Angestellte in deutschen kirchlichen Einrichtungen dürfen nicht frei entscheiden, wie sie privat leben wollen. Im katholischen Polen darf eine Lehrerin nicht in einer katholischen Schule unterrichten, einfach weil sie lesbisch ist. Das heißt, die katholische Kirche stellt sich fortwährend, auch in Europa, über unsere Wertegemeinschaft.
Alice Schwarzer fast journalistisch pointiert zusammen: “Ginge es nach der Vatikan-Connection, sollten wir Frauen erstens über unseren Körper und unsere Sexualität nicht selber verfügen, zweitens die Finger von jeglicher Verhütung lassen, drittens dementsprechend auch ungewollt schwanger werden, viertens gezwungenermaßen austragen und fünftens am allerliebsten: uns gar nicht erst versündigen, sondern gleich jungfräulich Mutter werden. So wie die vom Papst und seiner Herrenriege hoch verehrte Mutter Gottes”, in ihrer abenteuerlich reduzierten Form, möchte ich hinzufügen.
Dies ist also die Kirche von heute. Die Folge der langwährenden Verweigerung einer Selbstreflexion über ihr patriarchales Gerüst zeigt sich jetzt beim Offenbar-Werden von tausenden und abertausenden von kirchlichen Missbrauchsfällen, rund um den Globus. Fatal, dass die katholische Kirche hilfreiche KritikerInnen wie die Theologin Uta Ranke-Heinemann verketzert, die aufklärend auf den krankhaften psycho-sexuellen Komplex in den reinen Männergemeinschaften aufmerksam macht. Wieder geht es dabei um die Angst des Mannes vor dem Verlust seiner Identität als unangreifbarer Krönung der Schöpfung, wofür ja das Priesteramt in besonderer Weise steht, was der Kirche Unglaubwürdigkeit beschert. Die Hierarchie Mann-oben und Frau-unten zeigt sich in vielen Aspekten der kirchlichen Ideologie. In Bezug auf die Frauen ist die Dramaturgie der Männlichkeit einfach seit 2.000 Jahren ein Thema. Uta Ranke-Heinemann: “Päpste, Kardinäle und Bischöfe drapieren ihren jungfräulichen - wenn auch nicht zugleich mütterlichen - Leib mit weißen, roten und violetten Bauchbinden. Aber für die nicht zugleich jungfräulichen Mütter in der Welt wird es bei der Küchenschürze bleiben - solange Männerbünde wie der Vatikan das Sagen haben”. Darüber hinaus sind alle Glaubensinhalte dieser Religion maskulinisiert. Die französische Philosophin und Schriftstellerin Simone de Beauvoir entlarvt die patriarchale Zuspitzung einer solchen Theologie in der Präsentation von Maria: “Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit geht die Mutter vor dem Sohn in die Knie und erkennt freiwillig ihre Unterlegenheit an. Der männliche Sieg findet im Marienkult seine höchste Erfüllung”. Fazit: Die Kirche beraubt sich bislang selbst jeglicher Chance, im 21. Jahrhundert anzukommen.
Da helfen auch keine Oblaten weiter ...