Von Männern, die auch Frauen sein können
Aus Wir machen uns unsere Sprache selber: Ein Feminar: Fünfundzwanzigste Lektion.
“Der amerikanische Präsident wird nicht vom Volk, sondern von Wahlmännern gewählt” - hörten wir in der vergangenen Woche wieder und wieder in den Medien. Nur ganz wenige sprachen von Wahlmännern und -frauen - oder gar Wahlfrauen und -männern.
Auf Englisch heißen die Wahlfrauen und -männer electors (geschlechtsneutral); sie bilden das electoral college, das Wahlkollegium. Weitere technische Einzelheiten zum Wahlsystem der USA erfahren Sie hier.
Solange in den USA nur Männer wählen durften (bis 1920), war die Übersetzung “Wahlmänner” korrekt. Seither aber hätte mann die obsolete Bezeichnung gern schon mal korrigieren dürfen, aber diese Mühe macht mann sich hier nicht, geht es doch nur um die Interessen von Frauen. Und so fragt das Volk ein übers andere Mal verwundert nach: "Wahlmänner - sind das wirklich nur Männer?" Und wird mit flapsigen bis übel frauenfeindlichen Antworten abgefertigt:
Diese Menschen heißen Wahlmänner. Früher waren das wirklich nur Männer. Heute sind es auch Frauen.
Jeder Bundesstaat bekommt eine gewisse Anzahl von Wahlmännern - (Bevor ein Emma-Einsatzkommando hier die Tür eintritt: Natürlich können das inzwischen auch Frauen sein. Der englische Begriff elector ist geschlechtsneutral, aber anscheinend hat man sich im Deutschen auf “Wahlmänner” festgelegt, warum auch immer. Wer will, kann das Wort im Geiste durch etwas politisch korrektes wie “Wahlmännerinnen” ersetzen.) (Scot W. Stevenson in seinem Blog “Usa erklärt”)
Für solche mannhafte Rede gibt es im Englischen eine treffende Bezeichnung, nämlich “to add insult to injury”: Es genügt nicht, die Wahlfrauen zu übergehen und so zu schädigen. Bevor wir Frauen uns auch nur beschweren, werden wir für eine solche Unverschämtheit schon mal vorsorglich als brutales türeintretendes “Emma-Einsatzkommando” verunglimpft, und mann stellt uns frei, uns mit der Ekelbezeichnung “Wahlmännerinnen” zu “trösten”.
Putzmänner und Hausmänner gibt es noch nicht lange - aber seit es sie gibt, werden diese Männer korrekt bezeichnet und nicht als “Putzfrauen” und “Hausfrauen” lächerlich gemacht. Denn Feminisierung ist in unserer Herrenkultur für einen Mann unzumutbar, die letzte Erniedrigung. Die Liste der Neuschöpfungen speziell für den Mann, der in weibliche Berufsfelder eindringt, ist lang und wohlbekannt: Krankenschwester > Krankenpfleger; Hebamme > Geburtspfleger; Stewardess > Flugbegleiter; Kindergärtnerin > Erzieher. Usw. usf.
Maskulinisierung der Frau ist im Deutschen hingegen die Norm: Nicht nur sind 99 Sängerinnen und 1 Sänger auf Deutsch zusammen 100 Sänger - auch Wahlfrauen kann mann ruhig 90 Jahre lang unter “Wahlmänner” subsumieren, kräht doch kein Hahn danach.
Die “Wahlmänner” erinnern an die “Buschmänner” aus Afrika. Auch die Buschmänner sind eine typisch männerdeutsche Fehlübersetzung aus dem Englischen, wo sie bushmen heißen, also Buschmenschen oder Buschleute. In ihrer eigenen Sprache heißen sie San oder Khoi.
Auch das Volk der Buschleute oder San besteht mehrheitlich aus Frauen - das ist aber kein Grund, auf die schöne Bezeichnung Buschmänner zu verzichten. Und wenn mann schon von den Frauen reden muß, ja dann heißen sie eben - nein, nicht Buschmännerinnen, aber so ähnlich: Buschmannfrauen.
Ich schlage vor, statt "Mann" demnächst "Weibling" zu sagen, also "Wahlweiblinge", "Buschweiblinge", "Feuerwehrweiblinge" undsofort. Das Wort erinnert bildhaft an ihren Ursprung und hilft vielleicht dem verkümmerten männlichen Einfühlungsvermögen ein wenig auf die Sprünge.
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5 Kommentare
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16.11.2008 um 22:20 Uhr Gudrun Nositschka
Hallo, Andrea aus Bremen.
Zu Deiner Frage wie Männer genannt werden sollen,
die ähnlich wie Beginen leben wollen: Geschichtlich waren es die Begarden, die - wie bei Frauen die Beginen - sich nicht der Zucht eines Klosters unterwerfen wollten. Bleibt die Frage, ob diese Männer in Bremen ähnliche Ziele verfolgen wie die modernen Beginen. Wenn nicht, kann ich die Wut der Beginen in Bremen verstehen.
Grüße aus dem Land der Matronen,
Gudrun Nositschka
13.11.2008 um 22:34 Uhr Inge
Liebe Luise Pusch
Diese Probleme hören wohl niemals auf. Als Hartz IV Bezieherin mit rechtmässiger Ehe ist immer noch der Mann der “Haushaltsvorstand”, bzw. in modern nun, der Vertreter der Bedarfsgemeinschaft. Wer sich dagegen wehrt, wie ich, der bekommt es zu spüren.
Ich bin schwerbehindert, leider auch durch eine seltenen Krankheit, die kaum ein Arzt richtig kennt, also wurschtele ich mich durch, so gut es eben geht. Mein Mann hat es auch nicht einfach, er ist Legastheniker mit Lernschwäche, aber praktisch ungemein geschickt, und vor allem ist er kräftig und stark. Leider sind gerade solche Menschen wie er, die auch einen ungemeinen Arbeitsdrang haben, erst recht benachteiligt.
Er trat eine Arbeit an, am 1. August. Lohn gibt es bekanntlich erst am Ende des Monats. Aber, der Lohn kam noch im August - also wurde dieser angerechnet, bzw. es wurde Geld zurückgefordert, obwohl es dann im September nichts gab von der Arbeitsagentur und wir das Geld also brauchten.
Inzwischen wurde auf meinen Protest wegen des Vertreters der Bedarfsgemeinschaft reagiert: Nun wollen sie das Geld einmal für die Bedarfsgemeinschaft zurück, und dann nochmal die Hälfte von mir, weil ich mich davon differenziert habe. Toll.
Soviel also zu den Rechten auf eine eigenständige Bezeichnung und Wahrnehmung. Es wird sowieso immer mehr darauf verzichtet, Menschen als solche im Gesamten wahrzunehmen, statt nur einzelne Eigenschaften oder Funktionen. Das ist mein Eindruck, leider.
Grüsse aus dem Nordschwarzwald
12.11.2008 um 11:39 Uhr Silke Gyadu
Liebe Luise Pusch,
selbstverständlich ist in meinem Frauensachbuch “Sonnengöttinnen – Über die Verknüpfung von Mythologie, Geschichte und Gegenwart” von Buschleuten und Kung-Frauen (es handelt sich um die Kung San) die Rede. Diese Menschen können – oder besser: konnten, denn inzwischen sind sie längst zivilisationsgeschädigt – ein gutes Beispiel für unsere wildbeuterisch lebenden VorfahrInnen geben.
Herzliche Grüße
Silke Gyadu
http://www.sonnengoettinnen.de
10.11.2008 um 07:56 Uhr Undine
Liebe Luise,
eine männliche Flugbegleiterin ist ein Steward, und eine männliche Kindergärtnerin ist ein Kindergärtner. Erzieher heisst es wohl erst, seit in den Kindergärten nur noch verwahrt wird. Damals, als noch erzogen, gelernt und gebildet wurde in Kindergärten, da hiess es Kindergärtnerin.
Ansonsten vielen lieben Dank für die Beantwortung dieser Frage, die ich schon immer beantwortet haben wollte, aber nie zu fragen wagte.
Es grüßt
eine Undine
09.11.2008 um 14:45 Uhr Andrea
Liebe Luise,
abgesehen davon, dass mir die “Wahlmänner” seit Wochen auch übel aufstoßen, natürlich…., habe ich hier eine Anfrage an die Feminar-Zentrale: Seitdem das wunderbare Bremer Beginenhof-Projekt vor einigen Jahren in finanzielle Turbulenzen geriet und ein Insolvenzverwalter die noch freien Wohnungen vergibt, sind dort einige Männer eingezogen. Die Beginen sehen es, je nach Einstellung, gelassen oder voller Wut. Auf jeden Fall taucht nun aber natürlich die Frage auf, wie diese Männer zu bezeichnen sind: Begineriche? Ob du dich dieser Frage mal annehmen könntest, nun, wo die Wahlfrauen (und-männer) ihren Job ja wohl bald erledigt haben?
Llg aus Bremen
Andrea