Mein Weihnachtsschal oder Die Quadratur des Dreiecks
Neuerdings darf flugpassagierin ja nur noch einen Koffer mit maximal 23 Kilo nach Übersee mitnehmen, also müssen die Weihnachtsgeschenke für meine Familie in Boston leichtgewichtig sein. Schals - das war die Lösung! Ich klickte mich durch das opulente Angebot des Online-Shops „da sempre - Schöne Dinge für Frauen“, der seit kurzem auf fembio.org inseriert und einen geschmackvollen und auch noch kostenlosen Verpackungsservice anbietet. Wie geschaffen für meine Bedürfnisse. Drei Tage lang sondierte ich immer mal wieder und bestellte dann reichlich Schals und ein wenig Schmuck für meine ganze weibliche Verwandtschaft, hier und in Boston. Besonders angetan hatte es mir ein Schal von Wiebke Möller, nämlich dieser:
Aber da gab es ein Problem: Diese herumschwebenden Engelein, waren das nun Weibchen oder Männchen? Ich weiß, dass den Frauen, die ich beschenken wollte, um die Brust schwebende Männchen keine Freude machen würden; sie würden das teure Teil im Schrank vermodern lassen!
Also schrieb ich Sieglinde Graf, der Besitzerin des Shops, und erkundigte mich nach dem Geschlecht der Engelchen auf den Schals von Wiebke Möller. Sie schrieb zurück:
ja mit den Engerln hat sich die Frau Wiebke Möller elegant aus der Affaire gezogen. Es ist nämlich tatsächlich nicht zu erkennen, um welche Art es sich handelt. Eher androgyn also… (obwohl ich fast mehr auf weibliche Engelchen tippen würde). Aber da kann ich Ihnen leider nicht wirklich helfen.
Ich fasste mir ein Herz und bestellte den Schal kurzerhand für mich selber. Gestern kam er an, und heute zu meiner Lesung beim KünstlerInnen-Weihnachtsmarkt werde ich ihn erstmals ausführen.
Die Untersuchung der Engel aus nächster Nähe brachte folgendes Ergebnis: Die Kunstweberin Möller hat sich mit ihnen viel Mühe gegeben, besonders mit den Gesichtern, die alle verschieden lächeln. Brüstlein mit Knospen sind ebenfalls gut ausgearbeitet. Zwischen den Beinen sind die Engel allerdings undifferenziert, da gibt’s nur winzige Quadrate.
Ein Dreieck hätte mir da besser gefallen, meinte Joey dazu. Sie trifft immer den Nagel auf den Kopf.
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6 Kommentare
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11.01.2011 um 13:55 Uhr Amy
Engel als Putten (Knaben) wurden nicht nur als “geschlechtslose” Wesen dargestellt, wie Andrea Mantegna (1432-1506)in seinem Gemälde andeutet; sofern mich meine Äuglein nicht trügen :-(
Die `Kinderengel` aus der Barockzeit wurden also rein männlich definiert? Der männliche Liebesengel Amor in der Kunst als Putte mit männl. Geschlechtsteil, dargestellt auch von William Adolphe Bouguereau (1890) in Psyche und Amor. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Andrea_Mantegna_079.jpg&filetimestamp=20050519215105
10.01.2011 um 03:46 Uhr Angelika
danke liebe Louise auch für dieses feminar (;
und wie interessant und inspierend von wg. “engel & geschlecht” - hat mich mal wieder zum nach-denken ./. engl. “reflecting” angeregt !
als u.a. ex-protestantin und sog. freidenkerin habe ich “engerl” unterdessen als “geschlechtslos” (i.S.v. “free spirits”) gesehen bzw. “frau definiert das geschlecht” im sinne von “i define my sex, gender body - you define yours”.
.
vielleicht mag ich z.b. die sog. Raphael-engerl, weil sie per oberkörper abgebildet sind ?
den schal finde ich sehr schön und so, dass frau/mann dann einfach i.S.v. humorvoll & spielerisch “das geschlecht” dieser engerl für sich selbst bestimmen könnte : für eine frau sind diese engerl weiblich und für einen mann dann männlich - oder ganz nach individueller wahl oder präferenz (:
(ein feigenblatt oder dreieck wäre für mich eher sowas wie “doppelmoral”)
20.12.2010 um 19:39 Uhr Anne
wow, prima und danke f.d. duckomenta - für die geniesserin und für eine himmlische stimmung eignet sich auch die “kalte ente”, die sogar in 1937 in flüssiger form die usa eroberte (weisswein, sekt, zitrone, zucker u.div. mehr, je nach situation ... ) :-)
die himmlische botin von niki de saint phalle, mutter der nanas ....
http://www.literaturtipp.com/rezensionen2002/grafiken/nikiDeSaintPhalleGrafik1.jpg
20.12.2010 um 17:32 Uhr Joey Horsley
Und wie wäre es mit der “Blauen Ente”? Auch eindeutig weiblich und eine all zu oft vergessene Gestalt unserer Kulturgeschichte. Zu bewundern in Raum 6 der wichtigen Hildesheimer Ausstellung “Die Duckomenta”:
http://www.duckomenta.de/inhalt/raum6.htm
Aus Boston frohe Festtage an alle Engellein und Entelein!
20.12.2010 um 00:47 Uhr Anne
ganz eindeutig weiblich , lebensecht und unverfälscht ist dagegen der `blaue engel` - und sogar für umweltfräundinliche produkte wurden die `blauen engel` (aktiv im umweltschutz) mit dem dazugehörigen siegel erschaffen.
http://www.columbia.edu/itc/german/1102/client_edit/gifs/blauer-engel.jpg
schön anzusehen ebenso die engelvorstellung von Niki de Saint Phalle(lässt sich hier leider nicht verlinken).
inzwischen habe ich mich im internet über all die vielen (zmeist religiösen) engelheerscharen informiert - angeblich gibt es nach relig. vorstellungen ca. 72 männliche und fast keine weiblichen botenstoffe - nur in der werbung werden engel gerne mit weiblichen wesen assoziiert. in früheren jahrhunderten haben die herren theologen dagegen heftig gestritten, welches geschlecht denn nun engelsgleich ist. mann entschied sich angeblich für engel als geschlechtsneutrale wesen ohne dreieck oder zipfelchen? beschrieben werden diese weiterhin aber in der maskulinen form als begleiter, helfer, bote.
übrigens die bezeichnung `die quadratur des dreiecks` einfach supra gelungen .. (*+*)
19.12.2010 um 16:26 Uhr Evelyn
Nur zur Aufklärung: Es gibt in der Tat weibliche und männliche Engel, eindeutig weibliche und männliche Energien. Das Universum der geistigen Welt ist nämlich wohldurchorganisiert, auch wenn dies überraschen mag. Tatsächlich geht die weibliche und männliche Energie bis zur Urquelle zurück, weswegen es einen rein männlichen “Gott Vater” nie gegeben hat und nie geben wird. Wenn schon solche Bilder verwendet werden, dann müsste es immer Gott-Mutter-Vater heißen, alles andere ist einfach nur Unsinn, der sich in der Anbetung des Göttlichen mit “Herr” niederschlägt und in der gesamten Kirchenwelt praktiziert wird. Den absoluten Ursprung von allem kenne ich natürlich nicht, das weiß kein Mensch, den Rest erfährt, wer sich für Spiritualität interessiert. Wir Menschen sind dafür ein Abbild des Ganzen, denn wir tragen unabhängig vom Geschlecht, weibliche und männliche Anteile in uns - die möglichst in Balance sein sollen, um für unsere Umwelt erträglich zu sein.