Wenn Frauen eine Reise tun: Amrum aus feministischer Sicht
In der vergangenen Woche waren wir mit Berit und Angelika auf Amrum und genossen die balsamische Luft und lange Spaziergänge am Watt, durch die Dünen und am Strand. Weibliche Paare begegneten uns auf Schritt und Tritt; wir erkannten einander und grüßten uns im Vorübergehen mit einem wissenden Lächeln. Hin und wieder gab es auch gemischte Paare, aber sie störten nicht weiter und fügten sich gut ein ins friedliche Landschaftsbild.
Angelika erklärte uns alles Wissenswerte über die vielfältige und zahlreiche Vogelwelt, wodurch ich besonders die Gänse liebgewann: Weibchen und Männchen bleiben lebenslang zusammen, sehen einander zum Verwechseln ähnlich und teilen sich das Brutgeschäft. Abends spielten wir Topwords und - unter Frauen besonders beliebt - Doppelkopf, denn spielentscheidend sind nicht wie sonst Buben oder Könige, sondern die Kreuz-Damen. Obwohl wir jeden Abend beschlossen, zu spielen „bis der Arzt kommt“, kam er zum Glück nie, auch die Ärztin nicht.
Die leiblichen Genüsse waren deftig und wohlschmeckend; wir schafften sogar eine der mächtigen Friesenwaffeln im Friesen-Café.
Und erst die geistigen Genüsse! Die örtliche Amrum-Kapazität, Georg Quedens, erklärte uns die Flora und Fauna der Insel in einem anregenden Dia-Vortrag in dem ihm eigenen aparten Singsang, und der Ehemann der Pfarrerin erklärte uns die Geschichte, die Architektur und die Kunstschätze der Kirche St. Clemens in Nebel. Er holte sehr weit aus; wir hatten den Eindruck, dass er halt gern auch mal predigen wollte. Was er predigte, war schön und interessant und sogar feministisch. Immer wieder gab es erfrischende Seitenhiebe auf das kirchliche Patriarchat, und seine Sprache war streng inklusiv, wie es auf Evangelisch heißt, da gab es selbst für eine pingelige feministische Linguistin nix zu meckern. „Jede und jeder“, „Konfirmandinnen und Konfirmanden“ - das kam ihm alles wie selbstverständlich von den Lippen, und die Gemeinde der wissensdurstigen Urlauberinnen und Urlauber ließ es sich gerne gefallen. Wir verließen die Kirche angeregt und reich an neuem Wissen. Ich wollte dem Pfarrerinnengatten und der Pfarrerin persönlich danken für ihre gepflegte Sprache und herzhafte feministische Gesinnung; ihr Haus war gleich um die Ecke, aber vor lauter Wandern, Watt und Doppelkopf kam es nicht dazu. Auch las ich im durchgehend inklusiv abgefassten Gemeindeblatt, dass die Pfarrerin grade ein Sabbat-Vierteljahr genießt und zur Zeit in einem Schweigekloster ist. Also schicke ich ihnen einen Link zu dieser Glosse.
Gestern morgen traten wir die Rückreise an; die lange Strecke zwischen Dagebüll und Hamburg vertrieben wir uns mit emsigem Doppelkopf-Spiel. Der rauhe antifeministische Alltag erwischte mich in Form meiner Wasserflasche, die ich mal aus Boston mitgebracht und immer nur zum Trinken, nie zum Lesen benutzt hatte. Was las ich nun aber? „From the islands of Fiji: Untouched by man. Until you drink it.“
Getrunken hatte ich, wie gesagt, schon oft daraus - eine Geschlechtsumwandlung war noch nicht eingetreten. Und so nahm ich auch diesmal beherzt, wenn auch verstimmt, einige Schlucke.
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5 Kommentare
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28.04.2012 um 21:10 Uhr J.
Hallo,
habe gerade Ihren netten Text über Amrum gelesen und möchte Ihnen eine Empfehlung weitergeben zur Nachbereitung.
http://www.hoffmann-und-campe.de/go/amrum
Beste Grüße J.
24.04.2012 um 17:12 Uhr Julia H.
Hello Undine,
You sound like a nice lady. Oops! I am so sorry that I have offended you with the word “lady”. After all, it does contain the masculine core “lad”....
Please let go of your anger: We are all human beings together. Oops, please forgive me again! (The word “human” has the word stem “man” in it, as I just realized.)
I do hope you manage to forgive me. Oh no! I did it again! “manage” is also an evil “man-word”. Please help me! What can I say instead? “womanage”? No. “frauage?”
Now I am getting histrionic. Or should I say “herstrinoic” so that the word “his” is not in it? Help!
Feminine greetings,
Julia
PS
:-)
24.04.2012 um 11:13 Uhr lfp
My dear Julia,
you are a nice man. You see, inclusion is not as easy as you may think.
24.04.2012 um 08:27 Uhr undine
My dear Julia,
ein interessanter Gedanken-Spagat, den du da vollführst. Meiner Auffassung nach enthält die Buchstabenfolge ‘wo-man’ auch die Buchstabenfolge ‘man’, aber nicht umgekehrt. Ich sehe was nicht, was du siehst, oder so?
Aber das liegt vielleicht daran, dass ich Spagat nicht so mag. Ich bin ja auch lange daran verzweifelt, wer nun Arbeit nimmt, und wer sie gibt, und ehrlich gesagt, ich versteh’s bis heute nicht.
23.04.2012 um 16:31 Uhr Julia H.
My dear Luise,
What could be more linguistically inclusive? “Untouched by man” includes you and me, but “Untouched by woman” excludes men! In this example you might feel the harsh wind of anti-feminism, but I taste the sweet fruits of gender victory! Yummy.
Open your eyes and bask in the glory of our success!
Julia