Hans “Kultur-Maier” Maier erinnert sich an 1968 und die Frauen
In der Süddeutschen Zeitung vom 15. März stand – im Feuilleton, über vier lange Spalten - ein Auszug aus den Lebenserinnerungen Hans Maiers: „Böse Jahre, Gute Jahre“. Kultur-Maier nannten wir ihn seinerzeit. Der damals noch im Deutschen Bildungsrat, später als Kultusminister Bayerns aktive CSU-Politiker rückt die StudentInnenrevolte in die Nähe von Schlägertrupps, bringt martialische Zitate. Gewalt, Hörsaal-Stürme, Sprach- und Denkherrschaft haben sich in seiner Erinnerung abgelagert – und ein Bild von der Rolle der Frauen, die ihn besonders interessieren, weil er vier Töchter hat. Hier ein Ausschnitt aus seinen Erkenntnissen:
Im Ganzen dürften die Frauen 1968 kaum auf ihre Rechnung gekommen sein. Die „Mädchen“ – wie man sie unverändert nannte – waren den männlichen revoltierenden Studenten zwar als Gefolgschaft willkommen, wenn sie als Groupies zu den politischen Führern stießen, sie wurden aber als Anführerinnen der Revolte nur selten akzeptiert ... Es versteht sich, daß die programmatische Ablehnung von Bindungen in den Kommunen und alternativen Lebensformen auch keinen Platz für Kinder ließ: Diese wurden nicht selten, kaum geboren, zu anderen Gruppen abgeschoben oder zur Adoption freigegeben, oder sie wuchsen in bewußter Distanz von ihren Eltern als revolutionär erzogene „Kinderladenkinder“ auf.
Soweit Herr Maier. Ich habe mich bemüßigt gefühlt, einen Leserinnenbrief zu schreiben, und da ich nichts von der Leserbriefredakion gehört habe, nehme ich an, er wird nicht abgedruckt. Hier ist er:
Hans Maier weiß, was Frauen 1967 ff. wollten. Wirklich nett, wie Herr Maier uns noch in der Erinnerung an diese Jahre bevormundet. Sie waren nur Objekte martialischer Männer, Groupies, die ihre Kinder abgaben etc.?
Ich korrigiere: Frauen haben endlich in den Seminaren den Mund aufgemacht, sie haben sich von ihren Profs nicht mehr tätscheln und anmachen lassen, sie haben die alten Rollenbilder nicht mehr akzeptiert und sie haben Kinderläden gegründet, damit sie auch lernen und arbeiten können wie Männer. Sie haben gegen das Abtreibungsverbot gekämpft und z.B.beim SDS-Kongress 1968 dafür gesorgt, dass das "Private" - wie z.B. Kinderbetreuung oder Haushaltsarbeit - politisch wurde. Man weiß so wenig davon, denn sie haben, da stimme ich Herrn M. zu, keine Führerinnen hervorgebracht. Das war nämlich Teil der Emanzipation dieser Jahre: wir wollten nicht so werden wie die Männer. Rührend, wie er seine jüdischen Kollegen zitiert - aber ja doch, an das Gefühl "Geht das jetzt wieder los in Deutschland?" erinnere ich mich gut - als die Polizei uns in Berlin niederknüppelte und den Schah schützte und prügelnden Machos ("Prügelperser") tatenlos zusah. Wir, die 68erInnen, haben u.a. die Nazi-Bücher aus der Germanistik-Bibliothek aussortiert und in Arbeitsgruppen jene Literatur von ExilantInnen oder AufklärerInnen gelesen, die in der noch recht teutonischen Germanistik oft noch unbekannt war und heute zum Kanon gehört. Aber die Geschichte wird eben von Siegern geschrieben.
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