„Schütze das Leben“ oder „Soll sie doch sterben“: Pro und kontra Abtreibung im US-Wahlkampf
In meiner vorletzten Glosse bedauerte ich, dass die Republikaner in ihren Hasstiraden die Sprache gekonnter einsetzen als die DemokratInnen. Ich freue mich, heute über zwei Beispiele berichten zu können, die zeigen, dass die Democrats aufholen, nicht zuletzt, weil manche Republicans sich bös verplappern.
In der vergangenen Woche lösten einige sehr verräterische Bemerkungen des Republikaners Todd Akin aus Missouri landesweite Entrüstungsstürme sogar unter seinen Parteifreunden aus. Mitt Romney und sein vorgesehener Vize Paul Ryan distanzierten sich sofort von seinen kruden Ideen über „rechtmäßige Vergewaltigung“ (legitimate rape), wonach Mutter Natur bei einer solchen ohnehin dafür Sorge trage, dass keine Schwangerschaft dabei herauskomme. Gemeint war, dass das totale Abtreibungsverbot, das die immer weiter nach rechts abrutschende Partei der Republikaner durchsetzen will, auch für Fälle von „regelrechter Vergewaltigung“ (das hatte Akon eigentlich sagen wollen) keine Ausnahme vorzusehen brauche, weil Mutter Natur es bei denen gar nicht zu einer Schwangerschaft kommen lassen würde.
Obama bemerkte dazu nur: „Vergewaltigung ist Vergewaltigung.“ Spitzfindige Unterteilungen zwecks Aushöhlung der Gesetze seien absurd.
Akin bewirbt sich auf einen Senatssitz, aber diese Bewerbung dürfte nach seinen Auslassungen nun wohl ziemlich aussichtslos sein. Die demokratische Gegenkandidatin Claire McCaskill kann frohlocken und ihre Partei mit ihr, denn es kommt auf jeden einzelnen Sitz im Senat an, sollen demokratische Gesetzesvorlagen durchkommen bzw. republikanische blockiert werden, wie z.B. Im letzten Jahr der „Let-her-die“-Entwurf, s.u..
Akins Parteifreunde haben ihm nahegelegt, auf seine Kandidatur zu verzichten, aber er bleibt stur, und ich freue mich darüber mit Claire McCaskill und den Democrats. Akin hat sich verplappert und dadurch die Öffentlichkeit in einen Abgrund von ignoranter republikanischer Frauenverachtung blicken lassen, und da die Frauen die kommende Wahl wahrscheinlich entscheiden werden, sind die Republikaner nun echt besorgt und um Schadensbegrenzung bemüht.
Insbesondere Paul Ryans Abrücken von Akin ist allerdings rein opportunistisch, denn tatsächlich tritt auch er für ein totales Abtreibungsverbot ohne Ausnahmen ein. Eleanor Smeal, Präsidentin der Organisation Feminist Majority, redete in ihrem letzten Newsletter Klartext:
Paul Ryan und Todd Akin sind führend im Kampf für die Abschaffung der Abtreibung, selbst wenn als Folge davon Frauen oder Mädchen sterben müssten. Noch im letzten Jahr machten Ryan und Akin sich für das sogenannte Lebensschutzgesetz stark (auch bekannt unter dem Namen „Soll sie doch sterben“-Gesetz), das das von Republikanern beherrschte Abgeordnetenhaus mit 251 zu 172 Stimmen befürwortete, aber vom Senat blockiert wurde. Es erlaubt es den Krankenhäusern, eine Behandlung „aus Gewissensgründen“ abzulehnen selbst wenn eine Frau im Sterben liegt und eine Abtreibung ihr Leben retten würde. (Übs. von mir) (Paul Ryan and Todd Akin have been leading the fight to prevent all abortions, even if their policies would result in a woman or girl dying. Just last year, Ryan and Akin sponsored the so-called "Protect Life Act" (also known as the "Let Her Die Bill"), which the Republican controlled House passed 251-172, but the Senate blocked. It permits a hospital to refuse treatment on the basis of "conscience" if a woman is dying and an abortion would be required to save her life.)
Wie sagte doch Max Liebermann seinerzeit über die Nazis? „Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.“ Es gibt in diesem Wahlkampf so viele Anlässe zur Entrüstung, dass ich schon ganz erschöpft bin. Ich leide an Entrüstungsmüdigkeit (indignation fatigue) - ein brauchbares neues Wort, dass ich gestern in einem Kommentar von David Brooks hörte. Brooks ist moderater Republikaner - eine Spezies, die vom Aussterben bedroht ist.
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10 Kommentare
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26.08.2012 um 14:58 Uhr anne
vom aussterben nicht bedroht ist leider der weltweit mächtig werdende religiöse fundamentalismus, sind erzkonservative und vor allem deren reaktionäres frauenbild - lesben und schwule, gleichgeschlechtliche ehe, feminismus, emanzipatorische bewegungen und nicht selten empfändnisverhütende mittel sind ihnen ein dorn im auge - eine menge gemeinsamkeiten mit sog. lebensschützern.
mutter natur ist eigentlich die weibliche seite der evolution, die sicherlich keine vergewaltigung an männern durch frauen in ihrem programm stehen hat, aber fehlgeburten, totgeburten.. ein ganz natürliches ereignis? es wird geschätzt, dass in der gruppe der 20-29jährigen frauen etwa die hälfte der befruchteten eizellen spontan zu grunde gehen.
dagegen die herrschaft im namen des vater-gottes , die schon mit der bibel vergewaltigungen an menschen nicht ausschließt, und zwar bis in die gegenwart hinein , siehe beschneidungen, genitale verstümmelungen - in meinen augen zählen auch diese archaischen blutigen rituale zu vergewaltigungspraktiken an klein/kindern…im namen des vaters. (der gottesfürchtige lot /er achtet das gastrecht so hoch, dass er lieber seine töchter vergewaltigen lässt, als seine gäste herauszurücken). Akin soll ein theologe sein - rechtmässige vergewaltigungen , siehe bibelkritik… ohne eingebaute sicherung für die vergewaltiger?
http://www.bibelkritik.ch/kirchenkritik/e23.htm
26.08.2012 um 12:10 Uhr Karin Becker
Versprecher sind doch Gold wert. Ich liebe sie! “Was da alles zum Vorschwein kommt!”