(Frances Ethel Gumm [Geburtsname]; Baby Gumm [Spitzname]; Miss Show Business [Spitzname]; Joots [Spitzname])
geboren am 10. Juni 1922 in Grand Rapids, USA
gestorben am 22. Juni 1969 in London
US-amerikanische Sängerin, Schauspielerin und Tänzerin
55. Todestag am 22. Juni 2024
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Judy Garland war eine der größten und erfolgreichsten Sängerinnen und Entertainerinnen des vergangenen Jahrhunderts. Wahr ist aber auch, dass ihr Leben von Tabletten- und Alkoholabhängigkeit, finanziellen Krisen und missglückten Beziehungen bestimmt war. Das lag wahrscheinlich daran, dass ihre ebenso ehrgeizige wie geschäftstüchtige Mutter ihr zuerst die Kindheit raubte und sie dann nie erwachsen werden ließ. Als die Mutter Anfang 1953 starb, war es für die 30jährige Garland anscheinend zu spät, Selbstverantwortlichkeit zu lernen und zu praktizieren. Sie war seit Jahrzehnten daran gewöhnt, durch Schwerstarbeit, mit permanenten Auftritten und Filmaufnahmen, das Geld für die Familie zu verdienen - um den Rest kümmerte sich ihre Mutter, die Firma MGM oder beide. Nun ihre Mutter tot war, überließ Garland das Management ihrer privaten und beruflichen Angelegenheiten ihren diversen Ehemännern. Diese enttäuschten Garlands Erwartungen allerdings regelmäßig: Entweder ließen sie den gestressten Star im Kampf gegen ausbeuterische Studiobosse und feindselige Regisseure im Stich (David Rose und Vincente Minnelli), oder sie nutzten sie finanziell aus, ja betrogen sie schamlos (Sid Luft und Mark Herron). Garland setzte sich zur Wehr, gegen die Studiobosse mit unregelmäßigem Erscheinen und Widersetzlichkeit am Set, gegen die Ehemänner mit Toben, Trinken, Fremdgehen, Scheidungs- und Selbstmorddrohungen sowie Selbstmordversuchen. Mit derart ungeeigneten Mitteln konnte sie ihre Lage nur verschlimmern.
Schon als Kind hatte Frances Gumm die Stimme und Ausdruckskraft einer erwachsenen Frau – manchen war das unheimlich, die meisten aber fanden es faszinierend. Jedenfalls war es ihre außergewöhnliche Stimme – und Musikalität -, die sie vor ihren beiden älteren Schwestern auszeichnete. Die Eltern ließen sie schon als Kleinkind mit ihren Schwestern in der Gesangs- und Tanzgruppe »The Gumm Sisters« auftreten. Das Trio wurde immer häufiger nur deshalb gebucht, weil die Leute die süße kleine Frances mit der unglaublichen Stimme erleben wollten. Seit ihrem dritten Lebensjahr trug Judy Garland, wie sie sich mit Beginn ihrer Filmkarriere nannte, entscheidend zum Familieneinkommen bei, indem sie im Varietétheater ihres Vaters und auf vielen anderen Bühnen auftrat. In den dreißiger Jahren, zur Zeit der Depression, verdiente die 13jährige nach dem Tod ihres Vaters (1935) das Familieneinkommen fast allein.
Der Tod ihres Vaters war laut Garland der schwerste Schlag in ihrem Leben. Frank Gumm war immer sehr liebevoll zu seinen Töchtern, aber er hatte ein Problem: Er war bisexuell, und wenn er sich schlecht fühlte, was während der Depression öfter vorkam, stellte er Jungen im Teenageralter nach. Deswegen wurde er zweimal der Stadt verwiesen, zuerst in Minnesota, später in Kalifornien.
Dank unablässiger PR-Arbeit der Mutter waren die Filmstudios schließlich auf Judy aufmerksam geworden. Als Judy bei MGM unterschrieb, wurde ihr mitgeteilt, sie sei dick und hässlich. Man riet der 13jährigen, Schlankheitspillen zu nehmen. 1938 drehte sie erstmals mit dem Kinderstar Mickey Rooney, und bald war das Paar berühmt, stellten sie doch mit ihrer braven, unschuldigen Fröhlichkeit eine heile Welt dar, an der die weiße Mittelschicht sich damals orientieren wollte. Während Mickey sich in der Pubertät Abenteuer und Flirts leisten durfte, wurde Judy am Gängelband gehalten, um ihr gewinnbringendes Kleinmädchenimage zu schützen. Für den Welterfolg »The Wizard of Oz« (1939, gedreht 1938) wurden der 16jährigen bei den Aufnahmen die Brüste flach gebunden, um sie kindlich erscheinen zu lassen. In den Studios gab es Aufputschtabletten, wenn man lange drehte, und Schlaftabletten für die Ruhepausen. So gewöhnte sich Judy daran.
„The Wizard of Oz“ wurde der erfolgreichste Film der Filmgeschichte, vor allem als Longseller im TV- und Videogeschäft.
Garlands erste Ehe dauerte 18 Monate; mit dem nächsten Mann, Vincente Minnelli, hatte sie 1946 das Kind Liza. Sie wollte einen neuen Anfang machen, aber die Last der Mutterschaft, neue Filmverpflichtungen und die Berufstätigkeit ihres Mannes überforderten sie, und bald schluckte sie wieder Tabletten. Vincente konnte sie schließlich zu einer Entziehungskur überreden.
Als die Filmstudios sie riefen, nahm sie jedoch wieder Amphetamine, um abzunehmen. In 15 Jahren hatte sie 28 Filme für MGM abgedreht, man hatte viel an ihr verdient, aber 1950 ließ man sie fallen. Um ihre Schulden abzuzahlen, begann Garland eine Karriere auf den Bühnen der Welt mit eigenen Shows. Sensationelle Publikumserfolge und Akklamationen auf der einen Seite, gescheiterte Ehen, finanzielle und körperliche Zusammenbrüche, Tabletten- und Alkoholsucht auf der anderen. Zwei weitere Kinder gebar sie in ihrer dritten Ehe mit ihrem Manager Sidney Luft: Tochter Lorna Luft (geb. 1952) und Sohn Joey Luft (geb. 1955). 1959 wurde eine Leberzirrhose diagnostiziert. Ihr letzter Film »Bretter, die die Welt bedeuten« (»I could go on singing«), in dem sie mutig Teile ihres eigenen Versagens spielt, wurde 1963 gedreht.
Gegen Ende ihres Lebens, nach der Scheidung von Sid Luft, wurden ihre Stimmungsschwankungen immer heftiger (heute wird vermutet, dass sie bipolar - manisch-depressiv - war), ihre Selbstmordversuche immer häufiger und ihre Liebhaber immer jünger. Lorna und Joey litten unter dem chaotischen Lebensstil der Mutter, und oft genug sorgte nur das Personal oder ihre ältere Schwester Liza Minnelli dafür, dass sie etwas zu essen bekamen.
Judy Garland starb am 22. Juni 1969 an einer Überdosis Schlaftabletten in ihrem Haus im Londoner Stadtteil Chelsea. Es war, so wird vermutet, kein Selbstmord, sondern ein Versehen. So wie Judy Garland sich auch den Tod Marilyn Monroes erklärt hatte: „Du schluckst ein paar Schlaftabletten, wachst nach 20 Minuten auf und hast vergessen, dass du sie geschluckt hast, schluckst noch ein paar – und erst dann merkst du, du hast zu viele geschluckt.“
Zu Garlands Beisetzung am 27. Juni 1969 in New York City kamen 22.000 Trauernde, darunter viele ihre schwulen Fans. Der Verlust ihrer Ikone wühlte sie so auf, dass sie sich wenige Stunden später, in den frühen Morgenstunden des 28. Juni, erstmals den brutalen Übergriffen der Polizei wütend und handgreiflich widersetzten. „Jetzt wo Judy gestorben war, war eh schon alles egal“, erklärten sie später. Die Polizei-Razzia galt der Stonewall Inn in der Christopher Street, und heute wird weltweit jedes Jahr am 28. Juni der Christopher Street Day (CSD) als Beginn der LGBTTQI-Bewegung gefeiert.
Was bleibt? Eine perfekte Show-Tänzerin in der Jugend, eine wunderbare Stimme, die die Sehnsucht nach einer heilen Welt unnachahmlich beschwört (»Over the Rainbow«, »The Man that got away«), eine schauspielerische Leistung vom Kinderstar zur Tragödin. Und eine Frau, die nicht gelernt hatte, sich im Leben zurechtzufinden und gnadenlos dafür bestraft wurde. (Text von 2021)
Verfasserin: Eva Rieger & Luise F. Pusch
Zitate
Sie hat ihr Publikum niemals auf Distanz gehalten, statt dessen hat man bei ihren Auftritten immer den Eindruck, in ihr Innerstes blicken zu können.
(James Juneau)
Judy Garlands Tablettensucht kann man nicht einfach als persönliches Versagen abtun. Man muß dabei auch die Folgen der öffentlichen Gleichgültigkeit und des unersättlichen Publikums berücksichtigen.
(Robyn Archer/Diana Simmonds)
Wenn wir an einer Produktion arbeiteten, ließ man uns Tag und Nacht ohne Pause schuften. Man gab uns Aufputschtabletten, damit wir uns, obwohl wir völlig ausgelaugt waren, noch länger auf den Beinen halten konnten. Dann brachte man uns in die Krankenstation auf dem Studiogelände und stopfte uns mit Schlaftabletten voll. Mickey (Rooney) streckte sich auf dem einen Bett aus, ich auf dem anderen, und dann lagen wir da wie tot. Nach vier Stunden wurden wir wieder geweckt, und man gab uns erneut die Aufputschpillen, damit wir weitere zweiundsiebzig Stunden ohne Unterbrechung vor der Kamera stehen konnten. Die meiste Zeit erlebten wir unsere Umgebung wie in Trance, doch ich muss sagen, dass wir uns sehr schnell an diesen Zustand gewöhnten.
(Judy Garland, gefunden hier)
Links
Biografien
D'heil, Stephanie: Judy Garland. (Link aufrufen)
prisma.de: Judy Garland (Link aufrufen)
Wikipedia: Judy Garland (Link aufrufen)
Bücher und Medien
Google Buchsuche: Judy Garland (Link aufrufen)
Internet Movie Database: Judy Garland (I). Filmografie, viele Fotos. (Link aufrufen)
Youtube Videos: Judy Garland (Link aufrufen)
Fanseiten
Brogan, Scott: The Judy Room – Celebrating the life and career of Judy Garland (Link aufrufen)
Fisher, Scott: The Judy Garland Page (Link aufrufen)
Links geprüft und korrigiert am 11. Juni 2019 (AN)
Literatur & Quellen
Quellen
Archer, Robyn; Simmonds, Diana (1986): A star is torn. London. Virago. ISBN 0-86068-514-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Frank, Gerold (1975): Judy. London. Allen. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Harmetz, Aljean (1981): The making of The wizard of Oz. New York. Knopf. ISBN 0-394-40935-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Juneau, James (1974): Judy Garland. Ihre Filme, ihr Leben. (=Judy Garland) Ins Deutsche übersetzt von Michael KubiakHerausgegeben von Thomas Jeier. München. Heyne. 1980. (Heyne-Bücher : 32, Heyne-Filmbibliothek, 14) ISBN 3-453-86014-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Schmidt-Joos, Siegfried (Hg.) (1985): Songs und Chansons. Am Ende des Regenbogens. Judy Garland, Billie Holiday, Edith Piaf, Janis Joplin. Frankfurt am Main. Ullstein. (Idole, 6 ; Ullstein, 36516) ISBN 3-548-36516-7. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Smith, Lorna (1975): Judy, with love. The story of Miss Show Business. London. R. Hale. ISBN 0709152574. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Spada, James; Swenson, Karen (1983): Judy and Liza. Garden City. Doubleday. ISBN 0385182023. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Weiterführende Literatur
Hinweis: Dies sind keine Literaturempfehlungen, sondern die zum Thema erschienenen Titel – ohne Wertung unsererseits.
Carlyle, John; Freeman, Chris (2006): Under the rainbow. An intimate memoir of Judy Garland, Rock Hudson and my life in old Hollywood. New York. Carroll & Graf Publishers. ISBN 978-0-7867-1853-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Clarke, Gerald (2001): Get happy. The life of Judy Garland. New York. Dell Publishing. ISBN 0-385-33515-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Donnelley, Paul (2007): Judy Garland. London. Haus. ISBN 1-904950-81-7. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Edwards, Anne (1996): Judy Garland. London. Orion. ISBN 0-75280-404-9. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Frank, Gerold (1999): Judy. New York. Da Capo Press. ISBN 0-306-80894-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Fricke, John (1997): Judy Garland. World's greatest entertainer. New York. MJF Books. ISBN 9781567312041. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Luft, Lorna (1999): Me and my shadows. A family story. Living with the legacy of Judy Garland. London. Pan. ISBN 0-330-36713-7. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Meyer, John (1983): Heartbreaker. A memoir of Judy Garland. London. Citadel. 2006. ISBN 0-8065-2754-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Morley, Sheridan; Leon, Ruth (1999): Judy Garland. Beyond the rainbow. London. Pavilion. ISBN 1-86205-291-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Sanders, Coyne Steven (1990): Rainbow's end. The Judy Garland show. New York. Morrow. ISBN 0-688-09088-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Schechter, Scott (2002): Judy Garland. The day-by-day chronicle of a legend. New York. Cooper Square Press. ISBN 0-8154-1205-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Tormé, Mel (1991): The other side of the rainbow. Behind the scenes on the Judy Garland television series. New York. Oxford Univ. Press. ISBN 0-19-507295-2. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wayne, Jane Ellen (2004): The golden girls of MGM. Greta Garbo, Joan Crawford, Lana Turner, Judy Garland, Ava Gardner, Grace Kelly, and others. New York. Carroll & Graf. ISBN 0786713038. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bildquellen
Judy Garland Database by Jim Johnson (nicht mehr online)
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.