(Amelia Jenny Emilie Klothilde Johanna von Kretschmann [Geburtsname]; Lily von Gižycki [Ehename])
geboren am 2. Juli 1865 in Halberstadt
gestorben am 9. August 1916 in Berlin
deutsche Frauenrechtlerin und Schriftstellerin
155. Geburtstag am 2. Juli 2020
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Den Sozialdemokratinnen war Lily Braun zu gemäßigt, den Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung zu radikal. Clara Zetkin und Ottilie Baader vermissten an ihr den proletarischen »Stallgeruch«.
Die bildschöne Lily Braun stammte aus der preußischen Generalsfamilie von Kretschman und vergnügte sich nach ihren eigenen Worten bis zu ihrem 25. Lebensjahr mit Tanz und Flirts in den kaiserlich-adeligen Kreisen ihrer Umgebung. Ihre früh erkennbare empfindliche Reaktion auf soziale Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten »ist vielleicht auch ein Stück unbewusster Opposition gegen ein erzkonservatives, frömmelndes Elternhaus«, in dem eine beklemmende Kälte zwischen den Eltern herrschte (Elisabeth Fetscher).
1889 fällt Lilys Vater beim Kaiser in Ungnade, verliert seine Stellung, und die Tochter ist gezwungen, sich eine eigenständige Existenz zu suchen. Durch die – wenn auch nur sehr kurze – Ehe mit dem gelähmten Universitätsprofessor Georg von Gižycki kommt sie mit Fragen der Frauenbewegung und des Sozialismus in Berührung und wird Mitarbeiterin der Zeitschrift Frauenbewegung und Vorstandsmitglied des Vereins Frauenwohl.
Nach dem Tode von Gižycki bekennt sich Lily Braun offen zum Sozialismus, wird Mitglied der sozialdemokratischen Partei und distanziert sich damit endgültig von ihrer Herkunft. Ihre Versuche, zwischen bürgerlicher und proletarischer Frauenbewegung zu vermitteln, scheitern. Auch ihr umfangreiches Buch Frauenfrage, ein Überblick über ihre Geschichte und ein Versuch, Lösungsmodelle für die Verbindung von Mutterschaft und Beruf zu entwickeln, findet nur geteilte Aufnahme.
Lily Braun und ihr zweiter Mann, der Publizist Heinrich Braun, bemühen sich auf dem revisionistischen Flügel der SPD mit Gründung der Zeitschrift Neue Gesellschaft, den Intellektuellen Fragen des Sozialismus nahezubringen, und sind vielen Anfeindungen ausgesetzt. Enttäuscht über die Parteiarbeit wendet sich Lily Braun, inzwischen Mutter eines Sohnes, schriftstellerischer Tätigkeit zu, mit der sie mehr Erfolg hat. Am bekanntesten werden die Memoiren einer Sozialistin (zwei Bände, 1909—1911).
Lily Braun war eine mitreißende Rednerin, überhaupt eine leidenschaftliche und temperamentvolle Frau. Sie verausgabte ihre Kräfte und starb früh, mit 51 Jahren, an einem Schlaganfall.
(Text von 1989)
Verfasserin: Hiltrud Schroeder
Zitate
Und wieder las ich manche Nacht hindurch. Bei jedem Umschlagen einer Seite erwartete ich das Gräßliche zu finden, das so vielen Menschen das Recht gab, den Sozialismus zu verabscheuen und mit allen Mitteln zu bekämpfen. Aber ich fand es nicht. Nichts entsetzte mich, und wenn ich überrascht war, so nur über die Selbstverständlichkeit jeder Kritik am Bestehenden und jeder Forderung an die Zukunft. Oft lachte ich im stillen vor Freude, wenn ich eigene, längst vertraute Ideen wiederfand; und wo meine Gedanken nicht Schritt halten konnten, sagte mein Gefühl ja und tausendmal ja. Gleiche Rechte für alle: Männer und Frauen; Freiheit der Überzeugung; Sicherung der Existenz; Frieden der Völker; Kunst, Wissenschaft, Natur ein Gemeingut Aller; Arbeit eine Pflicht für Alle; freie Entwicklung der Persönlichkeit, ungehemmt durch Fesseln der Kaste, der Rasse, des Geschlechts, des Vermögens—: wie konnte irgend jemand, der auch nur über seine nächsten vier Wände hinausdachte, sich der Richtigkeit und Notwendigkeit dieser Forderungen verschließen?!
(Aus: Memoiren einer Sozialistin. Lehrjahre)
Links
Albrecht, Kai-Britt; Harders, Levke: LeMO-Biographie: Lily Braun, 1865-1916. Tabellarischer Lebenslauf.
Online verfügbar unter https://www.dhm.de/lemo/biografie/biografie-lily-braun.html, zuletzt geprüft am 26.06.2020.
Braun, Lily: Die Frauen und die Politik. PDF-Datei (Scan, Fraktur!).
Online verfügbar unter http://library.fes.de/pdf-files/netzquelle/01765.pdf, zuletzt geprüft am 26.06.2020.
Braun, Lily: Die Liebesbriefe der Marquise. Onlinefassung. Wikisource.
Online verfügbar unter http://de.wikisource.org/wiki/Die_Liebesbriefe_der_Marquise, zuletzt geprüft am 26.06.2020.
Braun, Lily: Frauenfrage und Sozialdemokratie. PDF-Datei (Scan, Fraktur).
Online verfügbar unter http://library.fes.de/pdf-files/netzquelle/01727.pdf, zuletzt geprüft am 26.06.2020.
Braun, Lily (2010): Die Frauenfrage. Onlinefassung. Wikimedia Commons.
Online verfügbar unter http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:De_Die_Frauenfrage_(Braun), zuletzt geprüft am 26.06.2020.
Google Bücher: Lily Braun.
Online verfügbar unter http://books.google.com/books?as_epq=Lily+Braun, zuletzt geprüft am 26.06.2020.
Heimpel, Elisabeth: Braun Lily. Eintrag in Allgemeine Deutsche Biographie (ADB).
Online verfügbar unter http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00016318/image_566, zuletzt geprüft am 26.06.2020.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Braun, Lily (1)*. *Lily Braun ist in der DNB unter verschiedenen Personendaten zu finden (Stand: 08.11.2017).
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/11867353X, zuletzt geprüft am 26.06.2020.
McClintock, Matthew: Free ebooks by Lily Braun. Zum freien Herunterladen (verschiedene Formate verfügbar): Die Frauenfrage. Ihre geschichtliche Entwicklung und wirtschaftliche Seite • Im Schatten der Titanen. Erinnerungen an Baronin Jenny von Gustedt • Memoiren einer Sozialistin, Lehrjahre/Kampfjahre.
Online verfügbar unter http://manybooks.net/authors/braunl.html, zuletzt geprüft am 26.06.2020.
ngiyaw-ebooks.org: Lily Braun. Freie e-Books in verschiedenen Formaten: Die Bürgerpflicht der Frau • Die Liebesbriefe der Marquise • Memoiren einer Sozialistin - Lehrjahre.
Online verfügbar unter http://ngiyaw-ebooks.org/ngiyaw/author/braun_lily.htm, zuletzt geprüft am 26.06.2020.
Project Gutenberg: Lily Braun. Onlinefassungen von: Die Frauenfrage. Ihre geschichtliche Entwicklung und wirtschaftliche Seite • Im Schatten der Titanen. Erinnerungen an Baronin Jenny von Gustedt • Memoiren einer Sozialistin. Kampfjahre/Lehrjahre.
Online verfügbar unter http://www.gutenberg.org/browse/authors/b#a5360, zuletzt geprüft am 26.06.2020.
Projekt Gutenberg-DE: Lily Braun. Onlinefassungen von: Die Liebesbriefe der Marquise (Briefroman) • Im Schatten der Titanen. Erinnerungen an Baronin Jenny von Gustedt • Lebenssucher (Roman) • Madeleine Guimard (Opernlibretto) • Memoiren einer Sozialistin - Lehrjahre (Autobiographie) • Memoiren einer Sozialistin - Kampfjahre (Autobiographie) • Mutter Maria (Drama).
Online verfügbar unter https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/braun.html, zuletzt geprüft am 26.06.2020.
Zeno.org: Braun, Lily. Biographie und Onlinefassungen von: Lebenssucher • Memoiren einer Sozialistin.
Online verfügbar unter http://www.zeno.org/Literatur/M/Braun,+Lily, zuletzt geprüft am 26.06.2020.
Literatur & Quellen
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Vogelstein, Julie (1922): Lily Braun. Ein Lebensbild. Berlin. Klemm. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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