(Franziska Maria Louise Karoline von Kobell, verh. Luise von Eisenhart)
geboren am 13. Dezember 1827 in München
gestorben am 28. Dezember 1901 ebenda
deutsche Schriftstellerin und Salonnière
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Im Münchner Kulturleben soll sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine ähnliche Rolle gespielt haben, wie die romantischen Saloninèren in Berlin und anderen Metropolen fünfzig bis hundert Jahre zuvor. Durch ihre Hässlichkeit – eine halbseitige Gesichtslähmung infolge einer schwierigen Operation hat sie entstellt – und ihre Position als Ehefrau des Kabinettsekretärs unter König Ludwig II., August von Eisenhart, den sie schon 1853 geheiratet hat, mit zeitweiliger Dienstwohnung in der Münchener Residenz, steht sie in ihren späteren Schriftstellerinnen-Jahren weniger in der Öffentlichkeit. Durch ihre Bildung und Klugheit, ihre Freundlichkeit und Zugewandtheit sowie die Fähigkeit zum Netzwerken und Herstellen von Kontakten hat sie Zugang zu den wichtigsten kulturellen, künstlerischen und politischen Zirkeln unter Maximilian II und Ludwig II. Und darüber schreibt sie als über 50jährige erfahrene Wegbegleiterin der Monarchen und deren Entourage, nachdem ihre Kinder erwachsen sind und ihren eigenen Weg machen, und nach der Pensionierung ihres Mannes mehrere umfangreiche kulturhistorische und biografische Studien, die als Fundgrube für die Zustände an deutschen Höfen zur Zeit des Biedermeier und in der zweiten Jahrhunderthälfte gelten. Ihr Mann unterstützt sie bei ihren Recherchen und Erinnerungen und schreibt selbst; unter anderem steuert er 240 Artikel für die „Allgemeine Deutsche Biographie“ bei. Das zuletzt 56 Bände starke Werk der Louise von Kobell ist bis heute ein wichtiges Zeugnis des kulturgeschichtlichen Vermächtnisses Bayerns.
Das Ehepaar ergänzt sich prächtig in den Interessen und Veröffentlichungen. Die Lust am Schreiben und an der bildenden Kunst ist Louise von Kobell in die Wiege gelegt. Sie entstammt der Mannheimer Künstlerfamilie Kobell, die in den Niederlanden und im Bayrischen markante Spuren hinterlassen hat. Ihr Großonkel Wilhelm von Kobell ist ein bekannter spätklassizistisch-biedermeierlicher Schlachten-, Tier- und Landschaftsmaler, ihr Vater Franz von Kobell ist Professor für Mineralogie und berühmter Mundartdichter. Die Familie ist zudem seit den pfälzisch-bayerischen dynastischen Beziehungen und später im Königreich Bayern in diversen hohen Regierungsämtern, in hohen diplomatischen Diensten und in führenden Positionen im Rechtswesen zu finden. Die Familie von Kobell ist fest mit dem Aufstieg Bayerns zu einem deutschen und europäischen Machtfaktor im 19. Jahrhundert verbunden.
Eine profunde, breite Bildung durch Hauslehrer, dazu die vielfältigen Anregungen in der breiten Familie, prägen die Kindheit und Jugend. Ihr Opa mütterlicherseits, Egid von Kobell, ist Mitglied des Regentschaftsrates des noch minderjährigen Wittelsbachers Otto von Griechenland, und in dessen Gefolge ist Louise mit ihren Eltern 1834 ein Jahr in Nauplion und Athen. Hier sammelt sie vielfältige Eindrücke und Erlebnisse - Grundstock ihrer späteren Werke.
Ab den 50ern hat die seit 1857 verheiratete Louise Eisenhart enge Kontakte in Künstler- und Literatenkreise, beispielsweise zu den „Münchner Krokodilen“, unter ihnen die von Maximilian II in München versammelten Autoren um Emanuel Geibel und Paul Heyse, sowie zu Adolf Friedrich von Schack und Franz Lenbach. Ihre schriftstellerische Phase beginnt durchaus poetisch mit der Novellensammlung „Nordseebilder“, die sie auf Norderney 1881 herausgibt. Aber mit der Biografie über ihren Vater „Franz von Kobell. Eine Lebensskizze“ München 1884, findet sie ihr Thema und ihren Schreibstil. Fortan schreibt sie über herausragende Menschen ihrer Zeit, die sie überwiegend persönlich kennt oder die eine Bedeutung für ihre Familie haben. Eine Auswahl kleinerer Essays über Münchener Persönlichkeiten und Ereignisse, die in der „Allgemeine Zeitung“, „Die Deutsche Revue“ und in „Die Fliegenden Blätter“ erscheinen, veröffentlicht sie 1897 in „Münchner Porträts. Nach dem Leben gezeichnet“ als Sammlung. Auch die Freunde ihres Mannes, den Dichter Joseph Victor von Scheffel und den Theologen Ignaz von Döllinger, porträtiert sie in Biografien.
Wichtigstes Thema der Louise von Kobell werden die vier ersten Bayerischen Könige, von welchen sie die letzten beiden, Maximilian II. und Ludwig II., persönlich kennt, weil sie sich in deren engerem Umfeld aufhält. Die ersten beiden sind aus Erzählungen und Aufzeichnungen der Familie präsent. Wobei Ludwig II., dessen Kunst- und Architekturaffinität sie mit interessanten Details über die „Ludwigschlösser“ schriftstellerisch dokumentiert, im Mittelpunkt ihrer Publikationen steht.
Von Fachwissenschaftlern ihrer Zeit und Literaturwissenschaftlern werden die Unwissenschaftlichkeit und das Unsystematische ihrer Schriften hervorgehoben und ihre Detailverliebtheit sowie die vielen eingestreuten Anekdoten und persönlichen Anmerkungen und Beobachtungen kritisiert. Sie will jedoch keine wissenschaftlichen Werke schreiben, sondern ihr Lesepublikum aus der Sicht der beteiligten Beobachterin an der Gesellschaft in der Münchner Residenz teilhaben lassen.
Wenn es um den „Märchenkönig“ Ludwig II. geht, gibt es kaum jemanden, der so detailliert aber auch so sympathisch aus dem Nähkästchen plaudernd berichten kann, wie Louise von Kobell. Als Beispiel mag die Freundschaft des unmusikalischen jungen Königs zu Richard Wagner dienen. Im Zusammenhang mit Ludwig II., der insbesondere wegen seiner vom väterlichen Schloss Hohenschwangau und den darum rankenden Mythen heraufbeschworenen Schwanenbegeisterung über den „Lohengrin“ dessen Schöpfer Richard Wagner ins Herz schloss, beruft sich der Wagner-Biograf Martin Gregor-Dellin in Bezug auf die eigentümlichen Musikempfindungen des jungen Ludwig II. unter anderem auf Louise Kobell, die schreibt: „Im Grunde genommen war Ludwig nicht musikalisch; sein einstiger Klavierlehrer hatte den Tag, an dem er ihm als Kronprinzen die letzte Unterrichtsstunde gegeben, einen ‚Glückstag‘ genannt, wegen des Talentmangels seines hohen Zöglings.“
(Text von 2024 aus dem Buch “...immer Luise” von Siegfried Carl; mit freundlicher Genehmigung des Verfassers).
Literatur & Quellen
Friedrichs, Elisabeth. 1981. Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19. Jahrhunderts: Ein Lexikon. Stuttgart. Metzler.
Volland, Eva Maria & Reinhard Bauer. Hgg. 1991. München - Stadt der Frauen. Kampf für Frieden und Gleichberechtigung 1800 - 1945. Ein Lesebuch. München. Serie Piper 1006.
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