Biographien Maria Gräfin von Maltzan
(Maria Helene Françoise Izabel Gräfin von Maltzan, Freiin zu Wartenberg und Penzlin)
geboren am 25. März 1909 in Militsch/Schlesien
gestorben am 12. November 1997 in Berlin
deutsche Widerstandskämpferin, Judenretterin (»Gerechte unter den Völkern«), Tierärztin
115. Geburtstag am 25. März 2024
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Maria Gräfin von Maltzan wurde als jüngstes von sieben Kindern auf Schloss Militsch in Schlesien geboren. Sie hatte viel Bewegungsfreiheit auf dem großen Besitz mit Wäldern und Seen. Schon früh zeigte sie eine ausgeprägte Tierliebe und beobachtete Raubvögel und Tiere im Wald. Ihr Vater, an dem sie mit großer Liebe hing, hatte viel Verständnis für sie und bestärkte sie auch in ihrer Neigung, sich für Schwächere einzusetzen, wenn sie auch manchmal zu weit darin ging. So hätte sie ihren einzigen Bruder, Carlos, der von der Mutter immer den Mädchen vorgezogen wurde, einmal fast ertränkt, weil seinetwegen alle von ihm gefürchteten Schlangen getötet worden waren. Und einem anderen Jungen, der einem lebenden Molch die Beine abgeschnitten hatte, rammte sie ein Messer ins Bein.
Es war für die erst zwölf Jahre alte Maria ein großer Kummer, als ihr Vater starb. Mit der Mutter, die das eigenwillige Mädchen zu einer gehorsamen Tochter erziehen wollte, gab es immer wieder Streit, kein Wunder bei Marias rebellischem Temperament. Sie wurde nach Militsch zur Schule geschickt, dann auf ein Internat nach Warmbrunn. Da sie unbedingt das Abitur machen wollte, um studieren zu können (ihr größter Wunsch war es, Tierärztin zu werden), wechselte sie ohne Wissen der Mutter auf die naturwissenschaftliche Oberschule in Berlin. Dann begann sie mit dem Studium (Zoologie, Botanik und Anthropologie) in Breslau und München, später Veterinärmedizin in Berlin, wo sie zur Dr. rer.nat. promovierte. In München hatte sie den Kabarettisten Walter Hillbring kennen gelernt, der in der Künstlerkneipe »Simplicissimus« verbotene Lieder von Tucholsky vortrug. Die mit Hillbring 1935 geschlossene Ehe hielt nur ein Jahr.
Schon früh hatte die politisch interessierte Maltzan die heraufziehende Gefahr der Nazi-Diktatur erkannt. Im Gegensatz zu den meisten Deutschen las sie sehr aufmerksam Hitlers »Mein Kampf«, im dem sein Judenhass schon deutlich formuliert ist. Sie nahm Kontakt mit dem Jesuitenpater Muckermann auf, der eine katholische Widerstandsgruppe leitete, und bot ihm ihre Hilfe an. In seinem Auftrag schmuggelte sie antifaschistisches Pressematerial ins Ausland und beteiligte sich an einer Rettungsaktion, bei der Juden schwimmend über den Bodensee an die Schweizer Grenze gebracht wurden. Auch bei der von der schwedischen Kirchengemeinde in Berlin durchgeführten Rettungsaktion »Schwedenmöbel« half sie mit – in Möbelkisten, die schwedische Staatsbürger nach Hause schicken durften, wurden Verfolgte versteckt und so außer Landes gebracht.
In Berlin nahm Maltzan regelmäßig an den Tagungen des Solfkreises teil, einer nach Hanna Solf benannten Widerstandsgruppe, deren Mitglieder später fast alle von der Gestapo verhaftet und vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt wurden. Die Aufnahme von jüdischen und kommunistischen Flüchtlingen war auch für Maltzan immer mit Lebensgefahr verbunden. Am aufregendsten war die Zeit ab 1942, als sie ihren Freund und späteren Ehemann, den jüdischen Literaten Hans Hirschel, von dem sie schwanger war, immer im Bettkasten einer Schlafcouch versteckte, wenn die Gestapo bei ihr Hausdurchsuchungen machte. Ihr Kind kam als Frühgeburt zur Welt und starb kurz darauf, als bei einem besonders schweren Bombenangriff auf Berlin der Strom des Brutkastens ausfiel.
In der Nachkriegszeit ging es Maltzan gesundheitlich sehr schlecht, sie litt an Gallenkoliken und den Folgen ihrer Drogen- und Medikamentenabhängigkeit. Erst nach mehreren Entzugskursen gelang es ihr, sich von der Sucht zu befreien. Zeitweilig zog sie als Tierärztin mit einem Zirkus durch die Lande und arbeitete als Urlaubsvertretung in Veterinärpraxen in ganz Deutschland und der Schweiz. Mit Mitte 60 – ihr Mann, Hans Hirschel, war 1975 gestorben – , eröffnete sie noch eine eigene Praxis in Berlin-Kreuzberg, wo sie besonders unter den Punkern bekannt und beliebt war, weil sie deren Tiere unentgeltlich behandelte.
Dass Maltzan so besonders erfolgreich als »Judenretterin« war, lag wohl nicht nur an ihrem Mitgefühl für leidende und verfolgte Menschen, sondern auch an ihrem sehr selbstbewussten Auftreten, an ihrer Vorliebe für ein risikoreiches, abenteuerliches Leben und an ihrem Einfallsreichtum, wenn es darum ging, Nazi-Schergen an der Nase herumzuführen. Ihre lesenswerte, mehrfach aufgelegte Autobiographie Schlage die Trommel und fürchte dich nicht (1986) bringt dafür viele Beispiele.
1987 erhielt Maltzan von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem den Ehrentitel Gerechte unter den Völkern. (Nach dem Krieg wurde übrigens festgestellt, dass etwa zwei Drittel der namentlich bekannten Personen, die jüdische Menschen versteckt oder ihnen zur Flucht verholfen hatten, Frauen waren.)
(Text von 2012)
Verfasserin: Ulla Schweers
Eintrag zu Maria Gräfin von Maltzan im »Lexikon der Gerechten unter den Völkern«
Zitate
Denn wenn Sie anfangen, sich mit der Angst auseinanderzusetzen, dann hören Sie auf, logisch zu denken. Da ist der Moment, wo was passiert. Ich bin sowieso ein Mensch, der – sagen wir einmal – von Hause aus sehr unängstlich ist. In dem Moment, wo Sie Schrecksekunden und sowas haben, sind Sie ja viel gefährdeter, wie ein anderer. In dem Moment, wo Angst Sie beherrscht, sind Sie ja jemand, der nicht mehr nüchtern denken kann.
Ich finde, es gibt einen gewissen idiotischen Mut. Zum Beispiel, es gab im Krieg furchtbar tapfere Leute, und ich weiß nicht, wieviele von ihnen sich haben verheizen lassen – und andere mit verheizt haben.
Ich hatte einmal ein fürchterliches Verhör bei dem General von Oitmann, der mir sagte: »Gräfin von Maltzan, wir sprechen jetzt einmal unter vier Augen.« Dieser Mann hatte nur eins. Im Grunde genommen saß bei mir nur die Heiterkeit im Nacken. Konnte er nicht sagen, »Wir reden unter drei Augen«? Sein blödes Glasauge wurde mit einbezogen.
Ich bin nie in einer Partei gewesen. Ach wissen Sie, diese Parteiabende! Da wird so fürchterlich dummes Zeug geredet – da bin ich so ungeeignet für.
Maria Gräfin von Maltzan im Interview mit Ute Kurzbein (1983) – In: veto Nr. 3, Sommer 1983 – Zeitschrift der Arbeitsgemeinschaft Kritische Tiermedizin (AGKT) (s.o. das PDF des kompletten Interviews)
Links
auschwitz.dk (2013): Maria Countess von Maltzan.
Online verfügbar unter http://auschwitz.dk/maltzan.htm, zuletzt geprüft am 27.03.2019.
. de.indymedia.org (2009): Straßenumbenennung in Detmold.
Online verfügbar unter http://de.indymedia.org/2009/01/240210.shtml, zuletzt geprüft am 27.03.2019.
GettyImages: Maria Gräfin von Maltzan. Fotos (nicht zur Verwendung freigegeben!) der Gräfin, u. a. mit ihrem Tiger.
Online verfügbar unter https://www.gettyimages.de/fotos/maria-von-maltzan?mediatype=photography&phrase=maria%20von%20maltzan, zuletzt geprüft am 27.03.2019.
Google Buchsuche: Maria Gräfin von Maltzan.
Online verfügbar unter http://books.google.de/books?ei=ocW7SdSQFtKX_gaVifn0Bw&ct=result&q=Maria+Gr%C3%A4fin+von+Maltzan&btnG=Nach+B%C3%BCchern+suchen, zuletzt geprüft am 27.03.2019.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Maltzan, Maria von, 1909-1997.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/118813773, zuletzt geprüft am 27.03.2019.
Kurbiuweit, Dirk (1994): »Und wissen Sie, die Zeit war zu schlimm, um sich gerne daran zu erinnern«: Maria Gräfin von Maltzan. In: Die Zeit Nr. 14/1994.
Online verfügbar unter https://www.zeit.de/1994/14/maria-graefin-von-maltzan, zuletzt geprüft am 27.03.2019.
Rückert, Ulrike (2009): »Ich bin zu einem präzisen Gewissen erzogen worden«. Vor 100 Jahren wurde die Widerstandskämpferin Maria Gräfin von Maltzan geboren. Deutschlandfunk Kultur, 25.03.2009.
Online verfügbar unter https://www.deutschlandfunkkultur.de/ich-bin-zu-einem-praezisen-gewissen-erzogen-worden.932.de.html?dram:article_id=130387, zuletzt geprüft am 27.03.2019.
Yad Vashem: The Righteous Among The Nations – Maltzan von FAMILY.
Online verfügbar unter http://db.yadvashem.org/righteous/family.html?language=en&itemId=4043010, zuletzt geprüft am 27.03.2019.
Literatur & Quellen
Fraenkel, Daniel (Hg.) (2005): Lexikon der Gerechten unter den Völkern. Deutsche und Österreicher. Göttingen. Wallstein. ISBN 3-89244-900-7. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Maltzan, Maria Gräfin von (1952): Das neue Katzenbuch. Aufzucht und Pflege der Hauskatze. Berlin. Falken-Verlag. (Falken-Bücherei, 74) (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Maltzan, Maria von (1986): Schlage die Trommel und fürchte dich nicht. Erinnerungen. Berlin. List. 2009. (List-Taschenbuch, 60877) ISBN 978-3-548-60877-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bildquellen
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