Gemälde von Henry Lehmann (1843). Wikimedia Commons
(Marie Gräfin d'Agoult, geb. de Flavigny. Pseudonym Daniel Stern)
geboren am 31. Dezember 1805 in Frankfurt a.M.
gestorben am 5. März 1876 in Paris
französische Schriftstellerin
145. Todestag am 5. März 2021
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Auffallend am Leben der Marie d'Agoult sind die gegensätzlichen Einflüsse und Bestrebungen, die sie – oft vergeblich - in Einklang zu bringen versuchte. Geboren in Frankfurt (die Mutter stammte aus der reichen Bankiersfamilie Bethmann, der Vater de Flavigny war ein verarmter, emigrierter französischer Adliger) war ihre Kindheit und Erziehung teils deutsch, teils französisch geprägt, sie fühlte sich immer zwischen beiden Ländern und Kulturen hin- und hergerissen.
Protestantisch getauft, wurde sie von katholischen Ordensschwestern unterrichtet und erzogen. Sie bewies frühe Intelligenz, bemühte sich eifrig um Glauben und Frömmigkeit, was mit ihrer Neigung zu gesellschaftlichem Leben, Tanz und Flirts kontrastierte. Sie genoss die Bewunderung, die ihr wegen ihres Aussehens (sie war auffallend schön, schlank, blond), ihrer Musikalität, ihrer Bildung entgegengebracht wurde, stimmte dann aber ohne Widerstand der von Mutter und Bruder arrangierten Heirat mit dem 15 Jahre älteren Grafen Charles d'Agoult zu. 1827 und 1830 wurden in Paris die Töchter Louise und Claire geboren, von Marie oft als Belastung und hinderlich empfunden. Sie fühlte sich unausgefüllt, eröffnete ihren ersten Salon, um der Langeweile zu entgehen, empfand zugleich Schuldgefühle den Kindern gegenüber, wie immer, wenn sie widerstrebenden Anforderungen nicht gerecht werden konnte.
1832 fand die schicksalhafte Begegnung mit dem sechs Jahre jüngeren Pianisten und Komponisten Franz Liszt statt, der die erste (und einzige) große Leidenschaft ihres Lebens wurde. Nach dem Tod ihrer ältesten Tochter kam es zum folgenreichsten Bruch in Maries Leben: Sie verließ ihren Mann, die zweite Tochter Claire, das gewohnte Leben in Luxus und Geborgenheit und folgte Liszt in die Schweiz. 1835 wurde Blandine in Genf geboren, ein unstetes Leben auf Reisen durch die Schweiz und Italien folgte. Liszt gab Konzerte, wurde berühmt, ließ sich feiern. Marie blieb im Hintergrund, wollte die selbstlose Muse des Genies sein, was ihr nicht gelang. Sie fühlte sich vom Geliebten vernachlässigt, Krisen und leidenschaftliche Liebesbegegnungen wechselten ab, immer häufiger litt sie an schweren Depressionen mit Selbstmordgedanken. Sie brachte noch zwei Kinder von Liszt zur Welt: Cosima (1837 – die spätere Frau Richard Wagners) und Daniel (1839). Dann erfolgte nach endlosen quälenden Auseinandersetzungen die Trennung, Marie kehrte nach Paris zurück, nahm ihr früheres Leben als bewunderter Mittelpunkt ihres von vielen Berühmtheiten der Zeit (Sainte-Beuve, Lamartine, Vigny, Balzac) besuchten Salons wieder auf. Neben der schwierigen Freundschaft mit der bewunderten George Sand, die sich skrupelloser und radikaler als sie aus ähnlichen Verhältnissen gelöst hatte, wurde der Kontakt mit Emile Girardet, dem „Napoleon des Journalismus“, sehr wichtig. Er verhalf ihr endlich zu mehr Selbständigkeit und Selbstbewußtsein, indem er erstmals Artikel von ihr unter dem Pseudonym Daniel Stern veröffentlichte. Mit einem ersten Roman, Nélida, hatte sie wenig Erfolg, dagegen fand ihre umfangreiche, aus dem Blickwinkel einer Augenzeugin verfsste Geschichte der Revolution von 1848 viel Anerkennung bei Kritik und Historikern.
Trotz ihrer vielseitigen geistigen, zunehmend auch politischen Interessen blieb sie abhängig von Luxus, Eleganz und Männern, die ihr den Hof machten. Kontakte mit den Kindern, die von der Großmutter Liszt aufgezogen wurden, blieben selten, Kämpfe mit deren Vater, der das alleinige Verfügungsrecht über Aufenthalt und Erziehung hatte, waren wenig erfolgreich, wurden wohl auch nicht mit Nachdruck verfolgt wegen ihrer immer noch starken emotionalen Abhängigkeit von dem Mann ihres Lebens, den sie trotz aller Befreiungsversuche nicht vergessen konnte.
Marie d'Agoult war selbstkritisch genug, ihre literarischen Fähigkeiten nicht allzu hoch zu bewerten. Wichtig für die Kenntnis eines frühen Entwicklungsstadiums der Frauenemanzipation sind aber ihre über Jahrzehnte verfassten Memoiren und Tagebücher, die überraschend modern wirkende Passagen enthalten, z.B. “Was immer man auch behauptet hat, es ist falsch, dass die Mutterliebe die einzige Berufung der Frau sei.” (Text von 2004).
Verfasserin: Ursula Schweers
Literatur & Quellen
Bolster, Richard. 2000. Marie d’Agoult: The Rebel Countess. Yale UP. New Haven, CN.
Dupêchez, Charles F. Hg.1990. Mémoires, souvenirs et journaux de la comtesse d’Agoult (Daniel Stern). Paris. Mercure de France.
Desanti, Dominique. 1980. Daniel ou le visage secret d’une comtesse romantique, Marie d’Agoult. Paris. Editions Stock « Femmes dans leur temps ».
Stock-Morton, Phyllis. 2000. The Life of Marie d’Agoult, alias Daniel Stern. The Johns Hopkins University Press. Baltimore, Maryland.
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