(Ruth K. Angress [Ehename])
geboren am 30. Oktober 1931 in Wien
gestorben am 6. Oktober 2020 in Irvine, Kalifornien
österreichisch-US-amerikanische Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin
90. Geburtstag am 30. Oktober 2021
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
»Ich traue Deutschland und der deutschen Literatur nicht«, sagt Ruth Klüger als ihr 2005 die Goethe-Medaille verliehen wird, »aber es ist meine Muttersprache, und es ist die Literatur, mit der ich seit frühester Kindheit vertraut war.«
In ihrer 1992 erschienenen und in deutscher Sprache geschriebenen Autobiographie weiter leben. Eine Jugend reflektiert sie ihre Erinnerungen an die Verfolgung ihrer jüdischen Familie im nationalsozialistischen Wien und an ihr Überleben in den Konzentrationslagern Theresienstadt, Auschwitz-Birkenau und Christianstadt (Groß-Rosen) vor dem Hintergrund ihres Weiterlebens.
Literatur ist der gebürtigen Wienerin und amerikanischen Literaturwissenschaftlerin schon früh zum Mittel und Medium der Reflexion und Selbstbehauptung geworden: In Wien stillt die Achtjährige ihren Lesehunger mit deutschen Klassikern und Romantikern aus der Familienbibliothek, in Auschwitz werden die Schillerschen Balladen zu »Appellgedichten« für die Zwölfjährige, die ihr Zeile für Zeile die stundenlangen Appelle überstehen helfen. Selbst hat sie 1944 in Auschwitz zwei Gedichte verfasst und damit versucht, »das Trauma der Auschwitzer Wochen in ein Versmaß zu stülpen«.
Im Februar 1945 gelang ihr zusammen mit ihrer Mutter und einer Freundin während des Todesmarsches aus Christianstadt die Flucht. Nach Notabitur und einem ersten Studienjahr in Regensburg emigriert Ruth Klüger 1947 zusammen mit ihrer Mutter nach New York und studiert dort Anglistik und Bibliothekswissenschaften.
Ausgerechnet ihre nach Kriegsende unautorisiert veröffentlichten Auschwitz-Gedichte waren es, die Ruth Klüger 1962 das Angebot des German Department zum Germanistik-Studium bescherten. Als geschiedene Bibliothekarin mit zwei kleinen Söhnen ergriff sie diese Chance und promovierte.
Seit 1967 lehrt sie deutsche Sprache und Literatur u.a. an der University of California in Berkeley und in Princeton. Heute hat sie eine Professur für Germanistik in Irvine (Kalifornien) inne und ist Gastprofessorin in Göttingen.
Ruth Klüger fordert in ihren Vorträgen und Essays zur selbstkritischen Auseinandersetzung mit deutscher Geschichte und Literatur auf, provoziert die germanistische Zunft mit ihren feministisch orientierten Essays Frauen lesen anders und löste u.a. mit ihrem Angriff auf literarischen Holocaust-Kitsch öffentliche Debatten aus. In der konsequenten Verschränkung ihrer Zeitzeugenschaft – als Frau, als Jüdin, als Überlebende des Holocaust – und scharfsinniger literaturwissenschaftlicher Analyse liegt die Brisanz ihrer Texte. Ruth Klüger fordert die Leserin (und manch einen Leser) dazu heraus, sich von ihrem Widerspruchsgeist und ihrer Denklust anstecken zu lassen und die intellektuelle Auseinandersetzung aufzunehmen.
Ruth Klüger ist am 6. Oktober 2020 in Irvine, Kalifornien, gestorben.
Verfasserin: Kerstin Reimers
Zitate
Freunde ergänzen einander, ergänzen heißt ganz machen, um das nötig zu haben, muß man beschädigt sein, aber wenn man es nötig hat, so kann man auch niemand brauchen, der auf dieselbe Art beschädigt ist, sondern jemand, der andere Schäden aufweist. Die Freunde füllen die Lücken, komplementär, sie holen auf, was einem fehlt, sie tun, was man versäumt hat, Verwandte tun das nicht, oder wenn, dann nur zufällig. (Ruth Klüger, in: Still Alive – A Holocaust Girlhood Remembered)
Ich halte nichts von Geduld. Wenn man etwas tun will, soll man es jetzt tun. Sich hinsetzen und machen. Die Schuhe anziehen und gehen. (Ruth Klüger im Interview, in: Die Presse, 06.06.2010)
Links
Ruth Klüger: »Wien schreit nach Antisemitismus«. Interview (2006). In: Spiegel online, 31.08.2006. (Link aufrufen)
Correia, Arlindo: Ruth Klüger. Zusammenstellung englischsprachiger Beiträge zu Ruth Klüger. (Link aufrufen)
Correia, Arlindo: Ruth Klüger. Zusammenstellung deutschsprachiger Beiträge zu Ruth Klüger. (Link aufrufen)
Detering, Heinrich (1999): Tauziehen. Laudatio zur Verleihung des Thomas-Mann-Preises an Ruth Klüger am 10.5.1999. (Link aufrufen)
echomedia verlag: Video – Ruth Klüger im Gespräch. 35:22 min. (Link aufrufen)
Heidenreich, Elke (2006): »Glück ist Sonne auf der Hoteltapete«. Bei ihr lernt man Verstand, Witz, Trotz und Mut: Elke Heidenreich gratuliert Ruth Klüger zum Roswitha-Preis. Welt online, 04.11.2006. (Link aufrufen)
Internet Movie Database: Ruth Klueger. Filme. (Link aufrufen)
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Ruth Klüger. Bücher und Medien. (Link aufrufen)
Klinggräff, Fritz von; Helbing, Michael: Zivilisation ist immer gefährdet. Ein Gespräch mit Ruth Klüger und Jutta Limbach zur Erinnerungskultur 60 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz und Buchenwald. In: Frankfurter Rundschau, 9. April 2005. (Link aufrufen)
Klüger, Ruth (1997): Rede zur Verleihung der Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft (Link aufrufen)
Klüger, Ruth (2010): Anders lesen. Bekenntnisse einer süchtigen E-Book-Leserin. In: Neue Zürcher Zeitung, 22. November 2010. (Link aufrufen)
Perlentaucher: Ruth Klüger. Rezensionen. (Link aufrufen)
Pletter, Marita (1995): Der Pazifik hat die richtige Farbe. Ein Gespräch mit der Schriftstellerin Ruth Klüger über Auschwitz, über das Judentum, über das Schreiben. In: Die Zeit, 10/1995 vom 3. März 1995. (Link aufrufen)
Rathmanner, Petra (2010): Ruth Klüger. Erinnerung ist immer unverdaulich. Interview. In: Wiener Zeitung, 7. August 2010. (Link aufrufen)
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Literatur & Quellen
Kimmich, Dorothee und Klüger, Ruth (Hg.) (2005): Männlichkeitsrituale, Handkuss un
d Verbeugung. Künzelsau. Swiridoff. (Würth-Literatur-Preis, 16) ISBN 3-89929-070-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (1971): The early German Epigram. A study in baroque poetry. Lexington. University Press of Kentucky. (Studies in the Germanic languages and literatures, 2) (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (1992): Weiter leben. Eine Jugend. Mit mp3-Hörbuch, gelesen von der Autorin. Göttingen. Wallstein. 1992. ISBN 3-8353-0298-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (1994): Katastrophen. Über deutsche Literatur. Erw. Neuaufl. Göttingen. Wallstein. 1994. ISBN 978-3-8353-0484-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (1994): Lesen Frauen anders? Vortrag: 17. Mai 1994. Heidelberg. Müller. (Heidelberger Universitätsreden, 6) ISBN 3-8114-0795-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (1996): Frauen lesen anders. Essays. Orig.-Ausg. München. Deutscher Taschenbuchverlag. (dtv, 12276) ISBN 3-423-12276-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (1996): Von hoher und niedriger Literatur. Göttingen. Wallstein. (Politik – Sprache – Poesie, 1) ISBN 3-89244-212-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (1997): Weiter leben. Eine Jugend. Regie: Brita Steinwendtner. Gelesen von Ruth Klüger. München. Der Hör-Verlag. ISBN 3-89584-285-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (2000): Dichter und Historiker. Fakten und Fiktionen ; Vortrag vom 24. März 1999. Wien. Picus. (Wiener Vorlesungen im Rathaus, 73) ISBN 3-85452-373-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (2001): Schnitzlers Damen, Weiber, Mädeln, Frauen. Vortrag vom 25. Mai 2000. Wien. Picus. (Wiener Vorlesungen im Rathaus, 79) ISBN 3-85452-379-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (2003): Zwickmühle oder Symbiose: War Heinrich Heine ein Geisteswissenschaftler? Vortrag vom 12. Juni 2002. Heidelberg. Müller. (Heidelberger Universitätsreden, 17) ISBN 3-8114-5120-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (2004): Ein alter Mann ist stets ein König Lear. Alte Menschen in der Dichtung ; Vortrag anlässlich der Eröffnung des 6. Wiener Internationalen Geriatriekongresses “Aktives Altern - Active Ageing” am 21. Mai 2003. Wien. Picus. (Wiener Vorlesungen im Rathaus, 104) ISBN 3-85452-504-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (Hg.) (2005): Vom Eigensinn der Kunst. Bamberg. Universitätsverlag Bamberg. ISBN 3-933463-20-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (2006): Gelesene Wirklichkeit. Fakten und Fiktionen in der Literatur. Göttingen. Wallstein. ISBN 978-3-8353-0026-2. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (2007): Gemalte Fensterscheiben. Über Lyrik. München. Deutscher Taschenbuchverlag. 2007. (dtv, 13953) ISBN 978-3-423-13953-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (2008): Unterwegs verloren. Erinnerungen. München. Deutscher Taschenbuchverlag. 2008. (dtv, 13913) ISBN 978-3-423-13913-7. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klüger, Ruth (2010): Was Frauen schreiben. München. Deutscher Taschenbuchverlag. 2010. (dtv, 14045) ISBN 3-423-14045-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Raitz, Brigitte, Klüger, Ruth und Ott, Ulrich (Hg.) (2001): »Ein Wörterbuch anlegen«. Marie Luise Kaschnitz zum 100. Geburtstag. Mit einem Essay von Ruth Klüger. Marbach am Neckar. Deutsche Schillergesellschaft. (Marbacher Magazin, 95) ISBN 3-933679-51-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Schmidtkunz, Renata (2008): Im Gespräch – Ruth Klüger. 1. Aufl. Wien. Mandelbaum. ISBN 978-3-85476-284-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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