(Tschirfser Hexe, Tschierser Hexe)
Geburtsdatum und -ort unbekannt
enthauptet und verbrannt 1649 in der Fürstenburg in Burgeis
Südtiroler Heilkundige, der Hexerei verdächtigt, mehrfach gefoltert und schließlich als »Hexe« verurteilt und hingerichtet
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Unwetter, Tierseuchen, Ernteausfall und Tod. Im Dienste des Teufels stand sie, davon waren Verfolger und Ankläger aus Graubünden und dem Obervinschgau überzeugt. Am 9. Februar 1649 sollte sie dafür im Namen des Churer Bischofs enthauptet und anschließend verbrannt, ihre Seele durch das Feuer gereinigt werden. Sie war die letzte hingerichtete Hexe im Vinschgau.
Über Steffa de Leys Leben weiß man wenig. Manche Quellen, die sich vor allem auf Verhöre und Folterungen beziehen, sprechen von einer namenlosen Frau, die mit aller Wahrscheinlichkeit Vorbild für Steffa de Ley war, wie sie später in den Vinschger Sagen vorkommt. Vielleicht, weil sie sich so lange den Folterungen widersetzt hatte, weil das Volk – möglicherweise von Gewissensbissen geplagt – Erbarmen mit und Angst vor ihr hatte, fand sie als Tschirfser und Tschierser Hexe Niederschlag und Gestalt in der Vinschger Sagenwelt. Hier sind es vor allem weibliche Hexen, die der Wettermacherei und des Schadenzaubers kundig sind, die das Land mit Hagelschlag und Stürmen, Kälteeinbrüchen und niederstürzenden Muren heimsuchen.
Die Hexe Nauna war es, die mit Hilfe des Rambaches Laatsch verwüstete. Die Hexe von Tschengls vollbrachte es, dass die Kühe keine Milch mehr gaben. Die Wetterhexe von Kastelbell schickte zwei Muren auf die Höfe von Freiberg hinab. Und es war schließlich die Tschirfser Hexe aus dem Münstertal, die Piawenn unter einer Mure begrub.
In anderen Quellen wird sie namentlich erwähnt, als Bäuerin aus dem kleinen Ort Tschierv nahe dem Ofenpass im Münstertal.
Ihr Schicksal ist so oder so jenem vieler anderer Frauen gleich, die grundlos zu »Täterinnen« gemacht wurden oder sich aufgrund eines besonderen Wissens über die Heilkraft von wilden Kräutern verdächtig gemacht hatten, weil sie gar ihr Wissen anwandten, um anderen zu helfen.
Unbestätigten Quellen zufolge war Steffa de Ley Gattin des Konrad de Ley. Mit dem Mann, dem Sohn und der Schwiegertochter lebte sie als »wissende« Frau auf einem Hof im kleinen Weiler Tschierv nahe dem Ofenpass im Kanton Graubünden. Dort erzählen besonders viele prähistorische Steinanlagen und archäologische Funde, Megalithen und Menhire, Schalensteine und Ritzungen von Göttinnen, Elfen, Hexen und seltsamen Gestalten mit Brüsten und Bäuchen, Hörnern und Kuhaugen.
Was in Zeiten des Aberglaubens und der Volksfrömmigkeit überhaupt von weisen Frauen, von Generation an Generation, von Frau an Frau, Mutter an Tochter weitergegeben wurde, dessen soll auch die Bäuerin Steffa de Ley kundig gewesen sein: Sie kannte die Heilkraft der verschiedenen Kräuter, sammelte sie zur rechten Jahreszeit, bereitete Salben und Tees und wandte ihre Mittel auch an: Von einer der berühmtesten Südtiroler Hexen, Anna Jobstin (im Zuge der Völser Hexenprozesse auf Schloss Prösels verurteilt und 1506 am Scheiterhaufen verbrannt), ist bekannt, dass sie beim Verhör vor allem von folgenden Pflanzen gesprochen hat: Salvus, (Salbei), Aconitus napellus (blauer Eisenhut), Verbascum (Königskerze) und Sedum (Fetthenne). Es sind allesamt Kräuter und Blumen, die heute in der Naturmedizin wieder zum Einsatz kommen.
Als ihre Schwiegertochter im Kindbett lag, verabreichte ihr Steffa de Ley einen besonderen Tee zur Stärkung nach der Niederkunft. Als jene einige Wochen später zur Beichte ging und über ein krummes Bein klagte, das sie seit dem Genuss dieses Getränkes plage, wurde die Bäuerin aus Tschierv verdächtigt und stand von nun ab unter Beobachtung der Bevölkerung und Geistlichkeit: In Zeiten des Umbruchs, der Unsicherheit und der Angst war sie ein willkommenes Opfer zur Ausgrenzung, zur Eliminierung von störenden, die Ordnung der Gesellschaft gefährdenden Mächten, zur Unterdrückung einer von der Kirche missbilligten und gefürchteten individuellen Spiritualität; war sie ein willkommenes Opfer zur Hexenverfolgung, die in Wahrheit eine Verfolgung der Frauen und vieler mit ihnen verbundener Männer war. Vor allem im nahen Bünden wurden viele Hexen verfolgt und verbrannt. Im Vergleich dazu war Tirol – zumindest solange, bis nicht weitere Urkunden in alten Pfarr-und Gerichtsarchiven gefunden werden – ein zurückhaltendes Land, wenn auch hier genug Prozesse und Hinrichtungen historisch bezeugt sind: In Völs am Schlern wurden zwischen 1506 und 1510 an die 30 Bäuerinnen der Hexerei und Teufelskünste schuldig empfunden und verbrannt, 1540 wurde in Sarnthein die Pacher-Zottl (Barbara Pachlerin) zum Tode verurteilt. Der Lauterfresser Matthäus Perger wurde 1645 in Mühlbach hingerichtet. Tagebücher, Protokolle und Urkunden aus jener Zeit erzählen von 242 Prozessen auf dem Gebiete des heutigen Nord-, Ost- und Südtirol sowie von 420 klar auszumachenden Personen, die vor Gericht gestellt wurden. Von vergleichsweise »nur« 72 Personen ist die Hinrichtung aktenkundig, 38 davon sind weiblich, 34 davon männlich. Tirol wird insofern von der Forschung als ein Land mit mäßiger Hexenverfolgung angesehen, auch wenn hier – genauso wie anderswo – auch Kinder schlimmster Folter unterzogen wurden.
Sie sei verhext worden, das hatte die Schwiegertochter dem Pfarrer erzählt. An das Beichtgeheimnis hielt er sich ob solcher Nachricht nicht, die Nachricht verbreitete sich schnell. Als der Ehemann schwer erkrankte, als Steffa de Leys Tees nicht wirkten und sie sich an das Mischen einer Salbe machte, um die Schmerzen des Mannes zu lindern, bezichtigte man sie bereits der Teufelsbuhlschaft und Zauberei: Da zu jener Zeit zunehmend Ärzte an Universitäten ausgebildet wurden, diese in den Heilerinnen eine große Konkurrenz sahen, wurden heilkundige Frauen besonders gern verfemt und verleumdet, auch absichtliche Quacksalberei wurde ihnen unterstellt, wenn eine Heilung misslang. Als der Ehemann kurz nach Verabreichung der Salbe stirbt, spricht die abergläubische Bevölkerung von einer Strafe Gottes, es wird ihr angelastet, eine Anhängerin der schwarzen Kunst, eine Vertreterin der Anderswelt zu sein: Indem sie Gegenstände oder gar Menschen mit ihrer besonderen Salbe bestreiche, erweise sie sich nicht nur selbst als williges Werkzeug des Teufels, sie vermache ihm damit auch die Seele des Sterbenden.
Da Steffa de Ley in Tschierv als »Gotteslästerin« keine Ruhe mehr findet, verlässt sie den Hof, geht nach Müstair und von dort ins obere Vinschgau, das in jenen Jahren noch zu Graubünden gehörte; erst zwischen 1620 und 1650 wurde das gesamte Gebiet nach und nach tirolerisch. Als Magd hofft sie, in der Fremde eine Unterkunft und ein neues Leben zu finden. Sie war zweifelsohne eine autarke Frau, die sich dem Schicksal nicht beugte; eben genau deshalb bestens dazu geschaffen, als »Sündenbock« für Unerklärliches ausgegrenzt und verdammt zu werden.
Doch das Gerede über sie holt sie ein, das Blutgericht von Burgeis, das auf Geheiß des Bischofs von Chur mit der Verfolgung und Verbrennung von Hexen betraut ist, wird bald schon auf sie aufmerksam; als ein Hagelschlag eine Ernte beinahe zerstört, fällt wieder ihr Name. 1648 werden die Vorkommnisse gegen Steffa de Ley aufgrund von Zeugenberichten zusammengetragen: Manche geben an, sie hätten gesehen, wie sie die Milch verhext, Kinder getötet und Verstorbene der ewigen Ruhe beraubt hätte. Peter Gaudenz, Schlosshauptmann der Fürstenburg, bestimmt daraufhin die Verfolgung von Steffa de Ley und informiert schließlich im November 1648 in einem Brief den Klosterrichter von Münster, eine der Hexerei verdächtigte Frau aus Tschierfs eingezogen und in der Burg inhaftiert zu haben.
Zunehmend mehren sich zugleich die Gerüchte, dass sie eine Schülerin der sagenumwobenen Hexe Nauna sei, deren Hexen-tanzplatz sich auf dem alten Eseltrai, am Eselsweg zwischen dem Benediktinerkloster Marienberg und dem Schloss Rotund befinde. Solche Hexentanzplätze, Teufelsplatten und Hexenbö-delen findet man übrigens an vielen Orten der Alpen und auch anderswo in ganz Europa: Nicht zufällig sind sie heute nach wie vor Stätten der Verehrung, der Scheu, des Schreckens und der Schönheit, mit Kirchen und Kapellen versehen.
Angeklagt wird sie schließlich der Buhlschaft mit dem Teufel, des Mordes, der Schädigung der Gemeinschaft.
Da sie trotz härtester Vernehmungen ihre Unschuld beteuert, wird sie auf Geheiß des Churer Bischofs gefoltert; ihre Unschuldsbeteuerungen werden als Lügen abgetan. Laut manchen Urkunden wird sie dreimal, laut einer anderen sogar neunmal verhört und der Folter unterzogen. Beim ersten Mal werden ihr die Folterwerkzeuge vorgeführt, wird ihr die Wirkung der Instrumentarien erklärt und nahegelegt, dem Teufel zu entsagen. Da sie bei ihren Unschuldbeteuerungen bleibt und keine Gnade findet, wird sie das zweite Mal in Anwesenheit der Fürstenburger Geschworenen an den gefesselten Armen hochgezogen, bis die Glieder ausrenken, dabei immer wieder befragt, wozu Nauna sie angestiftet habe, wie sie das Gewitter gebraut habe, wo und zu welchem Anlass und Zweck getanzt worden sei. Nachdem man ihr wohl Zeit gegeben hat, sich zu erholen, um bei vollem Bewusstsein die Schmerzen zu erleben, werden ihr auch noch Gewichte an die Beine gehängt.
Ihre Schreie mögen vielleicht Anlass dafür gewesen sein, dass die Burgeiser Bevölkerung sich ihrer erbarmt, die Burgeiser Bauern dem Churer Bischof einen Brief schreiben, in dem sie damit drohen, die Wiesen nicht mehr zu bearbeiten – wenn man sie nicht frei lasse oder endlich das Todesurteil vollstrecke. Bevor die Antwort eintrifft, wird sie ein drittes Mal gefoltert. Ein zentnerschwerer Stein wird ihr an die Füße gebunden, er bricht ihr die Glieder und den Widerstand, das Gericht erreicht, dass sie spricht: Im Jahre 1634 sei sie von einem in der Zwischenzeit bereits hingerichteten Mann zur Teilnahme an Hexensabbatten überredet worden. Bei drei Zusammenkünften sei sie zugegen gewesen. Einen Bauern habe sie beim wilden Tanz um das Feuer verhext, den eigenen Gatten getötet. Sie spricht von Wetterzauber und Schadenzauber und gesteht, was ihr die Richter und »Gotteshausmänner« in den Mund legen.
Jetzt erst kommt die Antwort aus Chur. Hatte man zuerst auf den Tod am Scheiterhaufen gepocht, so war sie nun begnadigt zum Tod durch das Schwert. Erst der tote Körper sollte (mitsamt dem Kopf) dem Scheiterhaufen übergeben werden – ein gnadenvoller Akt.
Nach vier Monaten Kerkerhaft wird sie am 9. Februar 1649 nahe der Schweizer Grenze beim Confmkreuz unweit der Ortschaft Taufers in Münstertal enthauptet und verbrannt. Das Feuer sollte die Seele reinigen, die Asche im Wind verstreut werden, damit sie keinen Platz auf Erden fände.
Es war der letzte Hexenprozess im Vinschgau. Abgesehen von einer Holzskulptur am heutigen Sonnensteig, am ehemaligen Eselsweg, die ein zeitgenössischer Künstler schuf, erinnert kein Mahnmal, kein Schild an sie, ihr Name aber lebt in den Sagen weiter.
Im 18. Jahrhundert wurde die letzte vermeintliche Hexe in Deutschland hingerichtet. In einigen afrikanischen und südamerikanischen Ländern und im indonesischen Raum fordert der Hexenwahn aber immer noch tausende Tote pro Jahr. Die Zeitschrift Der Vinschger schreibt im Jahre 2003: „Vor allem unbequeme Frauen werden dort bis heute als Sündenböcke für Missernten, unerklärliche Todesfälle und Aidsinfektionen missbraucht. Und wie schon im 16. und 17. Jahrhundert morden die Menschen heute vor allem aus Gründen der Selbstjustiz. Auch die riesige Welle der Verfolgungen in Europa hatte ähnliche Beweggründe. Entgegen der allgemeinen Vorstellung loderten die meisten Scheiterhaufen dort nicht im Mittelalter, sondern in der frühen Neuzeit.”
Verfasserin: Astrid Kofler
Links
Perger, Andrea: Hexenwahn im Tal – Dunkles Kapitel der Geschichte. In: Der Vinschger, Ausgabe 22/03 - 20.11.03. (Link aufrufen)
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Literatur & Quellen
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DiGesaro, Pinuccia (1988): Streghe. L'ossessione del diavolo, il repertorio dei malefizi, la repressione. 1. Aufl. Bolzano. Praxis 3. (Biblioteca) (WorldCat-Suche)
Haid, Hans (2006): Mythen der Alpen. Von Saligen, Weissen Frauen und Heiligen Bergen. Wien, Köln, Weimar. Böhlau. ISBN 978-3-205-77541-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Laner, Jul Bruno: Andreina – die Tschirfser Hexe. Eine Gerichtsverhandlung in Glurns Anno Domini 1647. Skizze zu einem Theaterstück.
Rabanser, Hansjörg (2006): Hexenwahn. Schicksale und Hintergründe; die Tiroler Hexenprozesse. Zugl.: Innsbruck, Univ., Diss., 2005 u.d.T.: Rabanser, Hansjörg: Die Hexenverfolgungen in Tirol. Innsbruck, Wien. Haymon. ISBN 978-3-85218-509-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Schäfer, Martina (2000): Die magischen Stätten der Frauen. Reiseführer durch Europa. München. Hugendubel. (Sphinx) ISBN 3-7205-2121-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Widmoser, Eduard (1995): Südtirol von A – Z. Innsbruck, München. Südtirolverlag. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wieser, Christoph; Neumair, Günther (2011): Die Tschirfser Hexe [Film]. Bozen. Rai Sender.
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