Das Lied von Bernadette La Hengst
Vorgestern geriet ich zufällig in einen vier Jahre alten Podcast aus der Serie “Feminismus Heute” des Deutschlandradios. Inzwischen war das also Feminismus von gestern geworden.
Zu hören war “Die Musikerin und Performerin Bernadette La Hengst über Lebensentwürfe”. Ich hatte von der “Musikpowerfrau” aus Bad Salzuflen noch nie gehört, was aber gar nichts heißen will, denn ich höre seit dem Aufkommen der Disco Music Ende der 70er Jahre kaum noch Rock- und Popmusik. Irgendwann in den 90ern habe ich noch die Indigo Girls mitbekommen, und das war’s dann auch schon.
Bernadette La Hengst, Jahrgang 1967, faszinierte mich sofort wegen ihres aparten Namens. Die Interviewerin Svenja Flaßpöhler (der Name ist ja auch nicht ohne) befragte sie dazu und erfuhr, dass sie eigentlich Bernadette Hengst hieße und dass alle immer dachten, das sei ihr “Künstlername”. Dadurch angeregt, machte sie dann einen Künstlerinnennamen daraus, indem sie das “La” einfügte. Sie habe dabei an La Garbo gedacht, oder an La Knef.
Aber wer sagt denn “La Garbo” oder “La Knef”? Hier sagen wir doch eher “die Knef” und “die Garbo” und “die Callas”. Höchstens bei Callas auch mal “La Callas”, wie ihre italienischen und französischen Fans.
Warum also nicht Bernadette Die Hengst? Wurde nicht gefragt und daher auch nicht verraten. Über die rasante Mischung aus weiblichem “La” und männlichem “Hengst” wurde auch kein Wort verloren, solche Kombinationen verstehen sich im Zeitalter von Transgender wohl von selbst.
In dem Interview gab die Künstlerin, die sich auch entschieden als solche versteht, viel Kluges zum Feminismus von sich, obwohl sie sich unnötigerweise von meinen geliebten Birkenstockschuhen distanzieren zu müssen glaubte, die nach ihrer Aussage zur Standardausstattung “biederer” und “asexueller” Altfeministinnen gehören. Solche Altfeministinnen wollten sich in ihren “lila betuchten Frauenhäusern” von Männern abgrenzen und dort z.B. bei Konzerten mit ihrer damaligen Band “Die Braut haut ins Auge” keine Männer zulassen - diese Engstirnigkeit sei ihr immer zuwider gewesen.
Bernadette La Hengst hat eine kleine Tochter, die sie sehr liebt - aber natürlich macht La Fohlen ihr Leben nicht einfacher. Sie hat sogar einen Song “Rockerbraut & Mutter” über die Zwiespältigkeit des Mutterglücks geschrieben, den sie auf ihrer CD “La Beat” veröffentlicht hat.
Baby, baby, baby, wo ist das Vorbild für das Leben das ich meine? Wo sind die Role Models, die mir zeigen, wie es geht, vielleicht gibt es welche, ich kenne keine. Und jetzt bin ich schon mittendrin in diesem Leben, das ich mir nicht zugetraut hab, wie solln das zusammen gehen? Rockerbraut und Mutter. ich geh wie auf Butter, ich fühl mich wie die erste Frau auf der Erde, als wäre da keine Geschichte, liegt es vielleicht daran, daß man nicht darüber spricht, und keine Gedichte schreibt, keine Bilder malt, keine Lieder singt? dieses Lied ist für dich, mein Kind.
Bei den Altfeministinnen hätte La Hengst massenhaft Role Models und Texte über ihr Problem finden können. Sie haben das sofort thematisiert, ja die Frauenbewegung entstand in Deutschland 1968 mit dem Aktionsrat zur Befreiung der Frauen in Berlin, dem es genau um La Hengsts uraltes Problem ging: Wie schaffe ich es, Künstlerin oder sonstwie berufstätige Frau und gleichzeitig Mutter zu sein? Um dies Problem gemeinsam zu lösen, auch gemeinsam mit den Vätern, gründeten die entnervten, aber zielstrebigen Mütter die berühmten Kinderläden in Berlin.
Nachzulesen ist das alles (und nicht nur das!) haarklein in dem wunderbaren Buch von Iris Gusner und Helke Sander, Fantasie und Arbeit: Biografische Zwiesprache. Schüren Verlag 2009. Auch Helke Sanders Film "Mitten im Malestream" (2005) beschäftigt sich ausführlich mit diesem Aspekt der Geschichte der deutschen Frauenbewegung.
Also der “Feminimus heute” à la Bernadette La Hengst ist tatsächlich von gestern und bedarf vor allem der bewussten Aneignung bereits erreichter Problemlösungen und erprobter Strategien der Birkenstockfeministinnen.
Im Gegenzug will ich auch gerne was von La Hengst übernehmen. Das vielseitig einsetzbare “La” ist mir sehr sympathisch. Vielleicht sollte ich mich Luise La Pusch nennen? Manchmal werde ich nämlich von Veranstaltern als “Luise Puff” oder “Luise Pfusch” vorgestellt. Mit einem schicken “La” dazwischen wäre das vielleicht leichter zu ertragen.
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9 Kommentare
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26.09.2010 um 22:25 Uhr Christine
Luise La Pusch - ha, ich lach mich weg! Aber wenn Dein Blog schon “Laut & Luise” heißt, warum dann nicht Luise La Bouche? Im Fränggischen z.B. macht das keinen Unterschied.