Die Ex
Letzte Woche lief im Fernsehen spätnachts der Film Die Ex bin ich von Katrin Rothe. Er handelt von drei jungen Frauen, die nacheinander mit demselben jungen Mann eine Beziehung hatten. Brit noch während der Schulzeit, Sandra war die mittlere, Anne die letzte - bevor Bert Selbstmord beging. Nun gehen sie gemeinsam seine Sachen durch und versuchen dabei herauszufinden, warum er das getan hat.
Was mich an dem Titel faszinierte, war der Ausdruck “die Ex”. Joey hatte schon öfter von “ihrem Ex” gesprochen - wie sie heute erzählte, weil sie nicht wusste, ob “Dick” hier gleich verstanden würde (Dick Cheney war Mitte der achtziger Jahre noch keine bekannte Größe), ob die Leute vielleicht denken würden, sie hätte “der Dicke” gesagt. Außerdem bedeutet Dick auf Englisch auch “Schwanz” - all das war ihr ungemütlich, und “mein ehemaliger Ehemann”, das brachte sie auch nicht über die Lippen. Also “mein Ex”, frei aus dem Englischen.
“Die Ex”, das hatte ich bis dahin noch nie gehört. Das Interessante an dem Wort ist, dass es nicht “moviert” wird, also mit einem angehängten "-in" aus "der Ex" abgeleitet: der Ex, die Exin, wie es sonst im Deutschen üblich ist.
In der 20. Auflage des Duden von 1992 kommt das Substantiv Ex noch nicht vor, es gibt da nur die Vorsilbe: “Ex… = ehemalig, z.B. Exminister”. 12 Jahre später meldet die 23. Auflage von 2004: "Ex, der und die; umgangssprachlich kurz für Exfreund[in], Exehemann bzw. Exehefrau."
Ja, warum sagt das Volk hier plötzlich nicht “der Ex / die Exin”? Vielleicht, weil es im Englischen “the ex” heißt und das schlicht übernommen wurde, für beide Geschlechter? Glaube ich nicht, wenn ich z.B. an "manager" denke, das als "der Manager" und schließlich auch "die Managerin" ins Deutsche kam. Oder nehmen wir ein neueres, schickeres Wort, “art director”. Der Duden von 2006 sagt dazu: "Artdirector, der (engl.) (künstlerischer Leiter des Layouts in einer Werbeabteilung)." Eine Artdirector ist nicht vorgesehen. Und eine Boss natürlich schon gar nicht, obwohl das Wort im Englischen geschlechtsneutral ist.
Ich erkläre mir diese Ausnahme folgendermaßen: Wenn ich bei Google “mein Ex” eingebe, werde ich als erstes gefragt: "Did you mean meine Ex”? Geboten werden dann 138.000 Vorkommnisse von "mein Ex". Suche ich hingegen nach “meine Ex”, werde ich nicht gefragt "Did you mean mein Ex”? Und ich bekomme fast dreimal so viele Fundstellen geliefert: 335.000 für "meine Ex".
Die vielen Seiten über “meine Ex” sind überwiegend von Hass geprägt. Typisch sind Texte wie "Meine Ex - Hier rächen sich Boys an Ihrer Ex Freundin indem Sie Nacktbilder von den Mädels veröffentlichen - Jede Menge Erotik für wenig Geld · Bereits Mitglied? Dann logge dich Hier ein."
Wie das Internet belegt, wird “meine Ex” weit häufiger gebraucht als "mein Ex". "Die Ex" scheint das Original zu sein, nicht "der Ex". Und somit gehört diese Ausnahme des deutschen Wortschatzes wohl in die Nähe der Gruppe Witwe, Witwer und Hexe, Hexer; Ente, Enterich; Gans, Gänserich, bei denen das Maskulinum aus dem Femininum abgeleitet wird. Witwen sind seit jeher die “Normalform”, denn ein Witwer blieb nicht lange Witwer, sondern heiratete die nächste, und wenn er die zu Tode geschwängert hatte, kam wieder die nächste dran. Die Kunst der Hexerey wurde mit Vorliebe Frauen nachgesagt - zur Zeit des Hexenwahns eine beliebte Methode, aufmüpfige Frauen loszuwerden und sich ihr Hab und Gut unter den Nagel zu reißen. Beim Geflügel (Gans, Ente) ist das Weibchen die Normalform, weil es Eier legt und damit das nützlichere Nutztier ist.
Was lernen wir aus dem Befund?
A) Es gibt weit mehr Exfreundinnen als Exfreunde, mehr weibliche als männliche "Exe". In Katrin Rothes Film, der mich überhaupt auf dieses Thema brachte, haben drei Frauen je einen Ex, und zwar denselben Bert, dieser eine Ex aber hatte sie alle drei.
B) Wenn Frauen einen Freund verlieren oder ihm den Laufpass geben (müssen), stellen sie ihn normalerweise nicht im Internet bloß, sind sie eher traurig als rachedurstig. Wenn Männer eine Frau verlassen und erst recht, wenn sie verlassen werden, rächen sie sich oft. Nacktfotos von der Ex im Netz sind noch die mildere Variante, die extreme Variante ist Mord.
Einen Superhit landete die Gruppe Die Ärzte mit “Meine Ex(plodierte) Freundin”. Der Leadsänger brüstet sich, dass er für seine Freundinnen gefährlich ist: Sie sterben alle. Einen Link zu diesem scheußlichen Produkt des ungefilterten Frauenhasses lege ich hier nicht.
Merke: Werde besser keine Ex. Wie das anzustellen ist? Ganz einfach: Werde nicht seine Freundin, dann wirst du auch nicht seine Ex, und die Explosionsgefahr verringert sich dramatisch. •••••••••••••••••••• Nachtrag: Ganz anders und auf jeden Fall weniger gefährlich lebt anscheinend die Ex einer Frau, nachzulesen bei Silke Buttgereit, „Auf ewig war ich Dein – Lesben und ihre Ex-Geliebten“. (Dank an Doris Hermanns für den Hinweis).
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21 Kommentare
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25.10.2009 um 18:09 Uhr Papierschiff
@anne… über so manche form des hiphops müssen wir glaube nicht diskutieren… es ging mir jetzt eher um den oben genannten Text, eine Antwort hast du ja leider auch nicht gegeben.
lg
das papierschiff
25.10.2009 um 16:46 Uhr Waschweib
... jaja, die Kunst!
Da hätte ich in dem Zusammenhang dann doch noch einen Link zu einem Songtext aus dem Kabarettprogramm von PinkMoll!
http://www.gogolin.info/fileadmin/images/galerie/Liedtexte/Bis_das_der_Tod_uns_scheidet.jpg
25.10.2009 um 16:29 Uhr Anne
@ Papierschiff
Was mich betrifft, als frau bin ich noch nicht so abgestumpft bzw. desensibilisiert gegenüber songtexten , die gewalt, sexuelle gewalt, frauenverachtung und -abwertung zelebrieren. Schlimm genug, dass junge menschen so etwas `voll geil` oder `voll lustig` finden. Die schlimmsten texte z.b. der porNO-rapper wurden entweder gestrichen - einige texte dieser macho-gruppen indiziert.
Am besten mal selbst googeln , wie hier einige `ausgezeichnete` herren frauenverachtung, sexismus und rassismus in ihren texte polarisieren.
Wahrscheinlich sind die textler - u.a. oben genannte gruppe mit `meine EX(plodierte)freundin - und ihre anhängerschaft dermassen abgestumpft, dass sie nicht einmal in der lage sind, ihre texte selbstkritisch zu betrachten. Geschweige denn, dass sie ein ohr haben gegenüber den anmerkungen anderer menschen.
Das scheint eine der vielen kehrseiten unserer pornografisierten und gewaltverherrlichenden medienkultur zu sein, wo häufig der blick der männerdominierten kulturindustrie frauen verstärkt zum (gebrauchts)objekt macht.
Schliesslich verdient mann ja auch damit eine menge geld.
25.10.2009 um 11:14 Uhr Papierschiff
hm, mir fällt es ja immer schwierig neues und altes zu vermischen, da sich in den jahren ja auch viel getan hat. das es die hexe, Kuh, Gans, … heist ist nunmal so, damals war das Weltbild nunmal ein anderes. da finde ich wird auch zu wenig an lösungen gesucht / “angeboten”. anderseits frag ich mich auch, wie man zu einer neutraleren form kommen soll, wo schon bei der letzten Rechtschreibreform es genügend Kritik aus der reihe “Tradition, Geschichte etc” kam. und da ging es zum größten teil nur um Kommas, ß etc..
ich bezweifle irgendwie, dass mehr exfreundinnen als erfreuende gibt, in meinem Umfeld kann ich die zahl jedenfalls nicht bestätigen und wenn man die google-suche als Kriterium nimmt kann man auch die Bild fragen.
auch Männer stellen normalerweise einen Laufpass einer Person nicht ins internet. Sex sells, ist leider so und so gibt es wohl auch entsprechende Werbung. und wie daraus gleich ein “normalerweise” bzw. “oft” wird erschließt sich mir nicht. ich versuche es auf die Glosse zu schrieben.
zu dem zitiertem Lied. wenn man darin Frauenhass sieht… weiß nicht, ich sehe ihn nicht wirklich. klar, man kann nicht alles einfach als “Kunst” abtun, aber alles daraus wortwörtlich und ernst nehmen? und selbst dann, hätte ich bei diesem Text in Verbindung mit Frauenhaus sehr starke Probleme. vielleicht können sie ja auf ein paar Textteilen genauer eingehen.
ads wars mal wieder… und bitte nicht gleich über mich schimpfen nur weil “ihr” andere Meinungen dazu habt.
24.10.2009 um 23:21 Uhr Anne
Die vielen hässlichen internet-seiten zum racheaufruf an `meine Ex` erinnern mich an den spruch `.. und bist du nicht willig, so brauch ich gewalt..`. Es heisst männer rächen sich häufig aufgrund ihrer körperl. überlegenheit mit gewaltakten. Gewalt, sexuelle gewalt gegen frauen eine beliebte (kriegs-)methode vollgespickt mit rachegelüsten.
Nicht nur die gruppe `Ärzte` mit ihrem obigen songtext versprüht frauenhass, dazu gehören weiter die bekannten porno-rapper mit ihren brutalo-texten. Hier wird u.a. porNOgrafie und frauenfeindlichkeit zelebriert.
Zum begriff `Hexe`: Auch in den märchenerzählungen der Gebr. Grimm werden `Hexen` nur negative eigenschaften zugeschrieben. Während das männliche gegenstück, wie `hellseher, schamane, illusionist`, allgemein mit positiven merkmalen bestückt wird.
Das frauenbild `Hexe`(seherin, wissende, weise alte) scheint gegenüber den vielen männl. exemplaren bis heute etwas unheilvolles zu verkörpern. Die gründe sind ja hinlänglich bekannt!
Guter hinweis zu `werde besser keine Ex` - bleibe lieber eine Hex`, bevor mann dir die luft zum atmen nimmt.
Danke für all die prima glossen und hinweise - llg Anne