Hillary und die Weisen Frauen von New Hampshire
Vor knapp einem Jahr schrieb ich meine erste Glosse über Hillary und Barack und die Schein-Alternative zwischen “Change” (Barack) und “Experience” (Hillary). Hillary steht sicher für beides - bei Obama bin ich mir weniger sicher.
Obama wird - besonders von den Weißen - gefeiert als einer, der den Rassenkonflikt durch Verhalten und Herkunft transzendieren kann: Seine Mutter eine weiße Amerikanerin, sein Vater ein Schwarzer aus Kenia.
Wie aber sollte Hillary den Geschlechterkonflikt transzendieren? Sie versucht es, indem sie ihn so selten wie möglich erwähnt (und dadurch enttäuscht sie viele Frauen) - aber “personifizieren” kann sie Transzendenz schlechterdings nicht: Die Biologie vermischt beim Nachwuchs nur die Hautfarbe von Mutter und Vater, nicht aber das Geschlecht. Hillary hätte als Transgender-Person keine Chance. “Männliche Härte” wird ihr vorgeworfen und nicht etwa als transzendent zugutegehalten.
Viele Frauen haben inzwischen darauf hingewiesen, daß es in den USA leichter ist, als schwarzer Mann an die Macht zu kommen denn als Frau, sei es weiß, schwarz, gelb oder rot.
Dazu die schwarze Kongressabgeordnete Shirley Chisholm (1924-2005): “Von den zwei Handikaps, die meine politische Karriere behinderten, war Weiblichkeit sicher schwerwiegender als das Schwarzsein.”
So viel zum Thema “Change”. Kommen wir nun zum eigentlichen Drama des vergangenen Vorwahl-Dienstags in New Hampshire.
Die Umfragen haben für die Republikaner alles richtig vorhergesagt, aber für Hillary lagen sie um 11-16 (!!) Prozentpunkte daneben. Sie bekam 39, Obama nur 36 Prozent - vorausgesagt worden war für ihn ein zweistelliger Vorsprung. So etwas hat es seit der falschen Prognose einer Wahlniederlage für Truman 1948 nicht mehr gegeben. Die Zunft der Meinungsforscher ist beschämt und mit ihnen die Journalisten, die ihnen geglaubt und die Nachricht von Obamas Triumph über Hillary begeistert wieder- und wiedergekäut haben.
Ich allein bestand, als ich die niederschmetternden Zahlen hörte, tapfer auf folgender Sicht der Dinge: “Ist doch klar, was hier abgeht. Sie haben wieder die Frauen übersehen, nicht einkalkuliert, nicht befragt und falsch gewichtet, ganz besonders die älteren Frauen, Hillarys eigene Generation. Und die “Baby-Boomers” sind ganz schön zahlreich… Ihr werdet schon sehen, sie kommen raus und wählen Hillary, denn das Wetter ist schön, die Straßen sind eisfrei und die Frauen brauchen keine Angst vor einem Sturz mit Oberschenkelhalsbruch zu haben.” - Soweit die gewiefte Autorin der Bestsellerin “Die Frau ist nicht der Rede wert” über die wahre Tragweite des Omi-Faktors!
Was ich bis dahin nicht wußte: Die demokratische Partei besteht sowieso zu 60 Prozent aus Frauen (in der Führungsspitze schlägt sich das allerdings - noch - nicht nieder). Und die Demokratinnen sind überwiegend für Hillary, besonders die armen und die alten Frauen - Gruppen also, von denen wir seit jeher wissen, daß sie kaum mal ins Blickfeld geraten. Unter den Frauen über 65 wählten 65 Prozent Hillary und nur 35 Prozent Obama oder Edwards. Sie hatten ihre Entscheidung schon lange zuvor getroffen und handelten vor allem auch danach, während die von der Meinungsforschung mit Vorliebe befragte Jugend, die von Obamas Auftritten restlos begeistert schien, sich das lästige Wählen bei dem schönen Wetter dann doch lieber ersparte.
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Manchmal habe ich den Eindruck, daß ich mich, obwohl Ausländerin, viel mehr für den Wahlkampf interessiere als die Amerikanerinnen in meiner Umgebung selbst.
Vielleicht liegt es daran, daß ich als Deutsche erleben konnte, daß eine Frau tatsächlich Staatschefin wurde und es den Jungs mal so richtig gezeigt hat, besonders Schröder, der frech behauptete, “Die kann das doch gar nicht.” Auch habe ich noch nicht vergessen, wie nach der Debatte zwischen Merkel und Schröder die Medien verbreiteten, Schröder sei souverän und staatsmännisch und Merkel hölzern und langweilig gewesen. “Charisma” attestierten sie Schröder zwar nicht so oft wie jetzt Obama, aber die Reaktion war ganz ähnlich wie die auf Obama vs Hillary: Hier der strahlende junge Held, dort die bedauernswerte Alte.
Ich war schon bei Merkel ganz anderer Ansicht, und inzwischen hat auch der Rest der Welt gesehen, daß sie viel mehr kann (und viel besser aussieht), als die verzerrten Darstellungen in den Männermedien erahnen ließen.
Es war uns schließlich ein Reality Check vergönnt, genau so einer, wie ihn jetzt die Weisen Frauen von New Hampshire den Meinungsforschern und den Medien verpaßt haben.
Für die Frauen in aller Welt ist es vielleicht noch wichtiger als für das US-amerikanische Volk, daß die Männerherrschaft im Weißen Haus aufhört. So wie ein Cowboy von dort die ganze Welt in die Irak-, die Klima- und andere Katastrophen gestürzt hat, so könnte eine fähige Frau an der Spitze der mächtigsten Nation der Welt viel Unheil verhindern und weltweit einen wunderbaren Wandel (Change!) in Gang setzen:
Wenn Frauen keine oder unzureichende medizinische Versorgung oder Bildung erhalten, ist das eine Verletzung von Menschenrechten. Wenn die Teilnahme der Frauen an Wirtschaft, Politik und Gesellschaft eingeschränkt wird, ist das eine Verletzung von Menschenrechten. Zu lange wurde die Stimme der Hälfte aller Menschen auf dieser Welt von ihren Regierungen nicht gehört. (Hillary Clinton, Gelebte Geschichte, S. 345 der Ullstein-TB-Ausgabe)
"Hope" ist neben "Change" der zweite Kampfbegriff der Obama-Kampagne. Meine Hoffnung für die Frauen der Welt ruht auf den Weisen Frauen und auf Hillary.
12 Kommentare
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19.01.2008 um 19:31 Uhr Anne
Noch nie hatte sich eine Frau für das mächtigste politische Amt der USA zur Wahl gestellt. Das müsste doch jetzt ALLE Frauen motivieren und `auf den Plan rufen`. Denn Kompetenz, polit. Erfahrung, Engagement (u.a. für Frauen- u. Menschenrechte) werden Hillary doch zugesprochen. D.h. Hillary Clinton ist die fähigste Politikerin Amerikas.
Ich hoffe auf die Frauensolidarität - weg von der Macho-Politik. Frauen können der Politik ein menschliches Antlitz geben. Auch in der Politik haben es Frauen doppelt schwer und müssen sich gegen Männerbünde und -seilschaften durchsetzen - dafür werden sie häufig von den Machern nach dem Aussehen bewertet, sobald die Argumente ausgehen. Angela Merkel hat das von Anfang an in übler Form zu spüren bekommen.
“Hillary und der `gender gap`” (in “Die Frau ist nicht der Rede wert”), liebe Luise, hat an Aktualität nichts eingebüsst. Sollte Hillary zur Kandidatin gekürt werden, wird sie noch viel Kraft und Unterstützung der Weisen Frauen brauchen gegen die bevorstehende `Anti-Clinton-Kampagne` d. Republikaner.
Weltweit sind erst/schon 16 Frauen Regierungschefinnen oder Staatspräsidentinnen - die meisten von ihnen kommen aus dem sozialistischen Lager, sind Erstgeborene und haben Rechtswissenschaften studiert.
Llg
18.01.2008 um 19:41 Uhr Ricky
ach ja ...ich vergaß liebe frau push *
ergänzend noch eine bemerkung zu meinem posting.
das hiesse natürlich
“alle männer, wären unsere schwestern”
18.01.2008 um 19:35 Uhr Ricky
frau darf vielleicht ein wenig spinnerrös sein liebe undine;-)
für den fall, dass das aussehen auf die mutter des vaters zurückzuführen wäre…käme ich zu dem ergebnis, dass der mann nur das “beuteltier” mütterlichen erbguts ist….denke dabei an die pathonogenesse *?** jedenfalls ist heute bekannt, dass der menschliche bauplan(auch beim mann) weiblich ist*
die comlemente für frau pusch unterschreibe ich gerne, auch von meiner seite ***dankeschön**
und herzliche grüße aus münchen
ricky
16.01.2008 um 10:49 Uhr Undine
Liebe Luise,
seit Jahren nun schon machst du dir deine Sprache selbst, und lässt uns an den Früchten dieser Arbeit in deinen (von mir sehr geliebten) Feminaren teilhaben.
Die Hautfarbe vermischt sich ganz offensichtlich. Das lässt sich wirklich nicht leugnen. Das sich das Geschlecht ebenfalls vermischt - das habe ich bereits in der Schule gelernt. Moment, ich glaube das war Mendel, und es ging um Vererbung. Auch wenn ich ein Mädchen bin, nur eines meiner X-chromosomen stammt von meiner Mutter, das andere zweifelsfrei von meinem Vater. Oder ist meine Ähnlichkeit mit meiner Mutter die einzig echte, und meine Ähnlichkeit mit meinem Vater nur eingebildet?
Nur so am Rande, für alle die sich Ähnlichkeit nur an fest definierten Äusserlichkeit vorstellen können: Nein, ich habe weder Bartwuchs noch Glatze. Trotzdem bin ich zweifelsfrei als Tochter meines Vaters zu erkennen. Es gibt noch weitere Äusserlichkeiten. Nase, Mund, Ohren, Finger und Füße, um nur einige zu nennen.
Hillary TUT die Geschlechter transzendieren, genau wie Obama die Rassen transzendieren TUT mit seiner weissen Mutter und seinem schwarzen Vater. Eben weil ihr Vater ein Mann war und ihre Mutter eine Frau. Ist diese Erkenntnis zu banal?
Denn eigentlich ... ja eigentlich transzendiert jede und jeder einzelne von uns das Geschlecht, da wir männliche und weibliche Anteile qua Vererbung in uns tragen ...
Es grüßt herzlich
Eine Undine