Empfehlungen “Ich habe mir geschworen, nicht zu schweigen.” Eva Bormanns Lebensgeschichte
“Ich habe mir geschworen, nicht zu schweigen.” Eva Bormanns Lebensgeschichte
'Ich habe mir geschworen, nicht zu schweigen.' Die Lebensgeschichte der Eva Bormann hg. von Friedrich Grotjahn. Lutherisches Verlagshaus GmbH. Hannover 2006
Rezension von Birgit Rühe-Freist
"Eva Bormann ist ein Kind ihrer Zeit. Sie heiratet jung. Beide Eheleute sind fromme ChristInnen und werden zu überzeugten NationalsozialistInnen. Ihr Mann stirbt als Soldat im Zweiten Weltkrieg. 1943, mit dreißig Jahren beginnt sie Tagebuch zu schreiben. Über ihrer "Schreiberei", wie sie es selbst nennt, beginnt ihr Wandel. In den Jahren 1943 bis 1958 führt sie so das Gespräch mit ihrem verstorbenen Mann. Sie wird in dieser Zeit zur engagierten, kämpferischen Pazifistin, die ihren Weg geradlinig durch die deutsche Nachkriegsgeschichte geht. Aktiv bis ins hohe Alter ist sie eine aufmerksame Beobachterin der politischen Szene." (Klappentext)
Eva Bormann lebt in einem Senior/innenheim in Oelber am weißen Wege (ein Ortsteil der Gemeinde Baddeckenstedt im Landkreis Wolfenbüttel, Niedersachsen). In diesem Jahr wird sie fünfundneunzig. Ich lernte sie in den siebziger Jahren kennen, als sie in dem Dorf Heere, in dem auch ich lebe, das 'Herrenhaus' gekauft hatte. Das Haus war viele Jahre eine Zigarrenfabrik gewesen und so heruntergekommen, daß die Kirche das Erbe ausschlug. Eva ließ, rechtzeitig vor den Herbststürmen, das Dach neu decken und rettete so das Haus. Sie richtete darin ein Zentrum für Friedensarbeit ein. So wohnte z.B. der Amerikaner Eric Bachmann, erster Trainer für gewaltfreie Aktionen in Deutschland, sieben Jahre in Heere. 1994 erhielt Eva Bormann das Bundesverdienstkreuz für ihre Friedensarbeit. 1988 interviewte ich Eva Bormann und schrieb vieles aus ihrem Leben auf (unter dem Titel "Eva, eine Frau für den Frieden"). Nun hat der Theologe, Schriftsteller und Journalist Friedrich Grotjahn, mein Material einbeziehend, ein Buch über sie geschrieben. Er hat in akribischer Kleinarbeit ihre Tagebücher ausgewertet, ihre Gespräche mit ihrem toten Mann notiert. Friedrich Grotjahn hat in überzeugender und spannender Weise die Wurzeln freigelegt, die Eva Bormann zur Pazifistin machten. Erkennbar wird der Weg einer Mystikerin, die ihren eigenen Weg sucht und dann mutig geht. Immer auch ist es eine Auseinandersetzung mit dem männlichen Denken: (Tagebuchnotiz vom 12.Febr. 1956 an ihren Mann) "Christus leidet, aber fügt kein Leid zu. Jeder Krieg steht in krassestem Gegensatz zu dieser Liebe...; es ist ein weiter Weg, den wir noch gehen müssen." Bis ins hohe Alter stickte Eva Bormann Teppiche: "Die Farben locken mich, die Linien laufen wie von selbst. Sie verdichten, verschlingen, durchkreuzen sich, werden zu einem Gebilde, das mich selbst überrascht. Ich nehme alles, auch unsympathische Farben, grelle, schreiende, tote, nichtssagende - so wie Menschengeflecht, menschliche Gesellschaft, so vielfältig, so unterschiedlich nebeneinander und durcheinander lebt und webt und zusammengehört."
Viele Jahre stickte Eva Bormann an einem Teppich für Rußland. Sie schickte ihn - die Perestroika hatte kaum begonnen - nach Artemowsk bei Kiew, wo ihr Mann 1943 begraben wurde. Der Teppich schien verlorengegangen zu sein. Doch 1994 erfuhr sie durch Freunde, daß er in einer Mädchenschule seinen Platz gefunden hat. Auf diesem Teppich stehen, parallel angeordnet in deutscher und russischer Sprache, die Worte:
Es soll geschehen Nicht durch Heer oder Kraft sondern durch Liebe und Vertrauen 1943-1985
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