Fembio Specials Physikerinnen Lise Meitner
Fembio Special: Physikerinnen
Lise Meitner
(Elise Meitner [eigentlicher Name]; Prof. Dr. Lise Meitner)
geboren am 17. November 1878 in Wien [durch falsche Eintragung meist 7. November angegeben, auch von Meitner selbst]
gestorben am 27. Oktober 1968 in Cambridge, England
österreichisch-schwedische Atomphysikerin
145. Geburtstag am 17. November 2023
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Lise Meitners Arbeit ist gekrönt worden mit dem Nobelpreis für Otto Hahn. (Renate Feyl)
Werden heute noch Frauen in den Naturwissenschaften als Exotinnen betrachtet, so war das erst recht der Fall, als sich Lise Meitner um die Jahrhundertwende entschloss, Physik zu studieren. Als zweite Frau in der Geschichte der Wiener Universität promovierte sie im Hauptfach Physik und setzte sich somit deutlich von dem Frauen »nahegelegten« Weg ab: Nicht die drei K's, sondern die experimentelle Physik wurde zum Zentrum ihres Lebens.
1922 erhielt sie das Recht, Vorlesungen an der Berliner Universität zu halten. Einigen Zeitungen zufolge hielt sie ihre Antrittsrede denn auch nicht über »Probleme der kosmischen Physik«, sondern »über Probleme der kosmetischen Physik«. Erst langsam war die Öffentlichkeit bereit zu akzeptieren, dass es eine Frau ist, die hervorragende wissenschaftliche Arbeit leistet.
1926 erfolgt die Ernennung der Professorin Lise Meitner zur Leiterin der physikalisch-radioaktiven Abteilung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie (Berlin-Dahlem), dessen Leiter Meitners langjähriger Mitarbeiter Otto Hahn ist.
Durch die Annexion Österreichs 1938 wurde die Jüdin Lise Meitner deutsche Staatsbürgerin und musste fliehen: zunächst, mit Hilfe von Freunden, nach Holland, dann nach Dänemark, um sich schließlich in Schweden niederzulassen. Nur langsam – es fehlen Geld und Geräte – kann Meitner mit ihrer Arbeit in Stockholm fortfahren. Noch im selben Jahr berichtet ihr Otto Hahn von einer Entdeckung, die er »Zerplatzen« nennt; er kann sich aber den Vorgang nicht richtig erklären – das gelingt kurz darauf Lise Meitner und ihrem Neffen Otto Robert Frisch: Es handelt sich um die Kernspaltung. Meitner weigert sich aber, in den USA an Arbeiten teilzunehmen, die den Bau einer Atombombe möglich machen sollen, und bleibt in Stockholm.
Trotz aller Erfolge als Atomforscherin bleibt ihr die größte Anerkennung versagt: der Nobelpreis. Zur Flucht gezwungen, war es ihr unmöglich geworden, die Experimente zusammen mit Otto Hahn (der 1945 den Nobelpreis für Chemie erhielt) fortzusetzen. Sie starb 1968 im Alter von fast 90 Jahren in Cambridge.
(Text aus dem Kalender »Berühmte Frauen 1988«)
Verfasserin: Beate Schräpel
Zitate
Das kann die Lise nicht, das steht nicht im Physikbüchl.
(Ihre Geschwister über die mangelnde Begabung Lise Meitners zur Hausarbeit, gefunden hier)
Daß die übrige Welt Deutschland bedauert, könnt Ihr wirklich nicht erwarten. Was man in diesen Tagen von den unfaßbaren Greueln in den Konzentrationslagern gehört hat, übersteigt alles, wovor man sich gefürchtet hatte. Als ich im englischen Radio einen sehr sachlichen Bericht der Engländer und Amerikaner über Belsen und Buchenwald hörte, fing ich laut an zu heulen und konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Und wenn Du die Menschen gesehen hättest, die aus den Lagern hierher kamen. Man sollte einen Mann wie Heisenberg und viele Millionen mit ihm zwingen, sich diese Lager und die gemarterten Menschen anzusehen. Sein Auftreten in Dänemark 1941 ist unvergeßlich. Du wirst Dich vielleicht erinnern, daß ich, als ich noch in Deutschland war, (und heute weiß ich, daß es nicht nur dumm, sondern ein großes Unrecht war, daß ich nicht sofort weggegangen bin) Dir oft sagte: Solange nur wir die schlaflosen Nächte haben und nicht Ihr, solange wird es in Deutschland nicht besser werden. Aber Ihr hattet keine schlaflosen Nächte. Ihr habt nicht sehen wollen, es war zu unbequem. Ich könnte es Dir an vielen, großen und kleinen, Beispielen beweisen. Ich bitte Dich, mir zu glauben, daß alles das, was ich hier schreibe, ein Versuch ist, Euch zu helfen.
(Lise Meitner in einem Brief an Otto Hahn, 27.6.1945, den dieser nicht erhalten hat; gefunden hier)
Literatur & Quellen
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Dick, Jutta (Hg.) (1993): Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert. Lexikon zu Leben und Werk. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt (rororo, 6344 : rororo-Handbuch). ISBN 3-499-16344-6. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
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Meitner, Lise (1945): Das Zerfallsschema des Scandiums 46. Stockholm. Almqvist & Wiksell; Natura (Arkiv för matematik, astronomi och fysik, 32 A, No 6). (Suchen bei WorldCat)
Meitner, Lise (1946): Über die durch Deuteronenbestrahlung in Kupfer erzeugten radioaktiven Atomarten. Lise Meitner. Stockholm. Almqvist & Wiksell; Natura (Arkiv för matematik, astronomi och fysik, 33 A, No 3). (Suchen bei WorldCat)
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Sime, Ruth Lewin (2001): Lise Meitner. Ein Leben für die Physik. Biographie. (=Lise Meitner. A life in physics). Aus dem am. Englisch von Doris Gerstner und Shankat Khan. Frankfurt am Main. Insel. ISBN 3-458-17066-9. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Staatsbibliothek: Lise Meitner zum 125. Geburtstag (2003). Ausstellungskatalog. Text: Jost Lemmerich. Berlin. ERS-Verlag. ISBN 3-928577-51-4. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Stolz, Werner (1989): Otto Hahn, Lise Meitner. Leipzig. Teubner (Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner, 64). ISBN 3-322-00685-9. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Vogt, Annette; Meitner, Lise (2007): Vom Hintereingang zum Hauptportal? Lise Meitner und ihre Kolleginnen an der Berliner Universität und in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Annette Vogt. Stuttgart. Steiner (Pallas Athene, 17). ISBN 978-3-515-08881-7. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
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