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geboren am 25. Dezember 1720 in St. Gilgen
gestorben am 3. Juli 1778 in Paris
Mutter von "Nannerl" und Wolfgang Amadeus Mozart
245. Todestag am 3. Juli 2023
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Anna Maria Pertl heiratete mit knapp 27 Jahren, also für die damalige Zeit relativ spät, den nur ein Jahr älteren Leopold Mozart aus Augsburg. Vermutlich war eine längere Verlobungszeit vorausgegangen, aber Leopold war erst 1747 – mit der Ernennung zum Hof- und Cammer-Componisten – in der Lage, eine Familie und einen Hausstand zu gründen. Es war wohl eine Liebesheirat, denn finanziell hatten beide einander nicht viel zu bieten. Zwar stammte Anna Maria aus gutbürgerlicher Familie; ihr Vater, Wolfgang Nikolaus Pertl, der sich während seiner Studienzeit auch hin und wieder als Sänger und Kontrabassist betätigt hatte, war Hofkammersekretär in St. Gilgen gewesen, einem Ort 30 km von Salzburg entfernt. Aber er starb schon 1724 – Anna Maria war erst drei Jahre alt – und hinterließ seine Frau Eva Rosina geb. Altmann verw. Puxbaum mit zwei kleinen Töchtern nahezu mittellos, denn vom Wirtschaften verstand er nicht viel. So wuchs Anna Maria in äußerst prekären Verhältnissen auf. Die magere Witwenpension reichte nicht, aber mit Näharbeiten konnte sich die kleine Familie mühsam über Wasser halten. Nach dem Tod Pertls war man nach Salzburg gezogen, wo 1728 auch Mutter Pertls Älteste mit neun Jahren starb und Anna Maria schließlich ihren Leopold kennenlernte, vielleicht als Abnehmer ihrer Näharbeiten: Ihre Hochzeit bezeichnete Leopold einmal als „Eintritt in den Orden der geflickten Hosen“.
Für Anna Maria Mozart begann mit dem Eintritt in diesen „Orden“ eine sehr harte Zeit nahezu ununterbrochener Schwangerschaft. Sie gebar in acht Jahren sieben Kinder, von denen nur zwei überlebten: Nannerl, geboren am 30. Juli 1751, ihr viertes Kind, und Wolferl, geboren am 27. Januar 1756, ihr siebtes und letztes. Nach den ersten drei Schwangerschaften, Geburten und Todesfällen schickte Leopold seine entkräftete Ehefrau nach Gastein zur Erholung. Anscheinend hat es geholfen. Nannerl, das nächste Kind, überlebte.
Melanie Unseld, die Autorin von „Mozarts Frauen“, erklärt das Elend so furchtbarer Verluste, umsonst erduldeter Schwangerschaftsbelastungen und Geburtsqualen u.a. mit der zeittypischen Ablehnung des Stillens. Statt der Muttermilch, die sie vor vielen Infektionsgefahren wirksam geschützt hätte, bekamen die Säuglinge rohe Kuhmilch, dünnen Mehlbrei, Zuckerwasser, Wassersuppe und Wein. Ammen galten als möglicherweise charakterschädigend und Frauen, die sich die Zeit nahmen, ihre Kinder zu stillen, als faul. Die meisten Mütter hatten diese Option allerdings gar nicht, mussten sie doch gleich nach der Geburt wieder arbeiten.
Die beiden überlebenden Kinder aber machten ihre leidgeprüften Eltern sehr glücklich und vor allem stolz, wie allgemein bekannt. Dank der genialen Begabung ihrer beiden Wunderkinder und der Entschlossenheit ihres Gatten, diese möglichst einträglich zu vermarkten, lernte Anna Maria Mozart, die bis dahin kaum über Salzburg hinausgekommen war, viel mehr von der Welt kennen als sie es sich je hätte träumen lassen, und sie genoss es in vollen Zügen. Sogar die Kaiserin Maria Theresia unterhielt sich huldvoll mit der Mutter der Kinderstars. Als Nannerl jedoch das heiratsfähige Alter erreicht hatte und nicht mehr als „Wunderkind“ anzubieten war, durfte sie nicht mehr mit auf Konzertreise, und Mutter Mozart musste ebenfalls zu Hause bleiben. Beide Frauen litten sehr unter dieser Zurücksetzung.
Einmal jedoch durfte Anna Maria Mozart doch wieder mit auf die Reise, weil Leopold beruflich verhindert war. Es ging von München über Augsburg und Mannheim nach Paris, und herauskommen sollte dabei möglichst eine gutdotierte feste Anstellung für den 21jährigen Mozart. Es wurde Anna Maria Mozarts letzte Reise; sie starb mit 57 Jahren in Paris.
Statt der stereotypen Biographen-Frage, was die Mutter für den Sohn getan hat und ob und wie sehr sie ihm geschadet hat, die meistens mit einem Schwall von Vorwürfen gegen die Mutter beantwortet wird, stellt sich hier die umgekehrte Frage und findet eine völlig unerwartete und beunruhigende Antwort: Was hat Wolfgang Amadeus Mozart für seine Mutter getan? Er wird uns gewöhnlich präsentiert als sensibler und liebenswürdiger Mensch, von seinem Genie einmal ganz abgesehen. Wenn wir aber Eva Riegers Bericht über die letzten Monate Anna Maria Mozarts lesen, stellt sich uns die Frage: Wo war denn Wolfgang während dieser Zeit? Die Mutter saß den ganzen langen Winter in kalten und dunklen Mietzimmern herum und wartete auf den Sohn, der sich anderweitig tummelte und es sich gutgehen ließ (wenn auch überwiegend bei dem, was wir heute „Arbeitsessen“ nennen würden – aber immerhin hatte er es warm und bekam reichlich und gut zu essen). Hatte er keine Augen im Kopf, sah er denn nicht, dass der Gesundheitszustand seiner Mutter immer bedenklicher wurde? Der junge Mozart, verzweifelt auf der Suche nach beruflichen Chancen im fremden Paris, war mit seinen eigenen Problemen ausgelastet; für den besorgniserregenden Zustand seiner Mutter hatte er anscheinend keinen Blick und keine Zeit. Und so kam er leider nicht auf das Nächstliegende: für seine Mutter, die aus Furcht vor dem strengen und sparsamen Gatten an allem sparte, am Essen, an der Kleidung und an der Heizung, endlich einen guten Arzt heranzuziehen. Frau muss den frühen Tod Anna Maria Mozarts wohl der mangelnden Fürsorge ihres Sohnes anlasten. Ein Fall von unterlassener Hilfeleistung aufgrund patriarchalischer Einengung des Blicks: Die Mutter war als lebendes Versorgungssystem mitgereist, denn Wolfgang war ja in vielem so leichtsinnig und unpraktisch und hilflos! Und nun ein Versorgungssystem, das selbst versorgt werden muss? Damit war er überfordert.
Verfasserin: Luise F. Pusch
Zitate
als sie … in Paris schwer erkrankte, verzichtete sie wegen akuter Geldsorgen viel zu lange auf einen Arzt, der ihr vermutlich das Leben hätte retten können. (Rieger 73)
Deine liebe selige Mutter war von Kindheit an bekannt und aller Orten geliebt, denn sie war mit allen freundlich und beleidigte keinen Menschen. (Leopold an Wolfgang, 20.7.1778)
Literatur & Quellen
Glover, Jane. 2006. Mozart's Women: His Family, His Friends, His Music. HarperCollins.
Rieger, Eva. 1994. “Maria Anna Mozart (1720-1778): 'Denn umsonst ist der Tod, und dieser nicht einmal'”, in: Pusch, Luise F. Hg. 1994. Mütter berühmter Männer: Zwölf biographische Portraits. Frankfurt/M. Insel TB 1356. S. 71-100.
Unseld, Melanie. 2005. Mozarts Frauen. Reinbek b. Hamburg. Rowohlt TB.
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