(Beatrice Potter Webb; Beatrice Potter Webb Passfield; Martha Beatrice Potter; Martha Beatrice Webb)
geboren am 22. Januar 1858 bei Gloucester
gestorben am 30. April 1943 bei Hiphook in Hampshire
englische Sozialistin und Autorin
80. Todestag am 30. April 2023
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
»Beatrice ist das einzige meiner Kinder, dessen Intelligenz unter dem Durchschnitt liegt«, schrieb Lawrencina Potter in ihr Tagebuch und irrte sich gewaltig. Ohne Schul- und Universitätsausbildung schuf sich Beatrice den Rang einer international bekannten Forscherin auf dem Gebiet der empirischen Soziologie. In Großbritannien trug sie als Expertin in Königlichen Kommissionen maßgeblich zu gesetzlichen Reformen bei, die die Bildung, Gesundheitsversorgung und Altersfürsorge breiter Bevölkerungsschichten verbesserten. Als Aktivistin forcierte sie durch Reden, Pamphlete und Artikel die Gründung von Kooperativen und Gewerkschaftsvereinen.
Angetrieben durch die Erkenntnis, als Tochter einer wohlhabenden Liverpooler Fabrikantenfamilie mitverantwortlich für die miserablen Lebensbedingungen der britischen ArbeiterInnen zu sein, nutzt Beatrice Potter ihre privilegierte Position, um umfangreiche Sozialerhebungen durchzuführen, deren Ergebnisse ab 1886 veröffentlicht werden. Ihre Mitarbeit an der niederschmetternden Untersuchung Charles Booths über London und ihre Tätigkeit als Verwalterin von Mietskasernen im Londoner East End überzeugen sie von der Idee des Sozialismus.
1891 erscheint ihr erstes Buch, The Cooperative Movement in Britain, und sie gründet »die Firma«, d.h., sie heiratet Sidney Webb, den sie in einem Brief als einen »häßlichen kleinen Mann mit keiner sozialen Stellung und noch weniger Geld« bezeichnet. Das ungleiche Paar versteht sich blendend. Ihre Flitterwochen verbringen sie in Dublin und Glasgow, Gewerkschaftsdokumente studierend. Zu den vielen gemeinsamen Projekten der Webbs gehören die Arbeit in der Fabian Society, die einen allmählichen Wandel zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung propagierte, und die Gründung bzw. Initiierung des New Statesman, des Political Quarterly sowie der London School of Economics, für die Beatrice die Idee lieferte. In Teamarbeit entstanden zahlreiche Artikel und 15 Monographien, von denen manche heute als Klassiker der Sozialgeschichte gelten.
Beatrice Webb hinterließ auch eine riesige Sammlung von Briefen, Tagebuchaufzeichnungen und eine Autobiographie in zwei Bänden. Diese Zeugnisse helfen, ihre ganze Persönlichkeit zu verstehen – ihre enorme Produktivität, Motivation und Ausdauer ebenso wie ihre Zweifel, Ängste und Enttäuschungen. Ihren Wunsch, einen Roman zu schreiben, verwirklichte sie trotz großer Schaffenskraft bis ins hohe Alter nie.
(Text von 1992)
Verfasserin: Marion Kremer
Zitate
Charakter zu entwickeln ist viel nötiger als den Verstand noch weiter zu fördern, der in letzter Zeit ohnehin die Beute zwischen seinen Zähnen hält und mit der Energie der Menschen davonläuft. (Beatrice Webb, gefunden hier)
Links
Google Buchsuche: Beatrice Webb.
Online verfügbar unter http://books.google.com/books?hl=de&q=beatrice+webb&btnG=Nach+B%C3%BCchern+suchen, zuletzt geprüft am 17.04.2023.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Webb, Beatrice Potter, 1858-1943. Veröffentlichungen.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/118806378, zuletzt geprüft am 17.04.2023.
Pease, Edward R.: The History Of The Fabian Society. The Project Gutenberg.
Online verfügbar unter http://www.gutenberg.org/files/13715/13715-h/13715-h.htm, zuletzt geprüft am 17.04.2023.
Wikibooks: Soziologische Klassiker – Webb, Beatrice. Tabellarischer Lebenslauf, historischer Kontext, Werke und Wirkung.
Online verfügbar unter http://de.wikibooks.org/wiki/Soziologische_Klassiker/_Webb,_Beatrice, zuletzt geprüft am 17.04.2023.
Wikipedia: London School of Economics and Political Science.
Online verfügbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/London_School_of_Economics_and_Political_Science, zuletzt geprüft am 17.04.2023.
Literatur & Quellen
Quellen
MacKenzie, Norman (Hg.) (1978): The letters of Sidney and Beatrice Webb. 3 Bände. Cambridge. Cambridge University Press & The London School of Economics and Political Science.
MacKenzie, Norman; MacKenzie, Jeanne (Hg.) (1982-1985): The diary of Beatrice Webb. 4 Bände. Cambridge MA. Belknap Press of Harvard University Press.
Nord, Deborah E. (1985): The apprenticeship of Beatrice Webb. Amherst. University of Massachusetts Press.
Radice, Lisanne (1984): Beatrice and Sidney Webb. Fabian socialists. London. Macmillan.
Schneider, Dieter (1988): Sie waren die ersten. Frauen in der Arbeiterbewegung. Mit einem Vorwort von Monika Wulf-Mathies. Frankfurt am Main. Büchergilde Gutenberg.
Seymour-Jones, Carole (1992): Beatrice Webb. Woman of conflict. London. Pandora, 1993.
Webb, Beatrice (1926): My apprenticeship. London. Longmans Green and Co.
Webb, Beatrice (1948): Our partnership. Herausgegeben von Barbara Drake und Margaret Cole. London. Longmans Green and Co.
Werke (deutschsprachige Ausgaben)
Webb, Beatrice (1893): Die britische Genossenschaftsbewegung. Herausgegeben von Lujo Brentano. Leipzig. Duncker & Humblot (Sammlung älterer und neuerer staatswissenschaftlicher Schriften des In- und Auslandes, 1).
Webb, Beatrice (1988): Meine Lehrjahre. Eine Autobiographie. (=My apprenticeship). Mit einer Einführung von Wolf Lepenies. Frankfurt am Main. Insel.
Webb, Beatrice (1998): Pilgerfahrt nach Moskau. Die Reise einer Fabierin in die Sowjetunion Stalins. Herausgegeben und Textauswahl von Ellen Beumelburg. Einleitungsessay Friedrich Weckerlein. Ins Deutsche übersetzt von von Ulrich Freyburger. Passau. Stutz (KritBrit, 4).
Webb, Sidney; Webb, Beatrice (1895): Die Geschichte des britischen Trade Unionismus. Ins Deutsche übersetzt von Richard Bernstein. Mit Noten und einem Nachwort versehen von Eduard Bernstein. Stuttgart. Dietz.
Webb, Sidney; Webb, Beatrice (1898): Theorie und Praxis der englischen Gewerkvereine. (=Industrial Democracy). 2 Bände. Stuttgart. Dietz.
Webb, Sidney; Webb, Beatrice (1912): Das Problem der Armut. (=The Prevention of destitiution). Ins Deutsche übersetzt von Helene Simon. Jena. Diederichs.
Webb, Sidney; Webb, Beatrice (1924): Die genossenschaftliche Gemeinwirtschaft. Übersetzt aus Die Genossenschaftsbewegung der Konsumenten (The consumers' cooperative Movement) und eingeleitet von August Müller. (=The cooperative Commonwealth). Halberstadt. Meyer (Soziale Organisationen der Gegenwart, 3).
Webb, Sidney; Webb, Beatrice (1924): Die Genossenschaftsbewegung der Konsumenten. (=The consumers cooperative movement). Ins Deutsche übersetzt von Jeannette Cassau. Halberstadt. Meyer (Soziale Organisationen der Gegenwart, 2).
Weiterführende Literatur
Beilharz, Peter (1998): The Webbs, fabianism, and feminism. Fabianism and the political economy of everyday life. Aldershot. Ashgate (Avebury series in philosophy).
Cole, Margaret (1947): Tapfer und unentwegt. Die Lebensgeschichte der Beatrice Webb. (=Beatrice Webb). Ins Deutsche übersetzt von Anni Frischknecht. Zürich. Büchergilde Gutenberg.
Harrison, Royden J. (2001): The life and times of Sidney and Beatrice Webb. 1858-1905. The formative years. Houndsmills. Macmillan.
Muggeridge, Kitty; Adam, Ruth (1967): Beatrice Webb. A life. 1858 – 1943. London. Secker and Warburg.
Romano, Mary Ann (1998): Beatrice Webb (1858 – 1943). The socialist with a sociological imagination. Lewiston. Mellen Press (Mellen studies in sociology, 17).
Stölting, Erhard (1974): Wissenschaft als Produktivkraft. Die Wissenschaft des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses. München. List (List-Taschenbücher der Wissenschaft. Entwicklungsaspekte der Industriegesellschaft, 1611).
Tawney, Richard Henry (1944): Beatrice Webb, 1858 – 1943. London. Milford.
Tawney, Richard Henry (1945): The Webb and their work. London. Fabian Publications (Webb Memorial Trust, Webb Memorial Lecture, 1).
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