(Ethel Greenglass Rosenberg)
geboren am 28. September 1915 in New York
hingerichtet auf dem elektrischen Stuhl am 19. Juni 1953 im Zuchthaus Sing-Sing in New York
US-amerikanische Kommunistin, angebliche Spionin, Justizopfer
70. Todestag am 19. Juni 2023
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Sie träumt davon, Opernsängerin zu werden. Aber welche Chancen hat ein jüdisches Mädchen von der Lower East Side schon! Dennoch: Sie wird zur “Schauspielerin des Jahrgangs” ernannt, als sie 1931 die High School beendet, und man prophezeit ihr eine große Karriere. Den Wunsch nach einer Collegeausbildung muß Ethel aufgeben. Aber neben ihrer schlecht bezahlten Arbeit in einer Speditionsfirma studiert sie Gesang, wird Mitglied in einem führenden New Yorker Chor, gewinnt Gesangswettbewerbe, tritt mit viel Erfolg bei politischen Veranstaltungen in Kulturhäusern auf.
Die miserablen Arbeitsbedingungen haben sie politisiert. 1935 tritt Ethel in die Gewerkschaft ein. Mutig beteiligt sie sich an einem stadtweiten Streik, bei dem sich weibliche Streikposten auf die Straße legen, um die Lieferwagen aufzuhalten. 1939 unterschreibt Ethel einen Wahlaufruf der Kommunistischen Partei und wird auf diese Weise vom FBI registriert.
Sie heiratet Julius Rosenberg. Als die beiden Söhne Michael (1943) und Robert (1947) geboren werden, betätigt sich Ethel nurmehr alsHausfrau und Mutter und leidet gleichzeitig darunter. Julius wird wegen seiner Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei aus dem Staatsdienst entlassen. Die Gründung einer eigenen Firma schlägt fehl. Sie schulden nun Ethels Bruder David Geld. Und als David Greenglass unter der Beschuldigung, für die Sowjetunion spioniert zu haben, verhaftet wird, belastet er seinen Schwager Julius.
Die Sowjetunion hat eine eigene Atombombe zur Explosion gebracht, was nach Auffassung der USA nur mittels Atomspionage möglich war. Eine Hetzjagd auf amerikanische Kommunisten beginnt. Julius wird am 17. Juli 1950 verhaftet und verdächtigt, Mitglied eines organisierten Spionageringes zu sein. Ethel kämpft sofort um die Freilassung ihres Mannes, schaltet die Presse ein – und wird einen Monat später selbst verhaftet, als Schachfigur, um den Druck auf Julius zu verstärken.
Beide beteuern bis zu ihrem Tod ihre Unschuld.
Bei der Urteilsfindung wird das fast vollständige Fehlen von Beweisen gegen Ethel ignoriert – ja, Richter Irving Kaufmann rechtfertigt die Todesstrafe gegen Ethel mit dem Argument, sie habe es unterlassen, Julius von der Tat abzuhalten. Auch Präsident Eisenhower lehnt eine Begnadigung ab: “In diesem Fall ist die Frau der starke und störrische Charakter, der Mann ist der Schwache. Sie ist offensichtlich bei allem, was in dem Spionagering unternommen wurde, die Anführerin gewesen.”
Die Hinrichtung der Rosenbergs löst in der ganzen Welt Empörung und Proteste aus. Ein Justizskandal, geboren aus der Hysterie des Kalten Krieges: “... Ihr Verhalten [hat] meiner Meinung nach bereits die kommunistische Aggression in Korea mit den sich daraus ergebenden Verlusten von fünfzigtausend Amerikanern verursacht…” (Richter Irving Kaufmann)
Robert Meeropol, der jüngere der Rosenbergsöhne, hat 1990 den “Rosenberg Fund for Children” gegründet, eine Stiftung, die sich um das Schicksal von Kindern kümmert, deren Eltern aus politischen Gründen im Gefängnis sitzen. So will er Tragisches in Positives wandeln und den Auftrag seiner Mutter einlösen, der in ihrem letzten Brief an die Söhne stand: “Wir fanden Trost in der Gewißheit, daß andere nach uns weitermachen.”
Nachtrag von Luise F. Pusch: Im Herbst 2001 erschien Sam Roberts Buch The Brother: The Untold Story of Atomic Spy David Greenglass and How He Sent His Sister, Ethel Rosenberg, to the Electric Chair (Random House, New York). Am 5. Dezember 2001 gab Ethels jüngerer Bruder, David Greenglass (79), der fünfzehn Jahre wegen Spionage in Haft war und seit 1960 unter falschem Namen lebt, ein Interview in der CBS-Nachrichtensendung “60 Minutes,” in dem er zugab, daß er mit der Staatsanwaltschaft einen “Deal” ausgehandelt hatte. Man habe ihm zugesagt, seine ebenfalls unter Spionageverdacht stehende Frau aus dem Spiel zu lassen, wenn er gegen seine Schwester aussagen würde. Da es da wenig auszusagen gab, sog Bruder David sich einiges aus den Fingern. Er behauptet, im Leben nicht damit gerechnet zu haben, daß man sie dafür hinrichten würde …
Verfasserin: Birgit E. Rühe-Freist
Zitate
Die Schlagzeilen verkünden also lauthals, daß die beiden heute abend um elf Uhr umgebracht werden. Mir ist ganz schlecht davon. (Sylvia Plath, Tagebucheintag vom 19. Juni 1953)
Aber ihr werdet uns nicht dazu bringen, daß wir die Exekution der Rosenbergs als einen 'bedauernswerten Zwischenfall' oder auch nur als einen Justizirrtum auffassen. Es ist eine legale Lynchjustiz, die ein ganzes Volk mit Blut befleckt ... (Jean-Paul Sartre in der Liberation vom 22. Juni 1953).
Literatur & Quellen
American National Biography. 1999. Volume 18. Hg. Garrety/ Carnes. New York Oxford. Oxford University Press.
Apropos Ethel Rosenberg / mit einem Essay von Stefana Sabin. 1996. Frankfurt am Main. Verlag Neue Kritik.
Meeropol, Michael. Hg. 1994. The Rosenberg Letters. A complete Edition of the Prison Correspondence of Julius and Ethel Rosenberg. New York and London.
Roberts, Sam. 2001. The Brother: The Untold Story of Atomic Spy David Greenglass and How He Sent His Sister, Ethel Rosenberg, to the Electric Chair. New York. Random House.
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