(Geburtsname: Josephine Lederer)
geboren am 12. September 1904 in Wien, Österreich-Ungarn
gestorben am 30. Januar 1987 in München
österreichische Journalistin, Übersetzerin und Schriftstellerin
35. Todestag am 30. Januar 2022
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Gleich ihr erster Roman Das Mädchen George wurde 1928 ein Bestseller, Joe Lederer galt sofort als „literarisches Wunderkind“. Ihr Buch wurde begeistert besprochen, und bis 1933 wurden über 80.000 Exemplare verkauft. Nur bis 1934 konnten ihre Bücher noch in Deutschland erscheinen, bis 1938 in Österreich.
Als Josephine Lederer in Wien geboren, besuchte sie von 1916 bis 1920 das Gymnasium von Eugenie Schwarzwald. Nach dem frühen Tod ihres Vaters, eines Fabrikdirektors, und der dadurch verschlechterten finanziellen Situation der Familie, musste sie jedoch auf eine Handelsschule wechseln; nebenher nahm sie Schauspielunterricht bei dem Burgschauspieler Carl Forest.
Nach ihrem Schulabschluss arbeitete sie ab 1920 zwei Jahre lang im Büro des Bankhauses Pollak, bis dieses in Konkurs ging. Für kurze Zeit wurde sie 1925 Redaktionssekretärin von „Bettauers Wochenschrift. Probleme des Lebens“, die von Hugo Bettauer und Rudolf Olden herausgegeben wurde. In dieser konnte sie erstmals eigene Texte – einige Gedichte – unterbringen, jedoch wurde die Zeitschrift bereits im Mai 1925 nach der Ermordung Bettauers durch einen Faschisten eingestellt.
Anschließend arbeitete sie als Privatsekretärin des Autors Balder Olden, Bruder von Rudolf Olden. 1926 zog sie nach Berlin und reiste von da an häufig mit Olden nach Italien. Die Atmosphäre der Großstadt sollte in ihren zeitgenössischen Romanen immer wieder eine große Rolle spielen, ebenso wie die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges und der Weltwirtschaftskrise. Im Mittelpunkt standen häufig berufstätige junge Frauen, die an gesellschaftlichen Zuständen scheitern. Ihrem ersten Roman Das Mädchen George, der gleich ein großer Erfolg wurde, folgten schnell drei weitere: Musik der Nacht, die Geschichte einer unglücklichen Liebe in Berlin, Drei Tage Liebe nach einem Drehbuch, das sie für den gleichnamigen Film mit Hans Albers geschrieben hatte, und Bring mich heim, in dem sie ihre unglückliche Liebesgeschichte mit ihm verarbeitete.
Auch wenn es ihr im September 1933 noch gelang, trotz ihres jüdischen Hintergrundes Mitglied in der Reichsschrifttumskammer zu werden, und obwohl ein Jahr später ihr Roman Unter den Apfelbäumen noch erscheinen konnte, wurden ihre Werke 1935 in Deutschland verboten.
1934 emigrierte Lederer nach Shanghai, wo sie als Kinder- und Hausmädchen arbeitete. Diese Erfahrungen inspirierten sie zu ihrem einzigen Kinderbuch Fafan in China, das 1938 erschien. Als sie 1935 an Tuberkulose erkrankte, kehrte sie wieder nach Wien zurück. Sie blieb weiterhin viel unterwegs, lebte zeitweilig in Italien und unternahm Reisen nach Berlin, Schweden und Finnland.
Der Wiener Zeitbild-Verlag übernahm 1936 nicht nur die Rechte ihrer Bücher, sondern veröffentlichte bis zum “Anschluss” Österreichs auch ihre nächsten drei Romane: Blatt im Wind (1935), einen sozialkritischen China-Roman, Blumen für Cornelia (1936), eine Liebesgeschichte eines jungen Mannes mit einer älteren Frau, sowie Ein einfaches Herz (1937), die Geschichte einer missbrauchten Dienstmagd, die als ledige Mutter im Wien der Jahrhundertwende ums Überleben kämpft. Sie war zu dieser Zeit durchaus weiterhin eine erfolgreiche Schriftstellerin, deren Bücher in verschiedene Sprachen übersetzt und in Zeitungen abgedruckt wurden. Dennoch reichte ihr Einkommen kaum zum Überleben aus. Trotzdem wies sie die Möglichkeit, in einem Emigrantenverlag wie Allert de Lange oder Querido in den Niederlanden zu publizieren, ausdrücklich ab. Lieber versuchte sie es beim Schweizer Humanitasverlag – jedoch ohne Erfolg. Ebenso wenig brachte ihr der Austritt aus der „israelitischen Religionsgemeinschaft“ 1938 ein.
Nach vielen Bemühungen erhielt Lederer 1939 ein „domestic permit“ für England, wodurch sie sich verpflichtete, dort wieder als Hausangestellte zu arbeiten. Kurz konnte sie noch nach Paris, wo sie am Drehbuch für den Film „Serenade“ mit Lilian Harvey mitarbeitete. Eine undankbare Aufgabe, wurde sie doch nicht einmal in den Credits erwähnt und musste sich ihr Honorar einklagen. Zurück in Großbritannien, arbeitete sie bis 1943 bei dem Industriellen Gordon Turner als Hausmädchen, wo sie auch SchriftstellerInnen wie Hilde Spiel, wie sie aus Wien, und Peter de Mendelsohn vom Universitas Verlag wiedertraf. Zu dieser erniedrigenden Erfahrung kam hinzu, dass sich ihr gesundheitlicher Zustand immer weiter verschlechterte. Trotzdem war sie in der Lage, neben ihrer Arbeit auch an Treffen und Kongressen des internationalen PEN teilzunehmen, dessen Mitglied sie war. Ab 1944 arbeitete sie im Foreign Office in London; zwei Jahre später erhielt sie die britische Staatsangehörigkeit.
Dennoch entschloss sie sich zehn Jahre später, nach Deutschland zurückzukehren und zog 1956 nach München. War 1951 noch der Erzählungsband Heimweh nach Gestern bei Universitas erschienen, so wurden ab 1954 vier Romane vom Kurt Desch Verlag verlegt. Und so wurde Lederer 1973 auch Opfer des sogenannten Desch-Skandals: Desch hatte in den 1970er Jahren Tantiemen seiner AutorInnen in Millionenhöhe unterschlagen.
Zeitweilig arbeitete Lederer als Lektorin für verschiedene Zeitungen und schrieb für den Rundfunk. Außerdem übersetzte sie Romane von u. a. Pearl S. Buck und William Saroyan.
Auch wenn es immer wieder Neuauflagen ihrer Werke gab, konnte sie doch nicht mehr an ihre Erfolge in den Zwischenkriegsjahren anknüpfen.
Mit 82 Jahren starb Joe Lederer nahezu vergessen in einem Münchener Krankenhaus. Sie wurde auf dem Münchener Waldfriedhof in einem Urnengrab bestattet.
(Text von 2019)
Verfasserin: Doris Hermanns
Zitate
„Anstatt Joe Lederer als sprachmächtige, subtile Erzählerin und sensible Zeichnerin verschiedenster Milieus und Ambientes zu etablieren, wurden ihre Werke als »Unterhaltungsromane« verkauft, und gerade jene Bücher am intensivsten gepflegt, die literarisch nicht zu ihren gelungensten zählen.“
„In all ihren Büchern geht es um Liebe, doch sie erzählen keine konventionellen Liebesgeschichten; sie erzählen vom Leben der Menschen in verschiedenen Milieus und Lebenslagen und einer konkreten zeitgeschichtlichen Verankerung, von ihren Problemen und Verstrickungen, an denen die Liebe einen zentralen Anteil hat. Die Beziehungen, in die ihre Protagonistinnen geraten, sind überwiegend »nicht passend«.“
Evelyne Polt-Heinzl in: Zeitlos
Literatur & Quellen
Literatur über Joe Lederer:
Brinker-Gabler, Gisela, Karola Ludwig und Angela Wöffen (1986): Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 1800 – 1945. München, dtv
Budke, Petra und Jutta Schulze (1995): Schriftstellerinnen in Berlin 1871 bis 1945. Ein Lexikon zu Leben und Werk. Berlin, Orlanda. Reihe: Der andere Blick. Frauenstudien in Wissenschaft und Kultur
Polt-Heinzl, Evelyne (2005): Von der Unfreundlichkeit des Lebens: Joe Lederer (1904-1987), in: Evelyne Polt-Heinzl: Zeitlos. Neun Porträts. Von der ersten Krimiautorin Österreichs bis zur ersten Satirikerin Deutschlands. Wien, Milena. Dokumentation Band 30
Wall, Renate (1995): Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen im Exil 1933 bis 1945. Band 2. Freiburg i. Br., Kore
Joe Lederer in der Deutschen Nationalbibliothek
Werke von Joe Lederer:
Das Mädchen George (1928). Berlin, Universitas
Musik der Nacht (1930). Berlin, Universitas
Drei Tage Liebe (1931). Berlin, Universitas
Bring mich heim (1932). Berlin, Universitas. Neuauflage (2019): Wien, Milena
Unter den Apfelbäumen (1934). Berlin, Universitas
Blatt im Wind (1936). Wien/Leipzig, Zeitbild-Verlag
Blumen für Cornelia (1936). Wien/Leipzig, Zeitbild-Verlag
Ein einfaches Herz (1937). Wien/Leipzig, Zeitbild-Verlag
Fafan in China. Ein Roman für Kinder (1938). Wien, Leipzig, Olten, Frick. Neuauflage unter dem Titel: Entführt in Schanghai (1958). Reutlingen, Ensslin & Laiblin
Heimweh nach gestern (1951). Berlin, Universitas
Letzter Frühling (1955). München, Wien, Basel. Desch
Unruhe des Herzens (1956). München, Wien, Basel. Desch
Sturz ins Dunkel (1957). München, Wien, Basel. Desch
Die törichte Jungfrau (1960). München, Wien, Basel. Desch
Tatmotiv: Begierde. Der Fall Joseph Albert Guay und fünf weitere Kriminalfälle (1963). München, Wien, Basel, Desch. Neuauflage unter dem Titel: Tatmotiv Liebe. Sieben Mordfälle, die Kriminalgeschichte machten (1981). Rastatt, Moewig
Von der Freundlichkeit der Menschen (1964). München, Wien, Basel. Desch
Ich liebe Dich. Fünf Geschichten aus meinem Leben (1975). München, Desch
Meine schönsten Romane (1977). München, Berlin- F.A. Herbig
Tödliche Leidenschaft. Sieben große Mordfälle (1977). München, Berlin, F.A. Herbig
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