geboren am 9. Dezember 1881 in Hannover
gestorben am 17. November 1939 in Oelerse
deutsche naive Dichterin
85. Todestag am 17. November 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Fotos von Julie Schrader: verhüllt bis zum Kinn, das Haar ordentlich aufgesteckt – ein Inbild ehrbarer Weiblichkeit im wilhelminischen Deutschland. Der Eindruck trügt: Julie Schrader dichtet, und in ihren Gedichten wird heftig und deftig geliebt:
Wenn über dir die Liebe schwebt
Und deine Knochen krachen
Wenn über dir ein Busen bebt
Und noch ganz and’re Sachen…
Ganz unverhüllt besingt sie die körperlichen Vorzüge ihrer Liebhaber, von „August Meyer“ bis hin zum Operettenkomponisten Leo Fall:
Vor mir steh’n zwei Spiegeleier
In des Speckes Lauge.Und ich sehe still sie an
Mit der Sehnsucht Auge.August kommt in meine Sinne,
Der sie oft bestellte
Und durch ihre schöne Kraft
Hinterher mich fällte.
Aber Julie Schrader liebt beileibe nicht alle Männer. Sie hat zwar, nach Tätigkeiten als Vorleserin bei einer hannoverschen Baronin und als Haus- und Anstandsdame in Harburg und Bremen, einige Jahre in Berlin verbracht, trotzdem:
Nein, nein, es darf kein Preuße
In meinen Hafen zieh’n.Geschlossen ist die Schleuse,
Kommt einer aus Berlin.
Die Preußen, besonders Bismarck, reißen sie zu wahren Hassgesängen hin, und in dem Melodram Genoveva oder Die weiße Hirschkuh gerät ihr Wilhelm II. zu einer grandiosen Karikatur – die Rache der eingefleischten Welfin. Plastischer als sie hat wohl keine dem von den Preußen abgesetzten hannoverschen Königshaus dichterisch ihre Liebe erklärt: „Selbst meines Busens Türme sind welfisch durch und durch…“
Aus dem lebens- und liebeslustigen „Welfischen Schwan“ wird eine einsame, verbitterte Frau. Julie Schrader lebt nach einer spät geschlossenen, wenig glücklichen Ehe in einem kleinen Dorf. Sie wird als „Städtische“ von der Familie ihres Mannes und der dörflichen Umwelt nicht anerkannt; die Geburt eines Sohnes zerrüttet ihre Gesundheit – Julie Schrader setzt ihrem Leben ein Ende.
(Text von 1988)
Verfasserin: Brigitte Warkus
Zitate
Ich möchte, dass mich Schiller liebte;
Ach, wär‘ ich doch nur ein Klavier!
Wenn Brahms auf meinen Tasten übte,
Es schwebten Engel über mir!Ich möchte, dass mich Goethe küsste;
Ach, wär‘ ich doch ein Saitenspiel!
Wenn Bach als Orgel mich befüßte,
Was gäbe das ein Hochgefühl!Ich möchte, dass mich Heyse koste;
Ach, wär‘ ich doch ein Paukenfell!
Wenn Mozarts Busen mich umtoste,
Ich stürb‘ dabei eventuell!
Literatur & Quellen
Flügge, Hans-Ludolf. 1971. Julie Schrader, der welfische Schwan. Stade. Heimberg.
Schrader, Julie. 1974. Julie Schrader, z. Zt. postlagernd: Die Correspondencen der Pusteblume. Hg. Berndt W. Wessling. München. Piper.
Schrader, Julie. 1982. “Es bohrt der Liebe Rosenfinger: Prosa, Poeme und Briefe des “Welfischen Schwans”. Hg. Berndt W. Wessling. München. Goldmann TB 6476.
Schrader, Julie. 1987. “Heut' Nacht stieß mir die Liebe auf ...”: Sämtliche Gedichte des “Welfischen Schwans” Julie Schrader, Bd. 2. Gesammelt und hg. von Berndt W. Wessling. München. Heyne TB Ex Libris 207.
Schrader, Julie. 1987. “Mit einem Fuß auf dem Grabe von Goethe”: Sämtliche Gedichte des “Welfischen Schwans” Julie Schrader, Bd. 1. Gesammelt und hg. von Berndt W. Wessling. München. Heyne TB Ex Libris 206.
Wessling, Anni Julie. 1981. Meine Tante - Deine Tante: Erinnerungen an den “Welfischen Schwan” Julie Schrader. München. Goldmann TB 6387.
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