Biographien Marie-Anne Victorine Boivin
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(geb. Gillain)
geboren am 9. April 1773 in Montreuil bei Versailles
gestorben am 16. Mai 1841 in Paris
französische Hebamme
250. Geburtstag am 9. April 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Marie-Anne Victorine Gillain wählte 20-jährig den Hebammenberuf. Drei Jahre wurde sie am Krankenhaus in Etampes ausgebildet, danach wurde sie Schülerin der nur wenige Jahre älteren bedeutenden Hebamme und Chirurgin Marie-Louise Lachapelle (1769-1821) in Hôspice de la Maternité in Paris. 1801 war sie Leiterin der Stillabteilung an der Maternité. 1811 verlässt sie, angeblich wegen zunehmender Rivalität mit Lachapelle, Paris und geht ans Hospital von Poissy.
Gillain war nicht nur unermüdlich in verschiedenen Hospitälern praktisch tätig, sondern veröffentlichte auch wissenschaftliche Werke, u.a. über Geburtshilfe und Erkrankungen des Uterus. Ihre Arbeiten stürzten sich auf genaue statistische Beobachtungen und Geburtenzahlen von 20.517 Fällen. Ihr Hauptwerk Mémorial de l’art des accouchements, ein Lehrbuch der Geburtshilfe, erlebte von 1812 bis 1836 vier französische Auflagen sowie 1822 eine italienische und 1829 eine deutsche.
Sie konstruierte medizinische Instrumente, so eines der damals besten Specula, d.h. ein Instrument zur Besichtigung der Scheide, und ein „Intrapelvimeter“, ein Instrument zur inneren Messung des weiblichen Beckens. Ihre Tätigkeit und ihre Veröffentlichungen fanden im europäischen Raum große Beachtung und Anerkennung: Sie wurde Ehrenmitglied der Königlichen Gesellschaft der Medizinischen Wissenschaften in Bordeaux und erhielt die preußische Goldene Zivilverdienstmedaille. Am 30. Mai 1827, anlässlich des 300-jährigen Jubiläums der Universität Marburg, wurde der 54-Jährigen der Ehrendoktortitel verliehen. In ihrem Dankschreiben heißt es: „Wenn man alles, was das Leben schmücken und verschönern kann, zum Opfer bringt, um sich fortwährend den Mühseligkeiten des Studiums, den Unannehmlichkeiten der Praxis, den Beschwerlichkeiten des Unterrichts und der Heilkunde zu unterziehen, so hat man nur die ärztliche Pflicht erfüllt; wann man aber zu gleicher Zeit einen glühenden Wetteifer bei denen anfacht, welche denselben Weg… verfolgen; wenn man denen, die sich durch ihren Eifer oder durch die Wichtigkeit ihrer Arbeiten auszeichnen, eine ehrenvolle Anerkennung gewährt; wenn man bei der Verteilung der Belohnungen jedes Vorurteil in Beziehung auf den Stand, das Vaterland und das Geschlecht verbannt, dann zeigt man sich als wahrer Philosoph und Menschenfreund…“
Mit dem Beamten Boivin, den sie 1797 heiratete und der nach kurzer Zeit starb, hatte sie ein Kind. Sie lebte in bescheidenen Verhältnissen, am Ende ihres Lebens in bitterster Armut, nur notdürftig unterstützt durch die öffentliche Fürsorge.
(Text von 1990)
Verfasserin: Maya Winkler
Literatur & Quellen
Bailey Ogilvie, Marilyn. 1991. Women in science: Women in science: antiquity through the nineteenth century: a biographical dictionary with annotated bibliography. Cambride (MA). MIT Press.
Schönfeld, Walther. 1947. Frauen in der abendländischen Heilkunde vom klassischen Altertum bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts. Stuttgart. Enke.
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