Biographien Roswitha Baumeister
geboren am 10. Dezember 1954 in Trier
deutsche Bildhauerin, Fotografin, freischaffende Künstlerin
70. Geburtstag am 10. Dezember 2024
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Wer kennt sie nicht: die Frau mit dem Licht, die die Fassaden von Metropolen mit Großprojektionen veränderte, neu belebte und neue Räume schuf, ob in Berlin, San Francisco, Köln, Dublin oder Amsterdam: changing city FACadES. Für diese Ton-Licht-Kompositionen, die sie mit der Klangkünstlerin Barbara Waldow realisierte, benutzte sie Scherenschnitte. Einem Schattentheater gleich trugen die Projektionen mit Ausmaßen bis zu hundert Metern zur Repräsentation von Frauen im öffentlichen Raum bei. Eine Form feministischer Aneignung der patriarchalen Städte.
Unübersehbar spaziert Else Lasker-Schüler mit Sonnenblume und Peitsche - nach einer ihrer Gedichtzeilen - über altes Backsteingemäuer, lehnt eine Indiofrau aus dem Fenster, ihr Kopf ragt bis zum Dach hinauf. Immer die Frau im Mittelpunkt entstehen mit der Künstlerin Liz Crossley Licht-Aktionen in Paderborn zu den französischen Revolutionärinnen, und zur Konferenz „Berlin - eine von Frauen zu regierende Stadt“ erscheint Rosa Luxemburg als großes Vorbild auf dem internationalen Kongressgebäude ICC. Dann wird das Schöneberger Rathaus, die politische Machtzentrale Westberlins, für einige Stunden die Berlinerinnenstadt, gewidmet den zu dieser Zeit acht amtierenden Senatorinnen. Zufällig ist es die Nacht des 10. November 1989. Im nun frei zugänglichen Ostberlin, noch ohne grelle Leuchtreklamen, beginnt Roswitha Baumeister jetzt der besonderen Nachtlichtfarbe nachzuspüren. Sie nennt es Lichteinfangen. Oder Lichtbauen.
In Trier als Tochter einer Hausfrau und eines Komponisten geboren und dort mit vier Geschwistern aufgewachsen, zieht es sie zwanzigjährig nach Westberlin. Sie engagiert sich beim Straßentheater und wirkt mit an der Entstehung und Gestaltung konkreter Kunsträume, zum Beispiel Anfang der 1980er Jahre in der von Frauen besetzten Schokoladenfabrik. Sie gehört zur Künstlerinnengruppe “Schwarze Schokolade”, ist präsent bei Stadtteilkunstaktionen und maßgeblich beteiligt am fünfzehnjährigen Geschehen in “Pelze multimedia”, einem ehemaligen Pelzgeschäft, nun ein Ort für Künstlerinnen, “ladies only”. Multimedial hieß damals, auch mit analogen Techniken und verschiedenen Materialien zu arbeiten.
Roswitha Baumeister lernt im Lauf der Jahre Kalligrafie, Siebdruck, Holzschnitt, japanische Dichtkunst und gibt ihr Wissen als Lehrende weiter. Beim Experimentieren mit Raum und Körper, sich selbst ausprobierend, entstehen große und kleine Kunstwerke. Schließlich unsere gemeinsame Postkartendokumentation “Ladies only” zu den Aktionen, Performances, Ausstellungen, ausgewählt aus Tausenden von Fotos und Texten. Diese sind heute in ihrer Gesamtheit einzusehen im Hamburger Künstlerinnenarchiv “Bildwechsel”, mit dem die Frau des Lichts seit drei Jahrzehnten zusammenarbeitet. Nicht wegzudenken ist sie aus den Berliner “sisterprojects” der 1980er und 90er Jahre: “Lesben.Kultur.Etage Araquin”, “Frauenkneipe Paramount”, “Frauenzeitschrift Blau”, “Dissonanzen des Radios 100”, “Künstlerinnenprojekt Cnemidophoros Uniparens” ...
Eine Netzwerkerin über Berlins und Deutschlands Grenzen hinaus, knüpft sie mit Vorliebe Kontakte zu anderen Künstlerinnen, macht gern neue Bekanntschaften, holt sich Inspirationen aus der Welt: 1983 Ägyptenaufenthalt, 1985 halbjährige Reise durch Kuba und Mexiko, 1988 gemeinsames Arbeiten mit anderen Künstlerinnen in der Abgeschiedenheit umbrischer Berge oder 1991 monatelang allein auf der äolischen Insel Alicudi. Und 2011 zieht es sie nach Indonesien, ins Land des Schattentheaters. Ihre Eindrücke erscheinen als Reisebericht “Rahayu” zur interkulturellen Gemeinschaftsausstellung „Lernen – Kennen“. Das könnte ihr Lebensmotto sein. Ihre Berliner Wohnung, jederzeit offen für Freundinnen, für Vorbeiziehende, für länger Bleibende, ist ein Ort des Austauschs.
Sie ist nicht nur eine Vernetzerin zwischen Orten, auch zwischen Zeiten. In ihrer künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Leben und Werk der Malerin Gerda Rotermund (1902-1982) fragt sie: „In welcher Tradition stehe ich selbst zu der Malerin? Wie begegne ich als lesbische Künstlerin einer anderen, die sich nicht so nennt?“ Eine Lebensform, die weder zu Gerda Rotermunds Zeiten noch im Rahmen der heutigen Künstlerinnenvereinigung GEDOK thematisiert wird.
Im Rathaus Schöneberg vermittelt sie seit Jahren in der Ausstellung „Wir waren Nachbarn“ ihre fundierten Kenntnisse zu den Lebenszusammenhängen im jüdischen Schöneberg.
Materielle Erinnerungsräume gestaltet sie seit 2007 mit Anita Meier unter dem Namen „Denktafeln“, die verdienstvolle Frauen - zum Beispiel die lesbische Sozialdemokratin Hilde Radusch, die frühen Juristinnen Margarete Behrend und Marie Munk, die als Jüdinnen emigrieren mussten - an ihren ehemaligen Lebensorten mit Tafeln würdigen oder mit Gedenkbänken an die ZwangsarbeiterInnen im Park des Historischen Orts Krumpuhler Weg erinnern.
An einem performativen Abend lernte ich sie einst als Verwandlungskünstlerin im Chanel-Kostüm kennen. In ihren Inszenierungen überspringt sie gern die Geschlechtergrenzen, tritt bei Bedarf als Moderator Anton Rabe mit Schnäuzer und Melone auf, heisst bisweilen dr.rossi, küsst und signiert als Roter Mund oder withaRos. In unserer gemeinsamen Vorliebe fürs Reisen wollen wir ein bereits begonnenes Projekt weiterführen: „Namen werden Inseln“.
Verfasserin: Traude Bührmann
Links
www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/organisationseinheit/bildung-kultur/wir_waren_nachbarn.html
www.denktafeln.de www.bildwechsel.org
Sie zum Beispiel: http://www.uteaurand.de/programm/sie_zum_beispiel.php
Galerie Helga Broll: www.galerie-broll.com/projekte/bubenballseite/ausstellung2008.html
Lernen Kennen Ausstellung: www.lernen-kennen.de mit interaktiver Weltkarte
Schwarze Schokolade: www.schwarzeschokolade.de
Fotobeton: http://www.baunetzwissen.de/standardartikel/Beton-Baenke-aus-Fotobeton-an-einem-Berliner-Gedenkort_985203.html
Denktafeln: www.denktafeln.de
Namen und Erinnerung Xenos Jugendprojekt: www.ubs-ev.de/projekte/team-in-berlin.htm
Literatur & Quellen
Pelze multimedia, Postkarten Dokumentation, Berlin 1991
Rahayu, 56 Postkarten nach Europa, Berlin 2011
AMAZone in Dokumentation Karl-Hofer-Symposium 1982 Frau – Raum – Zeit Berlin 1983 Colloquium Verlag
PELZE multimedia mit Ursula Bierther Frauenautonomie-Kreativität-Subkultur In: Berliner Kulturplätze 3 Hg Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) Berlin 1985
Passanten – Silhouetten der Nacht Kunst aus den ZwischenRäumen Picobello Teil 1 Dokumentation 1985 Hg Stern Berlin
Lichtaktion, Foto Petra Gall in: Fundorte 200 Jahre Frauenleben und Frauenbewegung Katalog zur Ausstellung „Kein Ort nirgends?“ der Berliner FrauenKulturInitiative Berlin 1987 Orlanda Frauenverlag
Archäologisch unterwegs in: Frauenblicke - Female flashes Katalog zur Ausstellung in San Francisco Berlin 1988
Scherenschnitte in: Zaunreiterin Revue für Frauen Gesa Pankonin Irene Hacketal Leipzig 1994
Spion und Judasauge mit Elisa Klaphek Nachbarschaft in Berlin Katalog zur Davka Ausstellung 1998 Aviva Verlag 1999
Nachtschattengewächse in: Katalog Pour une Ecologie des Media Art Cinéma Vidéo Ordinateur Astarti Paris 1998
Antonologie - Das Geschlecht als Fassade In: 1993 – 2003 Die eigene Dauer der Jahre Hg: Text- und Materialsammlung zum Projekt 1993-2003 Künstlerinnenverband Bremen, 1999
Estra unprofessionell CHIC readers digest K K-bulletin Nr. 4 Juni 2002 Zürich
Fast umsonst leben In: Fast umsonst NGBK Berlin 2004
ICH® Kleine Berichte aus dem Gedächtnis (zu Monique Wittig) Reader zur Diskussionsreihe Prekäre Perspektiven Hg: Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) Berlin 2006
Elke Melkus Bilder der Nacht in: 64. Berliner Kunstblatt - 150 Jahre Fotografie Nr. 64 / 18. Jahrgang Berlin 1989
Women artists and the environement In: Dublin 1991 German Contributions Goethe Institut Dublin 1991 and WOMEN’S ART Magazin No 42 London 1991
Die Musen Künstlerinnen des Tacheles Erfurt 1992 Kunsthaus Erfurt
Waltraud Schwab: Rabe, Roter Mund, withaRos, TAZ 13.2.1998
Joanna Barek: Outside Land-art und Objektkunst Bedburg – Hau 1999
Marianne Brausch: Concevoir la lumière Zur Ausstellung Wer kennt sie nicht die Frau mit dem Licht Land&Kultur, Luxemburg 17.3.2000
Sybille Nägele Joy Markert: PELZE in Die Potsdamer Straße. Geschichten, Mythen und Metamorphosen Berlin 2006 Metropol Verlag
DIA / SLIDE / TRANSPARENCY. Die Frau mit dem Licht Materialien zur Projektionskunst Berlin 2000 NGBK
Transportale Kunstprojekt im öffentlichen Raum Licht lockt Leute Mithg- der Dokumentation Berlin 2004
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.