Allegro Moderator
Gestern Abend ging in Hannover der 8. Internationale Joseph-Joachim-Violinwettbewerb mit einem Galakonzert zu Ende. Die sechs FinalistInnen traten alle noch einmal auf und präsentierten sich mit ihren Glanzstücken. Höhepunkt waren die beiden Gewinnerinnen des ersten Preises, Dami Kim aus Südkorea und Alexandra Conunova-Dumortier aus Moldawien, mit Auszügen aus den Violinkonzerten von Sibelius und Beethoven.
Der Wettbewerb ist benannt nach Joseph Joachim, dem Geigenvirtuosen und Frauenfeind unseligen Angedenkens, der seiner Ehefrau, der berühmten Sängerin Amalie Joachim, erst die Bühnenkarriere verbot und dann das Leben mit seiner unbegründeten Eifersucht zur Hölle machte. Davon erfuhren wir offiziell natürlich nichts während des gesamten Wettbewerbs. Aber frau kann wie gewohnt auf FemBio alles haarklein nachlesen.
Diesmal hatten, anders als in den Jahren zuvor, mehr Männer (19) als Frauen (17) am Wettbewerb teilgenommen. Von den Männern kamen allerdings nur zwei bis ins Finale, also etwa jeder Zehnte. Von den Frauen hingegen vier, etwa jede Vierte. Überdies gewannen zwei Frauen den ersten Preis (dafür entfiel diesmal der zweite Preis).
Trotzdem redete Markus Fein, der Moderator der Veranstaltung, stur nur von den „Teilnehmern“ und den „Preisträgern“. Überhaupt leistete er sich allerlei Klöpse.
Den Auftakt bildete Alexandra Conunova-Dumortier mit der Romance op. 2,1 von Joseph Joachim. Am Klavier begleitet wurde sie von Veronika Kopjova. Deren Name wurde vom Moderator nicht erwähnt. Dafür verballhornte er den Namen des nächsten Komponisten, Ernest Chausson, und kündigte ihn als „Chanson“ an. Auch ein schönes Wort, aber der Mann hieß nun mal Chausson. Wir nennen ja Beethoven auch nicht Backofen. Als Airi Suzuki und ihre Begleiterin Natsumi Ohno fertig waren, erklärte der Moderator unbeirrt, sie hätten das Poème von „Chanson“ gespielt.
Nachdem er bei den beiden ersten Darbietungen vergessen hatte, die Begleiterin am Klavier namentlich zu nennen, musste ihn, bevor er zum dritten Fauxpas ansetzte, erst die Organisatorin der Veranstaltung, Julia Albrecht, am Ärmel zupfen, um ihn daran zu erinnern, die Begleiterin doch bitte auch noch zu erwähnen.
Das Publikum war in Festlaune und murrte vorerst nicht. Auch dass er die Stellvertreterin der Gastfamilien mit einem falschen Vornamen ankündigte (am Schluss der Veranstaltung gelang ihm das noch einmal), wurde großzügig übergangen. Als er aber zu Beginn der zweiten Halbzeit den ersten Satz des Sibelius-Violinkonzertes als „Allegro moderator“ ankündigte, fing das Publikum denn doch an zu lachen. Da nun konnte der Moderator schön seine Qualitäten als unerschütterliche Plaudertasche zeigen. Er verzagte keineswegs ob seiner geradezu klassischen Freudschen Fehlleistung, sondern sagte flott: „Ach ja, das geht ja nicht, der Moderator bin ja ich.“
Es wäre sehr zu wünschen, dass die ehrwürdige Institution Joseph-Joachim-Violinwettbewerb beim nächsten Mal Julia Albrecht moderieren ließe, die das schon durch alle Stadien des Wettbewerbs perfekt erledigt hatte. Auch den Begründer und künstlerischen Leiter des Wettbewerbs, Krzysztof Wegrzyn, könnte ich mir gut als Moderator vorstellen. Beide sind sehr charmant und wissen wenigstens, wovon sie reden. Auch des Feministischen sind sie mächtig und sprechen es hübsch und flüssig.
Was gab es sonst noch an antifeministischen Vorfällen an diesem Wochenende? Ach ja, die EU bekam den Friedensnobelpreis, weil ihre Arbeit 'Bruderschaft zwischen den Nationen' repräsentiere, im Sinne der Formulierung Nobels in seinem Testament.
Dass zwei erste Preisträgerinnen dauernd als „Preisträger“ verunkenntlicht wurden und Nationen (merke: die Nation, Femininum) als „Brüder“, was noch obendrein Friedensliebe symbolisieren soll, hat mich ziemlich verstimmt. Kam nicht der sprichwörtliche Bruderkrieg durch Kain und Abel in die Welt? - Aber Gründe zur Begeisterung bleiben noch genug. Zum Beispiel das himmlische Geigenspiel der beiden ersten Preisträgerinnen des achten Joseph-Joachim-Wettbewerbs, gekürt von einer überwiegend männlich besetzten Jury.
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1 Kommentar
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14.10.2012 um 19:55 Uhr Amy
Als Dilettanten-Stümperei wurde Joseph Joachims Violinkonzert op. 11 , im `ungarischen stil`, benannt. Ähnlich `Stümperhaft` scheint auch der Auftritt des Moderators zu sein. Er sollte sich schlau machen und Luises Bücher lesen: “Das Deutsche als Männersprache, Diagnose und Therapievorschläge” oder “Alle Menschen werden Schwestern”.
Es hat ja System, Frauen nicht nur in der Sprache unsichtbar zu halten, wenn sogar bei einem Musik-Wettbewerb nur von Preisträgern und Teilnehmern gesprochen wird.
Das Patriarchat gibt aber auch immer wieder Anlass zur Heiterkeit, z.b. schrieb der Spiegel mal von lesbischen Soldaten - Lesben können also nur Männer sein?
Mein Lieblingszitat von Luise - “Für nichts wird soviel Reklame gemacht wie für Männer” . “Unentwegt erinnern sie an sich selbst: auf Geldscheinen und Gedenkmünzen, mit Bronzebüsten und Straßenschildern, in Lexika und Zitatensammlungen. Frauen kommen dabei, beziehungsweise kamen bis vor kurzem, so gut wie nicht vor. Informationen über bedeutende Frauen der Vergangenheit sind schwer zugänglich, nur mühsam und eher zufällig auffindbar in den dicken Wälzern über ‘wichtige Männer’.”